06.11.2013 Aufrufe

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

7. Territorialautonomie ist ein Instrument, das<br />

regionalen Gemeinschaften erlaubt, die Kontrolle über<br />

die Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen auszuüben.<br />

Das Problem der Ausbeutung natürlicher und anderer<br />

Ressourcen durch staatliche Mehrheiten, ohne<br />

Rücksicht auf die Interessen und Lebensgrundlagen<br />

der einheimischen Bevölkerung löst in manchen<br />

Fällen erst die Autonomieforderungen aus. Dieses<br />

Arrangement muss genügend Mittel zur Verhinderung<br />

wirtschaftlicher Ausbeutung durch auswärtige Unternehmen<br />

bieten.<br />

8. Territorialautonomie kann eine Übergangslösung<br />

<strong>für</strong> Minderheitenkonflikte bieten (siehe Kasten unten).<br />

Doch wenn eine Übereinkunft getroffen ist und<br />

Feindseligkeiten enden, können Spannungen wieder<br />

aufflammen, wenn die Autonomie nicht funktioniert<br />

oder nicht korrekt angewandt wird. Auch wenn die<br />

Arrangements nicht von Dauer sind und Spannungen<br />

wieder aufflammen, bietet Autonomie eine Atempause,<br />

um kontroverse Fragen in geeigneten Institutionen<br />

politisch auszutragen. Dies ist deshalb so wichtig,<br />

weil bei ethnischen Konflikten häufig nicht einmal ein<br />

sicherer Rahmen <strong>für</strong> Verhandlungen gefunden wird.<br />

9. Territorialautonomie sorgt <strong>für</strong> ein allgemeines Recht<br />

an Beteiligung im demokratischen Staat, 94 jenseits<br />

der Frage des Schutzes ethnischer Minderheiten.<br />

Regionalautonomie bietet regionalen Gemeinschaften<br />

eine bessere Chance zur Beteiligung an Politik und zur<br />

Kontrolle der politischen Eliten. Es ermöglicht regionalen<br />

Institutionen die Entwicklung regionaler sozialer und<br />

wirtschaftlicher Systeme, die den Bedürfnissen der<br />

lokalen Bevölkerung besser entsprechen. Wahlprozesse<br />

können auf regionaler Ebene Randgruppen und bisher<br />

vernachlässigte Minderheiten besser berücksichtigen.<br />

Spezielle Gesetzgebungs-verfahren können regionale<br />

Interessen berücksichtigen, die auf nationaler Ebene<br />

völlig untergehen würden. „Gemeinschaftliche<br />

Machtverwaltung“ fördert sowohl die politische<br />

Beteiligung als auch die soziale Integration. Auch<br />

die verschiedenen Instrumente direkter Demokratie<br />

funktionieren auf regionaler und lokaler Ebene besser,<br />

weil die politische Kommunikation engmaschiger ist.<br />

Die Partizipationsrechte der gesamten Bevölkerung<br />

einer Region werden gestärkt.<br />

Fragen zu finden. Es besteht vielmehr die Möglichkeit,<br />

Machtbefugnisse graduell zu übertragen und<br />

dynamisch die Autonomie auszubauen. Dies öffnet eine<br />

Perspektive auf ein „joint venture“ zum schrittweisen<br />

Aufbau des friedlichen Zusammenlebens in gegenseitigem<br />

Vertrauen.<br />

Zusammenfassend gesagt, gibt es eine Fülle von guten<br />

Gründen, Territorialautonomie in Betracht zu ziehen,<br />

wenn ein Staat mit Minderheitenkonflikten konfrontiert<br />

ist, doch bestehen auch Risiken und Grenzen <strong>für</strong> dieses<br />

Konzept. Vorteile müssen mit den Gefahren und Risiken<br />

auf dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrungen<br />

abgewogen werden. Obwohl nationale Minderheiten<br />

und Minderheitenvölker kein verbrieftes Recht auf<br />

Autonomie haben, tritt die Effizienz in der Lösung<br />

ethnischer Konflikte immer klarer zu Tage. Autonomie<br />

kann ein probates Mittel sein, um das Zerfallen von<br />

Staaten zu verhindern und gleichzeitig international<br />

anerkannte Menschen- und Minderheitenrechte durchzusetzen.<br />

Doch „bietet Autonomie nicht automatisch<br />

Gewähr <strong>für</strong> Erfolg; sie ist ein Teil der Konfliktlösung<br />

und muss mit anderen Maßnahmen je nach den<br />

besonderen Bedingungen des Einzelfalls verknüpft<br />

werden.“ 95<br />

56<br />

Bezüglich des Verfahrens zur Einrichtung einer<br />

Autonomie gibt es keinen Bedarf, in einem bestimmten<br />

historischen Zeitpunkt eine definitive Lösung <strong>für</strong> alle<br />

94 Bezüglich dieses Arguments vgl. auch Zelim Skurbaty (2005),<br />

Introduction, in Zelim Skurbaty, Beyond a one-dimensional state,<br />

Leiden, S.xlv; und Yash Ghai (2000), Kap. 2<br />

95 Hans Joachim Heintze (2002), S. 342; in diesem Sinne auch<br />

Fernand De Varennes (2002), Lessons in Conflict prevention: A<br />

Comparative Examination of the Content of Peace Accords, in: The<br />

Global Review of Ethnopolitics, Vol. 1, no.3, März 2002, S. 53-59

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!