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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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4 Besondere Formen von Autonomie<br />

Karakalpakstan<br />

Karakalpakstan ist eine autonome Republik in<br />

Usbekistan mit eigener Verfassung und eigenem<br />

Parlament. Die Regierungsgeschäfte führt der<br />

Ministerrat von Karakalpakstan, dessen Präsident,<br />

der Regierungschef, ein ehemaliges Mitglied der<br />

usbekischen Staatsregierung sein sollte. Karakalpakstan<br />

hat auch ein eigens Justizwesen und kann seine<br />

Verwaltungsstruktur frei bestimmen. Karakalpakstan<br />

hat sogar das verbriefte Recht auf Sezession, sofern<br />

seine Bevölkerung dies in einer Volksabstimmung so<br />

entscheidet. Unglücklicherweise reicht der Standard<br />

der politischen rechte und demokratischen Freiheiten<br />

Usbekistans bei weitem nicht aus, um Karakalpakstan<br />

als “modernes Autonomiesystem” zu qualifizieren.<br />

Nachichevan (Aserbaidschan)<br />

Nachichevan bildet eine Autonome Republik innerhalb<br />

Aserbaidschans. Das Regionalparlament, Ali Majlis<br />

genannt, hat Gesetzgebungshoheit und wählt das<br />

Ministerkabinett, das die Regionalgesetze umsetzen<br />

soll. Der Präsident des Ali Majlis ist der höchste<br />

Repräsentant dieser autonomen Einheit. Das 45-<br />

köpfige Parlament wird alle fünf Jahre direkt gewählt.<br />

Abänderungen des Autonomiestatus von Nachichevan<br />

müssen mit denselben erschwerten Verfahren erfolgen<br />

wie Änderungen der aserbaidschanischen Verfassung.<br />

Sie müssen allerdings durch ein staatsweites<br />

Referendum bestätigt werden. Auch Aserbaidschan wird<br />

seitens internationaler Organisationen (Europarat) und<br />

Menschenrechtsorganisationen (z.B. Freedomhouse)<br />

kein ausreichender Standard an demokratischen<br />

Grundrechten und Freiheiten attestiert.<br />

Gorno-Badakshan<br />

Diese gebirgige Region der Republik Tadschikistan<br />

hat ihre eigene Regionalversammlung mit einer<br />

gewissen Gesetzgebungshoheit. Die Zuständigkeiten<br />

dieser autonomen Region werden durch ein<br />

Verfassungsgesetz geregelt. Die Grenzen der Region<br />

Gorno-Badakshan können nur mit Zustimmung dieses<br />

Regionalparlaments geändert werden. Die Mitglieder<br />

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dieser Versammlung werden gemäß regionalem<br />

Wahlgesetz bestimmt. Gorno-Badakshan hat auch sein<br />

eigenes Justizwesen. Allerdings wird die Exekutive der<br />

Region durch den Präsidenten Tadschikistans berufen.<br />

Einer der Assistenten des Präsidenten des nationalen<br />

Parlaments muss ein Abgeordneter aus Gorno-<br />

Badakshan sein. Insgesamt kann Gorno-Badakshan<br />

nicht als “modernes Autonomiesystem” eingestuft<br />

werden, weil Tadschikistan die Mindeststandards<br />

demokratischer Rechte und Grundfreiheiten nicht<br />

erfüllt.<br />

Dieser Befund gilt in differenzierter Abstufung <strong>für</strong> alle<br />

Arrangements territorialer Gewaltenteilung in den<br />

Staaten Zentralasiens (Usbekistan, Aserbaidschan,<br />

Tadschikistan), <strong>für</strong> Pakistan und die Volksrepublik China.<br />

Entweder besteht überhaupt kein demokratisches<br />

System (China) oder die demokratischen Verfahren<br />

sind nicht ausreichend frei und fair (Aserbaidschan)<br />

oder die demokratischen Grundrechte (z.B. die<br />

Versammlungsfreiheit, das Recht auf Bildung<br />

von Parteien und politischen Vereinigungen, die<br />

Meinungsfreiheit und der Zugang zu Informationen, die<br />

Zulassung zu Wahlen usw.) sind zu restriktiv geregelt.<br />

Wie in Kapitel 2.10 ausgeführt, verhindert das Fehlen<br />

genuin demokratischer Institutionen, Grundrechte<br />

und Verfahren die substanzielle Selbstregierung der<br />

Bevölkerung. M.a.W.: es macht <strong>für</strong> die Menschen einer<br />

offiziell “autonomen Region” keinen wesentlichen<br />

Unterschied, ob bestimmte Regierungsfunktionen<br />

von zentralen Ministerien ausgeübt werden<br />

oder vom Zentralstaat ernannte Mitglieder einer<br />

gesamtstaatlichen Machtelite, die aus dieser Region<br />

stammen, aber weder frei gewählt wurden noch der<br />

Regionsbevölkerung politisch verantwortlich sind.<br />

Bei anderen “Autonomie-ähnlichen Arrangements”<br />

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