1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Die</strong>ser Interpretation gemäß kann von diesen Formen nicht behauptet werden, sie seien<br />
geschaffen, doch ebensowenig, sie würden aus dem Nichts hervorgehen; es handelt sich um<br />
Formen, die in gewissem Sinne sowohl aufgrund <strong>des</strong> Agens <strong>als</strong> auch aufgrund <strong>des</strong> Stoffes erzeugt<br />
werden.<br />
Nach der zweiten Deutung sind die körperhaften Formen im Stoff <strong>als</strong> Prinzipien vorhanden,<br />
in denen und aus denen heraus sie entstehen. Doch das Wesen <strong>des</strong> Stoffes bildet noch nicht das<br />
Prinzip, aus dem heraus etwas erzeugt wird; vielmehr geht es hier um die Existenz von etwas im<br />
Stoff Mit-Geschaffenem, aus dem das Agens, von diesem Prinzip her wirkend, eine gegebene Form<br />
aktualisiert. Für Bonaventura entstammt diese Form nicht dem Agens, <strong>als</strong> wäre sie ein Teil von<br />
ihm; im Gegenteil geht sie aus einem Prinzip im Stoff hervor, das sich in Form verwandeln kann<br />
und zu einer Form wird, so wie eine Rose aus der Knospe zu einer Rose wird. Nach dieser<br />
Deutung gilt <strong>als</strong>o, daß im Stoff die Wesenheiten aller natürlich zu erzeugenden Formen vorhanden<br />
sind. Wenn eine Form erzeugt wird, entsteht damit im Stoff keine neue Beschaffenheit oder<br />
Wesenheit.<br />
<strong>Die</strong> Aktualisierung einer neuen Form bedingt somit eine neue Disposition, nach der das in<br />
der Potenz Befindliche aktualisiert wird, aufgrund <strong>des</strong>sen Potenz und Akt in ihrem Unterschied<br />
keine Andersartigkeit im Wesen darstellen, sondern Andersartigkeit der in demselben Seienden<br />
vorhandenen Dispositionen. Bonaventura bevorzugt für die Lehre <strong>des</strong> Aristoteles letztere<br />
Interpretation, und zwar nicht nur, weil sie vom menschlichen Verstand gestützt wird und mit<br />
diesem im Einklang steht, sondern dazu noch, weil Augustins Autorität sie bestätigt. 280<br />
Für Bonaventura kann der Urstoff demnach niem<strong>als</strong> im absoluten Sinn passiv sein. Vor der<br />
Erzeugung der einzelnen substantiellen Formen hat die körperhafte Materie eine Existenz <strong>als</strong> ein für<br />
verschiedene Substantialformen in Potenz Seien<strong>des</strong> (ens). Als ein für das Sein (esse) der<br />
Substantialformen existieren<strong>des</strong> und grundlegen<strong>des</strong> Prinzip ist die Materie stets ebenso passiv wie<br />
280 II sent., d. 7, p. 2, a. 2, q. 1, Resp. (II, 198 b): “Alia via est, quod formae sunt in potentia materiae, non<br />
solum in qua et a qua aliquo modo, sed etiam ex qua. Et hoc dicunt, non quia ipsa essentia materiae sit, ex<br />
qua res prodicitur, sed quod in ipsa materia aliquid est concreatum, ex quo agens, dum agit in ipsam, educit<br />
formam; non inquam ex illo tanquam ex aliquo, quod sit tanquam aliqua pars formae producendae, sed quia<br />
illud potest esse forma et fit forma, sicut globus rosae fit rosa. Et ita positio ponit, quod in materia sint<br />
veritates omnium formarum producendarum naturaliter; et cum producitur, nulla quidditas, nulla veritas<br />
essentiae inducitur de novo, sed datur ei nova dispositio, ut quod erat in potentia fiat in actu. Differunt enim<br />
actus et potentia, non quia dicant diversas quidditatis, sed dispositiones diversas eiusdem; non tamen sunt<br />
dispositiones accidentales, sed substantiales. Et hoc non est magnum, si est in potentia agentis creatis, ut quod<br />
est uno modo faciat esse alio modo[...] Hanc positionem credo esse tenendam, non solum quia eam suadet<br />
ratio, sed etiam quia confirmat auctoritas Agustini, super Genesim ad litteram, quam Magister allegat: quod<br />
‘quae producuntur a natura, secundum rationes seminales producuntur’ ”.<br />
117