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1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...

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Abbild <strong>des</strong> Vaters werde, weil er darin die Fülle der Fähigkeiten und die Ewigkeit darstelle. Denn<br />

das Gedächtnis behält (retinet bzw. est retentiva) das Vergangene, in ihm lebe aber auch das<br />

Gegenwärtige und ergebe sich die Erwartung an die Zukunft, wie wir weiter unten noch genauer<br />

erörtern wollen. 429<br />

<strong>Die</strong> gesamte philosophische Kraft Platons mit seiner Lehre von der Anamnesis, der ganze<br />

mystische Strom in Plotins transcensio und alle trinitarischen Erwägungen bei Augustin erscheinen<br />

in diesem bonaventurischen Begriff so gebündelt, daß er damit eine wahrhaft der Betrachtung<br />

würdige Inhaltsdichte erreicht. 430 Ganz grundsätzlich gilt es, die memoria von dem bei Aristoteles<br />

und Thomas üblichen Sinn abzugrenzen: Es geht hier nämlich nicht um ein psychologisches oder<br />

didaktisches Gedächtnis, <strong>als</strong>o etwas, das auf die Ausübung von Verstand oder Willen folgt, sondern<br />

um etwas in jedem Fall Vorangehen<strong>des</strong>, das Quelle wie Möglichkeit der intellektuell-volitiven und<br />

sensitiven Tätigkeit bildet. Insofern ist stets der Bezug auf die Welt <strong>des</strong> Neuplatonismus aufrecht zu<br />

erhalten, wo es bekanntlich nicht darum geht, zu erkennen, um danach das Erkannte zu erinnern,<br />

sondern umgekehrt: erst zu erinnern, um dann zu erkennen.<br />

Das Gedächtnis überschreitet die Zeit: Durch die Erinnerung ist in ihm das Vergangene<br />

reine Aktualität, wie dies auch das Gegenwärtige und das Zukünftige sind, jeweils durch die<br />

Gegenwart und eine gewisse Fähigkeit zur Voraussicht.<br />

Mit seiner Aufnahme und Bewahrung zeitlicher Gegenstände habe das Gedächtnis ein<br />

allgemeines Zeitbewußtsein und sei dadurch ein Abbild der Ewigkeit. Wenn es die Gesamtheit nicht<br />

allein der in ihrer Körperhaftigkeit und Zeitlichkeit präsenten, sondern auch der ewigen Dinge in<br />

ihrer Einfachheit behält und darstellt, so bewirke es, daß wir Axiome der Wissenschaften begreifen<br />

könnten, wie etwa „das Ganze ist größer <strong>als</strong> der Teil“ bzw. „von jeglichem Sein wird etwas<br />

behauptet oder negiert“. 431<br />

429 I Sent., d. 3, p. 2, a. 1, q. 1, ad 3 (I, 81 b): “... memoria accipitur tripliciter: uno modo prout est receptiva et<br />

retentiva sensibilium et praeteritorum; alio modo prout est retentiva praeteritorum, sive sensibilium sive<br />

intelligibilium; et tertio modo prout est retentiva specierum, abstrahendo ab omni differentia temporis, utpote<br />

specierum innatarum. Et hoc tertio modo est pars imaginis; sed obiectio currit de aliis primis duobus modis.<br />

Primo modo memoria sequitur sensum, secundo modo sequitur ipsam intelligentiam et voluntatem, tertio modo<br />

antecedit et respondet Patri”.<br />

430 Eine Vertiefung <strong>des</strong> Themas bieten: G. Huber, Anamnesis bei Plato, Pullacher Philosophische Forschungen<br />

6, München, (1964); G. Söhngen, Der Aufbau der augustinischen Gedächnislehere, in: <strong>Die</strong> Einheit in der<br />

Theologie, München (1952) S. 63-100; L. Cilleruelo, La memoria Dei según San Agustín, in: Augustinus<br />

Magister..., I, S. 499-511; K. Winkler, La théorie augustinienne de la mémoire à son point de départ, in:<br />

idem., I, 511-519; F. Casado, La teoría de la memoria Dei en la tradición escolástica agustiniana, in: La ciudad<br />

de Dios, 80 (1964) S. 5-44; L. Cilleruelo, ¿Por qué memoria Dei?, in: Revue <strong>des</strong> Étu<strong>des</strong> Agustiniennes, 4<br />

(1964) S. 289-294; O. González, Misterio tinitario, op.cit., S. 588-590.<br />

431 Itin., III, 2 (V, 303 b): “Ex prima igitur retentione actuali omnium temporalium, praeteritorum scilicet,<br />

praesentium et futurorum, habet effigiem aeternitatis, cuius praesens indivisibile ad omnia tempra se extendit”.<br />

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