1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
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nicht aus sich selbst existieren, sondern durch ein beständiges Verhältnis der Abhängigkeit<br />
gegenüber dem Sein an sich in ihrer Existenz gehalten werden.<br />
Was ist denn nun der Definition nach die Wahrheit? So fragt sich Bonaventura an einer<br />
Stelle der Collationes. <strong>Die</strong> Antwort darauf unterscheidet sich nicht von der bei den Scholastikern<br />
üblichen und Aristoteles zugeschriebenen Aussage: „Angemessenes Verhältnis zwischen Verstand<br />
und verstandenem Gegenstand“. 283 Der hierbei von Bonaventura gegenüber Aristoteles hergestellte<br />
Unterschied liegt darin, daß diese Angemessenheit sich nicht auf den geschaffenen, endlichen<br />
Verstand bezieht, sondern auf den Verstand <strong>als</strong> Ursache der Dinge, auf den transzendenten<br />
Verstand, auf Gottes Logos, in welchem die exemplarischen Ideen mit ihrem Wesen <strong>als</strong> Urgründe<br />
der Wirklichkeit insgesamt angesiedelt sind. Eine Sache muß demnach insoweit wahr sein, wie ihre<br />
Adäquatheit gegenüber dem sie verursachenden Verstand reicht, d.h. je<strong>des</strong> Seiende wird in seinem<br />
konkreten Sein umso authentischer werden, je größer seine Ähnlichkeit mit der göttlichen<br />
exemplarischen Idee ist. 284<br />
Bonaventura argumentiert hier so, daß er den Inhalt von Aristoteles' semantischer<br />
Definition in eine Definition verschiebt, deren Aussage ohne Abänderung der darin enthaltenen<br />
Begriffe in einem völlig <strong>onto</strong>logischen Sinn verstanden werden muß. <strong>Die</strong> Seienden hätten nämlich<br />
eine dreifache Existenz: im ewigen „Exemplar“, im Verstand <strong>des</strong> Menschen, der über die rationale<br />
Fähigkeit verfügt, die Dinge zu erkennen, und schließlich in ihrer konkreten Wirklichkeit, d.h.<br />
gemäß ihrer eigenen Entität. Zunächst fällt auf, daß es eine größere Wahrheit in der Sache gemäß<br />
ihrem konkreten Sein gibt <strong>als</strong> gemäß ihrem Sein in der Vorstellung bzw. Ähnlichkeit <strong>des</strong> Denkens<br />
(im Begriff); doch stellt Bonaventura die Frage anders: Er fragt sich nämlich, ob es möglich sei, daß<br />
die Wahrheit im Seienden <strong>als</strong> konkretem Wesen größer ist <strong>als</strong> die Wahrheit in ihm, wenn man es in<br />
Hinsicht auf seine ungeschaffene Ähnlichkeit betrachtet, d.h. in Hinsicht auf die Idee (die Form) -<br />
wie sie in Gott präsent und daher ewig und absolut wie Gott selbst ist-, nach der das Seiende vorab<br />
seine <strong>onto</strong>logische Wirklichkeit <strong>als</strong> konkret Existieren<strong>des</strong> zugeteilt erhalten hat. 285<br />
283 In Hexaem., III, 8 (V, 344 b): “Quid est veritas secundum definitionem? “Adaequatio intellectus et rei<br />
intellectae”.<br />
284 ibid.,: “... illus intellectus, dico, qui est causa rei, non intellectus mei, qui non est causa rei [...] enim res<br />
sunt verae, quando sunt in re vel in universo, sicut sunt in arte aeterna, vel sicut ibi exprimuntur. Res autem<br />
vera est, secundum quod adaequatur intellectui causanti”.<br />
285 I Sent., d. 36, a. 2, q. 2 concl. (I, 625 b): “...triplex est existenctia rerum; scilicet in exemplari aeterno, et in<br />
intellectu creato, et in ipso mundo. In exemplari aeterno et in intellectu creato sunt res secundum<br />
similitudinem; in ipso mundo secundum entitatem propriam. Quando ergo quaeritur, in quo sint verius, hoc<br />
dupliciter potest quaeri: aut ita quod fiat comparatio eiusdem rei ad se secundum diversum modum existendi,<br />
ut sit sensus: ubi lapis verius habet esse, vel cum est in cognoscente vel producente, vel cum est in se; et hoc<br />
modo concedendum est, quod verius est unaquaeque res in proprio genere quam in Deo, sicut probant rationes<br />
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