1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
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herausragendste Vorlage bzw. Archetyp, worin sich der Geist <strong>des</strong> Schöpfers in Gestalt <strong>des</strong><br />
Sichtbaren zeigen kann. <strong>Die</strong> sichtbare Welt mit allen ihren Dingen und den unter ihnen bestehenden<br />
Verhältnissen erscheint für uns im Horizont der Zeitlichkeit und <strong>des</strong> Raumes. Doch Zeit und Raum<br />
finden sich wiederum im Horizont <strong>des</strong> Zählbaren begründet; und beide werden von einer so<br />
gearteten Struktur überstiegen, daß je<strong>des</strong> Teilstück in dem einen wie dem anderen <strong>als</strong> eine Einheit<br />
bestimmt sowie mit anderen ähnlichen Einheiten in Beziehung gesetzt werden kann.<br />
Je<strong>des</strong> Geschöpf wird im Sein durch eine bewirkende Ursache konstituiert, richtet sich nach<br />
einer exemplarischen Ursache und ist auf einen Zweck hingeordnet; allein in dieser Weise kann es<br />
eines, wahr und gut sein. Aus der exemplarischen Kausalität bezieht das Geschöpf Wahrheit,<br />
Schönheit und Zahl bzw. die für es selbst geltende Unterscheidung gegenüber allen übrigen<br />
Geschöpfen. 314 <strong>Die</strong> Zahl ist in allen Dingen Proportion und Schönheit, zumal Schönheit und<br />
Gefallen oder Vergnügen, die daraus entstehen, nicht ohne vorherige Präsenz der Proportion dasein<br />
könnten und die Proportion vor allem in der Zahl steckt. Daher komme es, daß die Zahl in den<br />
Dingen die hauptsächliche Spur ist, die auf die Weisheit <strong>des</strong> Schöpfers deutet, der sich in der<br />
Gesamtheit der sinnlich wahrnehmbaren Körper stets dann äußert, wenn wir an diesen Harmonie<br />
und Proportionalität erkennen, d.h. deren eigentümliche Form, welche sie voneinander<br />
unterscheidet. 315<br />
314 Brev., p. 2, c. 1, n. 4 (V, 219 b): “Omnis enim creatura constituitur in esse ab efficiente, conformatur ad<br />
exemplar et ordinatur ad finem; ac per hoc est una, vera, bona; modificata, speciosa, ordinata; mensurata,<br />
discreta et ponderata: est enim pondus inclinatio ordenativa. Et haec quidem generaliter dicta sunt de omni<br />
creatura, sive corporea, sive incorporea, sive ex utrisque composita, sicut est natura humana”. Vgl. ebenso<br />
Agustinus, Ennarrat. in Ps. 29, enarrat. 2, n. 10: “Pondus enim est impetus quidam cuiusque rei velut conantis<br />
ad locum suum”.<br />
315 Itin., 2, 10 (V, 302 b): “Cum igitur omnia sint pulcra et quodam modo delectabilia; et pulcritudo et<br />
delectatio non sint absque proportione; et proportio primo sit in numeris: neccese est omnia esse numerosa; ac<br />
per hos “numerus est praecipuum in animo Conditoris exemplar” et in rebus praecipuum vestigium ducit in<br />
Sapientiam. Quod cum sit omnibus evidentissimum et Deo propinquissimum, propinquissime quasi per septem<br />
differentias ducit in Deum et facit, eum cognosci in cunctis corporalibus et sensibilibus, dum numerosa<br />
apprehendimus, in numerosis proportionibus delectamur et per numerosam proportionum leges irrefragabiliter<br />
iudicamus”. <strong>Die</strong> hier von Bonaventura erwähnten „sieben Unterschiede“ entstammen, wie auch das Zitat im Text,<br />
der augustinischen Zahlentheorie (De vera religione sowie De musica). Dort spricht Augustin von sieben<br />
Unterschieden in den Zahlen, die stufenweise von den sinnlichen Dingen bis zu Gott hinaufreichen. Es sind dies:<br />
Klingende (da sie in den Körpern stecken, und vor allem in Lauten und Stimmen); vorkommende (von den ersteren<br />
abstrahierte und mit den Sinnen aufgenommene); progressive (die aus der Seele in den Körper übergehen, wie in<br />
Gestik und Tanz erkennbar); sinnliche (in der Sinnenfreude befindliche, durch Umwandlung der Intention in die<br />
sinnlich wahrnehmbare Spezies); erinnerliche (im Gedächtnis behaltene); und urteilende Zahlen (mit denen über alle<br />
vorherigen geurteilt wird). Letztere stehen <strong>als</strong> unfehlbar und unwiderruflich über der Seele. Gleichfalls sind sie es, die<br />
der Seele die künstlichen Zahlen einprägen. An verschiedenen Stellen kommt Bonaventura auf diese augustinische<br />
Zahlentheorie zurück und übernimmt sie unter Hervorhebung ihres hohen Symbolwertes. So z. B. in III Sent., d. 25,<br />
a. 1, q. 1, concl. (III, 535 b), IV Sent., d. 1, p. 2, a. 1, q. 3, concl. (V, 35 b), ibid., d. 40, a. 1, q. 3, dub. 1 (IV,<br />
853 a); ibid., d. 47, a. 1, q. 1, concl. (IV, 972 b).<br />
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