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1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...

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z.B. falls jemand feststellt, es gebe keine gleichmäßige Verteilung der Gerechtigkeit in der Welt,<br />

weil man annimmt, es bestehe kein Weltregiment und daher auch kein erster und souveräner<br />

Lenker der Welt. Schließlich kann der Verstand beim Akt der resolutio in Irrtum verfallen, wenn er<br />

sich allein an das Sinnfällige hält und sich nicht „bis zur körperlosen Substanz und den ersten<br />

Grundlagen der Wirklichkeit“ aufschwingt und bis dorthin vordringt. 122<br />

Obwohl Bonaventura die Möglichkeiten <strong>des</strong> Irrtums auf seiten <strong>des</strong> erkennenden Subjekts<br />

einräumt, behauptet er die Existenz der Gotteserkenntnis sowohl <strong>als</strong> philosophische wie <strong>als</strong><br />

<strong>theologische</strong> Wahrheit. Aber sobald er dies tut, steht er vor der Frage, das bereits Augustin<br />

erkannte 123 und das später auch Descartes formulierte: 124 Wie ist es möglich, daß unser von Natur<br />

aus kontingenter und beschränkter Verstand zur Erkenntnis <strong>des</strong> Unendlichen gelangt?<br />

Bonaventura beantwortet diese Frage mit einer zweifachen Argumentation. Zunächst gelte es,<br />

zwischen dem zu unterscheiden, was eine Distanz in Bezug auf wirkliche Größen darstellt, und<br />

dem, was eine Distanz im Bereich der Erkenntnis bedeutet. Denn in der Ordnung der Erkenntnis<br />

besteht zwischen Gott und der menschlichen Intelligenz ein geringerer Unterschied <strong>als</strong> zwischen<br />

sinnliches und der geistiger Erfassung der Dinge. Das heißt, der Verstand bleibt frei von der<br />

Begrenztheit der Sinne (ihrer potentia determinata), und <strong>des</strong>wegen bildet er eine in gewissem Sinn<br />

unbegrenzte Potenz, was die Distanz zur eigentlichen Unendlichkeit seines Gegenstands verringern<br />

würde. 125 Zweitens sei zwischen dem Vorhandensein eines Unendlichen secundum quid, das aus<br />

einzelnen Teilen besteht, und einem eigentlich Unendlichen zu unterscheiden, daß die unbedingte<br />

Einfachheit voraussetzt. Unser Verstand könne ein Unendliches der ersten Art nicht begreifen;<br />

Gottes Unendlichkeit aber ist, wie oben gesehen, unbedingt und von vollkommener Einfachheit;<br />

gerade wegen dieser Einfachheit, so wird gesagt, sei er überall gegenwärtig. Und unser Erkennen<br />

dieser zweiten Art <strong>des</strong> Unendlichen wird möglich, weil der Verstand, wenn er es an einem Punkt<br />

122 ibid., q. 1, a, 1, concl.: “ Quantum ad actum apprehendi incidit dubitatio, quando non recte et plene<br />

accipitur significatum huius nominis Deus, sed solum secundum aliquam sui conditionem [...] Quantum ad<br />

actum conferendi dubitatio incidit, quando ex parte fit collatio, utpote cum insipiens videt, non manifestam<br />

fieri iustitiam de impio; inferet ex hoc, quod non est regimen in universo, ac per hoc, quod in ipso non sit<br />

rector primus et summus, qui est Deus excelsus et gloriosus. Similiter quantum ad defectum in actu resolvendi<br />

incidit dubitatio, quando intellectus carnalis nescit resolvere nisi usque ad ea quae patent sensibus, sicut sunt<br />

ista corporalia; ex qua ratione putaverunt aliqui, solem istum visibilem, qui obtinet principatum inter creaturas<br />

corporales, esse Deum, quia nescierunt resolvere usque ad sustantiam incorpoream nec usque ad rerum prima<br />

principia”.<br />

123 De videndo Deo, IX, 21.<br />

124 Lettre au P. Mersenne du 27 mai 1630, (Hrsg. Adam-Tannery) Bd. I, S. 152.<br />

125 I Sent., d. 3, p. I a. unic., q. 1 ad 2 (I, 69 a): “... distantia secundum rationem entis, et secundum rationem<br />

cognoscibilis. Primo modo est maior distantia; secundo modo non, quia utrumque est intelligibile, scilicet Deus<br />

et anima. Non sic est de intellectu et sensu; quia sensus est potentia determinata, sed intellectus non.”<br />

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