1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
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Wenn diese ewigen Gesetze oder Regeln nun reflektierend von der Seele betrachtet<br />
würden, so erschienen sie <strong>als</strong> unwandelbar und unfehlbar und bildeten die Vorgaben, nach denen<br />
der Verstand die Dinge im moralischen Bereich beurteilt und dabei findet, daß sie sich diesen<br />
unwandelbaren Prinzipien nicht entziehen können: Also etwa, daß das höchste Prinzip auch<br />
zuhöchst geachtet werden müsse; daß das absolut Gute anzustreben sei, und zwar über jeglichem<br />
anderen Guten; und daß wir uns der Wahrheit voll zuwenden sollen. Entscheidend ist bei<br />
Bonaventura das Argument, nach dem niemand diese Gesetze beurteile, sondern im Gegenteil alle<br />
Dinge durch sie beurteilt würden. 402<br />
Deshalb auch liege der absolute Ursprung der moralischen Gesetzlichkeit in der<br />
trinitarischen Dynamik selbst, und ganz konkret in den personalen Attributen. Denn so wie unserem<br />
Verstand, nach dem oben Gesehenen, <strong>als</strong> erste Idee der einfache Begriff <strong>des</strong> <strong>Seins</strong> einfällt, und so<br />
wie es andererseits offenbar zwei Formen <strong>des</strong> <strong>Seins</strong> gibt, nämlich das unverursachte und das<br />
verursachte, genauso erkennt der Verstand auch, daß es zwei Formen der Gerechtigkeit gibt: <strong>Die</strong><br />
eine davon regelt unser Verhältnis zum ungeschaffenen Sein, Gott, während die andere die<br />
Richtlinien im Verhältnis zu unserem Nächsten festlegt. 403 Doch das unverursachte Sein ist der<br />
Ursprung aller verursachten Seienden, im dreifachen Sinn von bewirkender, exemplarischer und<br />
finaler Ursache, weswegen es Allmacht, Weisheit und Gutes (Heiligkeit) <strong>als</strong> Vollkommenheiten<br />
besitzt, die Bonaventura den <strong>Transzendentalien</strong> Einheit, Wahrheit und Güte zuordnet. Denn <strong>als</strong><br />
Vater ist Gott barmherzig, <strong>als</strong> Sohn wahrhaftig und <strong>als</strong> reiner Geist heilig. Daher auch seien die<br />
ersten drei Gesetze auf den Tafeln nur ein äußerer Ausdruck <strong>des</strong> inneren Gesetzes, das aus der<br />
nobis data, et secundum illam lucem documenta legis divinae suscepimus”; II Sent., d. 18, a. 2, q. 1, conc. (II,<br />
447 a): “... sicunt sunt virtutes, quae intelliguntur per suam essentiam, non per speciem imaginariam”.<br />
402 In Hexaem., II, 9-10 (V, 338 a): “Haec igitur (sapientia) apparet inmutabilis in regulis divinarum legum,<br />
quae nos ligant. Regulae istae mentibus rationalibus insplendentes sunt omnes illi modi, per quos mens<br />
cognoscit et iudicat id quod aliter esse non potest, utpote quod summum pricnipium summe venerandum; quod<br />
summo vero summe credendum et assentiendum; quod summum bonum summe <strong>des</strong>iderandum et diligendum.<br />
Et haec sunt in prima tabula; et in his apparet sapientia, quod ita certa sunt, quod aliter esse non possunt. Hae<br />
regulae sunt infallibiles, indubitabiles, iniudicabilis, quia per illas est iudicium, et non de illis”. Eine<br />
eingehendere Analyse der Kardinal- und der moralischen Tugenden im allgemeinen bieten die Collationes V und VI<br />
von In Hexaemeron, wie auch J.-M. Bissen, L’exemplarisme divin..., op.cit., S. 276-281. Wir haben uns dafür<br />
entschieden, deren Behandlung hier beiseite zu lassen, zumal unsere Hauptthematik nicht ethisch, sondern<br />
metaphysisch ausgerichtet ist. Deswegen halten wir es für angebracht, allein die Koordinaten der allgemeinen<br />
Prinzipien <strong>des</strong> <strong>Seins</strong> und <strong>des</strong> Erkennens herauszuarbeiten, letzteres allerdings in seinem theoretischen wie<br />
praktischen Sinn.<br />
403 In Hexaem., II, 3 (V, 432 b): “Certum est, quod ens ex se primo cadit in animam. Duplex autem est ens,<br />
sciicet creatum et increatum, et secundum hoc duplex est iustitia: una, per quam ordinamur ad ens increatum,<br />
alia, per quam ordinamur ad ens creatum”.<br />
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