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1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...

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einem begrifflichen Geflecht, das kein Instrument der Erklärung ausläßt, <strong>des</strong>sen Nutzen seinen<br />

Zwecken <strong>als</strong> Denker und Gläubigem zugute kommt, und daher auch erscheinen gegen Ende <strong>des</strong><br />

Itinerarium Erwägungen, die eine via mystica einschließen und damit sogar die Theologie selbst<br />

überschreiten.<br />

Bei der Betrachtung der sensiblen Welt könnten wir in der Tat Gottes Schatten in den<br />

Dingen auffinden, insofern nämlich alle Eigenschaften an den Dingen eine Ursache erfordern;<br />

gleichfalls könnten wir in ihnen Gottes Spuren entdecken, wenn wir Einheit, Wahrheit und Güte in<br />

den Dingen suchen, was uns ihre bewirkende, formale und finale Ursache anzeigt. Bei dieser<br />

Betrachtungsweise suchen wir, so Bonaventura, den Abglanz Gottes in den Dingen. Wenden wir<br />

aber den Blick von außen auf unsere Seele, so finden wir in ihr nicht mehr nur Spuren Gottes,<br />

sondern sein Ebenbild; wir haben ihn <strong>als</strong> Ursache erblickt, und jetzt erblicken wir ihn <strong>als</strong><br />

Gegenstand; wir haben ihn <strong>als</strong> Zeichen gesehen, jetzt sehen wir ihn <strong>als</strong> Bedeutung. 414 <strong>Die</strong> rationale<br />

Seele kann <strong>als</strong>o, wie je<strong>des</strong> existierende Ding auch, ein einzelnes Seien<strong>des</strong> gegenüber allen übrigen<br />

und anders <strong>als</strong> diese sein, jedoch durch ihre Fähigkeiten erhält sie eine universelle Ausdehnung.<br />

Denn die anima ist das Seiende, das mit allem Seienden übereinstimmen kann. Der Mensch ist, so<br />

könnte man sagen, mit transzendentaler Offenheit begabt. 415<br />

Über die Selbsterkenntnis der Seele eröffne sich ein zweiter Bereich der Metaphysik, zumal<br />

die Seele in ihrem höchsten Aspekt ein Abbild der ersten Prinzipien sei. Und das erste, was dabei<br />

bemerkt wird, nicht mit dem sehenden Auge, sondern mit dem <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>, sei, daß die Seele<br />

drei natürliche Kräfte besitzt: Gedächtnis, Intelligenz und Wahlfreiheit. 416<br />

Bonaventura stellt in diesen natürlichen Fähigkeiten auch die drei Formen dar, in denen die<br />

Philosophie auftreten kann, und zwar <strong>als</strong> Natur-, Erkenntnis- und Moralphilosophie. Weiterhin<br />

zeigt er uns die Korrelation zwischen dem Licht der Wissenschaften (den lumina scientiarum) und<br />

den eigentlich <strong>theologische</strong>n Kategorien, zu denen die Seele Zugang erhält, sobald sie durch dieses<br />

414 Vgl. E. Gilson, La filosofía en la Edad Media, op.cit., S. 435 ff. Itin., II, 11 (V, 302 b): “...umbrae,<br />

resonantiae et picturae, sunt vestigia, simulacra et spectacula nobis ad conturndum Deum proposita et signa<br />

divinitus data; quae, inquam, sunt exemplaria vel potius exemplata, proposita mentibus adhuc rudibus et<br />

sensibilibus, ut per sensibilia, quae vident transferantur ad intelligibilia, quae non vident, tanquam per signa<br />

ad signata”.<br />

415 Vgl. J.A. Aertsen, Medieval Philosophy, op.cit., S. 105.<br />

416 Itin., III, 1 (V, 303 b): “Intra igitur ad te et vide, quoniam mens tua amat ferventissime semetipsam; nec se<br />

posset amare, nisi nosset; nec se nosset, nisi sui memisisset, quia nihil capimus per intelligentiam, quod non sit<br />

praesens apud nostram memoriam; et ex hoc advertis, animam tuam triplicem habet potentiam, non oculo<br />

carnis, sed oculo rationis. Considera igitur harum trium potentiarum operationes et habitudines, et videre<br />

poteris Deum per te tanquam per imaginem, quod est videre per speculum in aenigmate”. Vgl. Brevil., II, 12,<br />

3-5, und Augustinus, De Trin., IX und X.<br />

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