1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
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dreieinigen Dynamik entstanden und gleich einem „dreifachen Lichtstrahl“ in den höheren Teil der<br />
Seele eingeprägt ist, d.h. in das rationale Vermögen. 404<br />
<strong>Die</strong>se Gesetze entstammen demnach der höchsten Ratio, deren Ursprung gerade im<br />
Inneren der bewirkenden Gottheit liege; sie sind Reflex und Nachbildung der Barmherzigkeit, der<br />
Wahrheit und der Heiligkeit Gottes selbst. 405 Deswegen erhält die Lehre vom Exemplarismus in<br />
Bonaventuras Denken eine so hohe Bedeutung, weil im transzendenten Logos nicht allein die<br />
Wirklichkeit <strong>des</strong> kontingenten Seienden, sondern auch die Regeln der Moral zusammenfließen.<br />
Denn Gott habe die intellektuelle wie moralische und stoffliche Welt secundum se geschaffen.<br />
Echtes Fortschreiten auf das moralisch Gute hin ergibt sich daher aus unserem Maß an<br />
Gleichförmigkeit gegenüber Gott, in dem sich die exemplarischen Ideen aller Tugenden befinden. 406<br />
Wenn diese erleuchtende Wirkung von seiten Gottes erst einmal in Betracht gezogen wird,<br />
könnten wir auch erkennen, worin sein gestalten<strong>des</strong> Handeln bestehe. Das sich hierbei ergebende<br />
Problem liegt darin, ob der aus der göttlichen Erleuchtung stammende Einfluß im Bereich <strong>des</strong><br />
moralischen Handelns nur eine Erkenntnis der Tugend betreffe oder ob es in der Seele es einen<br />
moralischen Habitus gebe, der aus der Tugend selbst in ihrem Keimzustand bestehen würde und in<br />
bezug auf den, wenn er einmal entwickelt und ausgeführt wäre, die moralische Vollkommenheit<br />
erreicht werden müßte.<br />
<strong>Die</strong>se Fragestellung, wie die Antwort darauf, hat zur Folge, den besagten göttlichen Einfluß<br />
entweder allein in seinem illuminativen Aspekt zu betrachten (bzw. auch nicht), der uns eine<br />
praktische Wahrheit zeigt (so wie wir bereits sagten, daß er uns eine spekulative Wahrheit in der<br />
Gewißheit unserer theoretischen Erkenntnisse zeigen würde), oder zu erwägen, ob hier ein<br />
positiver Einfluß von seiten <strong>des</strong> transzendenten Guten vorliegt, so daß er eigentlich <strong>als</strong> ordo vivendi<br />
gelten dürfte. Neigt man der ersten Möglichkeit zu, dann wäre diese moralische Erleuchtung<br />
nunmehr eine Variante der Verstan<strong>des</strong>erleuchtung, die uns die Wahrheit nicht mehr in ihrer<br />
spekulativen, sondern ihrer praktischen Seite vorführte. Wenn diese Erleuchtung jedoch eine<br />
positive Veranlagung in die Seele einbringt, dann wird daraus folgen, daß Entstehung und<br />
404 ibid, XXI, 8 (V, 432 b): “Descendit de caelis triplex radius in mentem secundum tria mandata primae<br />
tabulae”.<br />
405 ibid, 10 (V, 433 a): “Deus ergo dat leges non voluntate, sed maxime ratione”.<br />
406 Brev., V, 6 (V, 258 b): “Perfectus processus in bono attenditur secundum divinam imitationem”; In<br />
Hexaem., VII, 5, (V, 366 a): “Dicit Augustinus in libro de Civitate Dei, quod vera virtus non est, quae non<br />
dirigit intentionem ad Deum fontem, ut ibi quiescat aeternitate certa et pace perfecta”. Vgl. J.-M. Bissen,<br />
L’exemplarisme divin ..., op.cit., S. 285; Hl. Augustinus, De Civ. Dei, XIV, 25 (PL, XLI, 656).<br />
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