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1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...

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1. 2. <strong>Die</strong> Einheit in der Substantialität der Seele<br />

<strong>Die</strong> Theorie, die in jedem Geschöpf eine Zusammenfügung von Stoff und Form annimmt,<br />

ist nun auch für die in bezug auf den Körper individuell betrachtete menschliche Seele brauchbar.<br />

Einerseits nämlich mache die Seele die Form <strong>des</strong> Körpers (forma corporis) aus; andererseits finde<br />

sich die Seele selbst durch die Fügung von Stoff und Form konstituiert. Das ergibt sich daraus, daß<br />

die Intelligenz <strong>des</strong> Menschen ein für seine rationale Seele eigentümliches Attribut bedingt. Denn das<br />

Intelligentsein, das von sich aus impliziert, mit Willen und Liebesfähigkeit begabt zu sein, setze eine<br />

gewisse Unabhängigkeit vom Körper voraus. Insofern müsse die menschliche Seele, <strong>als</strong>o das,<br />

wodurch der Mensch erst intelligent ist, auch fähig sein, für sich zu existieren, d.h. sie müsse eine<br />

Substanz (hoc aliquid) sein, und dazu werde es notwendig, daß sie aus Stoff und Form besteht.<br />

Bonaventura erörtert hier einige Thesen zu diesem Thema, wie sie dam<strong>als</strong> unter den Gelehrten im<br />

Umlauf waren. Albertus Magnus und Jean de la Rochelle nämlich behaupteten, die Seele sei reine<br />

Form, ohne irgendeine stoffliche Beimengung; doch um sie vom reinen Akt, der Gott ist, zu<br />

unterscheiden, brachten sie gegen andere vor, daß es in der Seele eine gewisse Beigabe eines quo<br />

est -etwa die Menschlichkeit <strong>als</strong> Wesen- und eines quod est gebe -den Menschen <strong>als</strong> konkretes<br />

Sein. 352 <strong>Die</strong>se Beigabe aber scheint nicht hinreichend, um den Charakter der menschlichen Seele <strong>als</strong><br />

unabhängige Substanz zu erklären, die für sich, vom Körper abgelöst und mit einer eigenen<br />

Fähigkeit zum Handeln und Fühlen existieren kann. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, in der<br />

Seele selbst eine Grundlage für ihre Existenz zu postulieren, ein stoffliches Prinzip, aus dem sie ihre<br />

Existenz (existere) erhält, sowie ein formales Prinzip, durch das sie ein bestimmtes Wesen (esse)<br />

besitzt. 353 Demnach sind Leib und Seele, wie in Augustins Auffassung, zwei komplementäre<br />

Substanzen mit dem Bestreben, sich miteinander zu vereinen. Wegen ihres Substanz-<strong>Seins</strong> gehe die<br />

menschliche Seele nicht aus der Veränderung der Materie hervor, durch Erzeugung, wie das bei<br />

den übrigen Formen geschehe, noch stamme sie, wie im Feuer eine Flamme aus einer anderen<br />

352 Zu Albertus Magnus siehe den Kommentar von D. Roland Gosselin zur Ausgabe von Thomas' De ente et<br />

essentia, Paris (1948) S. 172 ff.; zu Jean de la Rochelle siehe Domenichellis Summa de anima, Prato (1882)<br />

Kap. XII und XIII.<br />

353 II Sent., d. 17, art. 1, q. 2, concl. (II, 414 b): “ Et ideo est tertius modus dicendi, tenens medium inter<br />

utrumque, scilicet quod anima rationalis, cum it hoc aliquid et per se nata subsistere et agere et pati, movere et<br />

moveri, quod habet intra se fundamentum sua existentiae et principium materiale, a quo habet existere, et<br />

formale, a quo habet esse”. Wir übersetzen esse hier mit ‚Wesen’, zumal die Bedeutung der Ausdrücke ens und esse<br />

in Bonaventuras Texten nicht immer leicht zu unterscheiden ist. Vgl. dazu etwa II Sent., d. 3, p. 1, a. 1, q. 1, wo<br />

ens das konkret Existierende bezeichnet, z. B. den Menschen, esse dagegen das, was den Menschen sein macht. Dazu<br />

s. man den Kommentar von S. Vanni Rovighi, San Bonaventura, Milano (1974) S. 66, Anm. 79 und S. 70, Anm.<br />

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