1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Zeichen würden es der Seele gestatten, bis zum unsichtbaren Urbild aufzusteigen, um so das<br />
Intelligible und Ewige zu erkennen, das sinnlicher Wahrnehmung entzogen ist. 459<br />
Wir wollen uns nun ansehen, in welcher Weise die Spezies und die Bilder von den Dingen<br />
durch die Sinneswahrnehmung in uns hineingelangen.<br />
4. 1. Der Wahrnehmungsvorgang<br />
Im Anschluß an die physikalischen Studien, welche die Oxforder Franziskaner dam<strong>als</strong><br />
durchgeführt hatten, kann Bonaventura sagen, das Wesen <strong>des</strong> Lichtes berge die Fähigkeit, sich<br />
darin zu zeigen, daß es sich notwendig vervielfacht, sobald es auf einen Stoff trifft, in dem es sich<br />
auszubreiten vermag. Das Licht enthalte nämlich die Substanzform je<strong>des</strong> sinnlich wahrnehmbaren<br />
Körpers, zumal er durch dieses seine Vollkommenheit und Wirkung bekommt. Hier erleben wir die<br />
Einführung <strong>onto</strong>logischer Grundsätze, die für Bonaventura eigentümlich sind und mit denen er sich<br />
sowohl von Aristoteles wie von Augustin entfernt, wenn er die Seele <strong>als</strong> Einheit mit verschiedenen<br />
Funktionen (und nicht allein <strong>als</strong> forma corporis) auffaßt, und diese Aspekte <strong>als</strong> eine von ihr selbst<br />
nicht unterschiedene Einheit, d.h. nicht so, <strong>als</strong> wären sie -wie in aristotelisch-thomistischer Sichteinfach<br />
Akzidentien einer Substanz. 460<br />
<strong>Die</strong>se allgemeine Lichtform nun würde bei Vorhandensein eines geeigneten Organs ein Bild<br />
von sich darauf werfen und so die Erkenntnisfähigkeit erregen. Durch seine natürliche Fruchtbarkeit<br />
könne je<strong>des</strong> sinnlich wahrnehmbare Objekt ein eigenes Abbild im wahrnehmenden Subjekt<br />
erzeugen; dieses Bild werde in einem Verhältnis zu Menge und Reinheit <strong>des</strong> Lichtes stehen, die<br />
seine Entität je danach enthält, ob sie in höherem oder minderem Maße am göttlichen Licht<br />
media, tertia meliora. Videt iterum, quaedam esse tantum corporalia, quaedam partim corporalia, partim<br />
spiritualiam; ex quo advertit, aliqua esse mere spiritualia tanquam utriusque meliora et digniora”.<br />
459 Itin., I, 14 (V, 299 a): “Haec autem consideratio dilatatur secundum septiformem conditionem creaturarum,<br />
quae est divinae potentiae et bonitatis testimonium septiforme, si consideretur cunctarum rerum origo,<br />
magnitudo, multitudo, pulchritudo, plenitudo, operatio et ordo”.<br />
460 Nach Aristoteles hat ein körperlicher Sinn das Vermögen, die Form der sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände<br />
aufzunehmen, ohne den Stoff, der ihnen Konsistenz verleiht. Je<strong>des</strong> Organ der einzelnen Sinne ist zwar etwas<br />
Ausgedehntes, doch der Sinn an sich ist dies nicht, sondern besteht in einer Art Befähigung, durch die das<br />
Sinnesorgan die in ihren Formen wahrnehmbare Wirklichkeit erfaßt (siehe. De anima, II, 12). Vgl. E. Gilson, La<br />
philosophie de Saint Bonaventure, op.cit, S. 277-280.<br />
179