1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
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Materie und daher umso größer seine Wahrheit, sein Licht und sein Vermögen zu deren<br />
Ausbreitung. 386<br />
An dritter Stelle gestattet diese Teilhabe am Wesen der göttlichen Wahrheit, daß die<br />
Wahrheit im Sein der Kreatur an deren Fähigkeit gemessen wird, an sich selbst die in ihr liegende<br />
exemplarische Ursache zum Ausdruck zu bringen, und daß jene erste Wahrheit mithin von letzterer<br />
unabhängig sei. Wie wahrhaft die Kreatur auch immer sein mag, kann sie doch nie die<br />
Wesenswahrheit <strong>des</strong> von ihr nachgeahmten Vorbil<strong>des</strong> voll zum Ausdruck bringen. 387 <strong>Die</strong><br />
Erkenntnis der geschaffenen Wesen erlaubt uns, gerade wegen der in ihnen enthaltenen<br />
Teilwahrheit, auch nur eine ärmliche Wissenschaft. Doch da wir andererseits im Besitz bestimmter<br />
Wahrheiten sind, die wir für notwendig halten, drängen diese sich unserem Denken mit solcher<br />
Offensichtlichkeit auf, daß wir über deren Notwendigkeit keine Rechenschaft ablegen können, weil<br />
sowohl die Dinge <strong>als</strong> auch unser Verstand kontingent und nur zu teilhaftigen Wahrheiten befähigt<br />
sind.<br />
Bonaventuras Antwort darauf lautet, daß sich allein unter der Bedingung einer<br />
unmittelbaren göttlichen Einwirkung auf den erkennenden Verstand eine gültige Erkenntnis<br />
ergeben kann. Denn wenn die Erkenntnis irgendeines Gegenstands das Erkennen seines Wesens<br />
bedeutet, und dieses <strong>als</strong> Ergebnis eines Prozesses der Abstraktion in unserem Denken erscheint,<br />
dann erbringen weder der Ursprung dieses Wesens noch die Fähigkeit oder die Form die<br />
notwendigen Bedingungen für eine gesicherte Erkenntnis, d.h.: Weder das Wesen <strong>des</strong> Gegenstands<br />
ist vollkommen, da die Wahrheit seines <strong>Seins</strong> nur partiell und unvollkommen ist, noch vermag auch<br />
die Erkenntnisfähigkeit eines geschaffenen Seienden nicht mehr Licht zu erzeugen <strong>als</strong> eben das vom<br />
Irrtum umgebene teilhaftige Licht, und daher kann deren Urteil auch nicht unfehlbar sein. 388 Dem<br />
Terminus adaequatio der klassischen Proposition wird damit eine Verwirklichung auf der einen wie<br />
auf der anderen Seite, der <strong>des</strong> Gegenstands wie der <strong>des</strong> Subjekts, unmöglich. Wo die Dinge so<br />
386 II Sent., d. 13, a. 2, q. 2, conc. (II, 320 b): “…lux est forma substantialis corporum, secundum cuius<br />
maiorem et minorem participationem corpora habent verius et dignus esse in genere entium”. Vgl. Liber de<br />
causis, V, 57: “Causa prima superior est omni narratione. Et non dificiunt linguae a narratione eius nisi<br />
propter narrationem esse ipsius, quoniam ipsa est supra omnen causam et non narratur nisi per causas<br />
secundas quae illuminantur a lumine causae primae”.<br />
387 Daher Augustins Ausführung: “Ad si corpora in tantum fallunt, in quantum non implent illud unum quod<br />
convincuntur imitari...”. De vera Relig., XXXVI, 66.<br />
388 De scient. Christ., IV, concl. (V, 23 b): “Cognitio certitudinalis esse non potest, nisi sit ex parte scibilis<br />
immutabilitas, et infallibilitas ex parte scientis”. Vgl. Liber de causis, V, 58: “Quod est quoniam causa prima<br />
non cessat illuminare causatum suum et ipsa non illuminatur a lumine alio, quoniam ipsa est lumen purum<br />
supra quod non est lumen”.<br />
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