1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
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erfaßt, es damit auch vollständig erfaßt hat. 126 Jedoch bliebe der Vorbehalt zu machen, daß es sich<br />
hier nicht um ein Begreifen <strong>des</strong> Gegenstands handelt, wie wenn wir einen Gegenstand erfassen, der<br />
sich den Sinnen darbietet, sondern daß hier eher ein geistiges Berühren Gottes vorliegt, ein<br />
offensichtliches Erkennen, daß er einfach da ist, obgleich uns die Möglichkeit fehlt, den<br />
geheimnisvollen Grund seines Wesens zu erreichen.<br />
Wenn bei Bonaventura auch das Kausalprinzip und die Kontingenz der Einzelwesen <strong>als</strong><br />
gangbare Wege vorhanden sind, so bemüht er sich dennoch nicht, wie Thomas es tat, nach<br />
dialektischen Beweisen zu suchen, die uns zur Gotteserkenntnis führen können. 127 Für ihn ist diese<br />
evident, und es reicht schon ein Blick auf die Schöpfung in ihrer Gesamtheit oder nur auf irgendein<br />
Geschöpf, um in der Struktur ihres <strong>Seins</strong> das schöpferische und vorsehende Handeln der Gottheit<br />
zu sehen. 128<br />
<strong>Die</strong>se Evidenz entsteht zuerst aus der Gegenwart Gottes in der Seele. Während Thomas<br />
von Aquin darunter noch die angeborene Fähigkeit zur Gotteserkenntnis versteht, nicht die<br />
Erkenntnis an sich, brauchen wir uns dagegen nach Bonaventura nur selbst zu betrachten, und wir<br />
werden einen tiefen Wunsch nach Weisheit in uns spüren, der sein Ziel in der ewigen Weisheit hat;<br />
da jedoch nur gewünscht werden kann, was man kennt, besteht in uns auch schon irgendeine<br />
Kenntnis von dieser Weisheit, d.h. wir müssen um seine, Gottes Existenz wissen. 129 <strong>Die</strong> Seele ist<br />
sich selbst gegenwärtig und kennt sich aus unmittelbarem Erkennen. Da Gott in herausragender<br />
Weise in der Seele präsent ist, wird er von ihr auch mit angeborenem Wissen erkannt. 130<br />
126<br />
I Sent., d. 3, p. I, a. unic., q. 1 ad. 3 (I, 69 b): “Et ideo non sequitur, quodsi cognoscitur totus, quod<br />
comprehendatur, quia intellectus eius totalitem non includit, sicut nec creatura inmensitatem.”<br />
127<br />
Vgl. I Sent., d. 2, q. 3, in corp.<br />
128<br />
Vgl. In Hexaem., V, 30 (V, 359 a): “Fertur [intelligentia] similiter experiendo sic: productum respectu<br />
primi defectivum est; similiter compositum respectu simplicis; similiter permixtum respectu puri, et sic de<br />
aliis; ergo dicunt privationes. Sed privationes non cognoscuntur nisi per habitos suos. ‘Iudex enim est rectum<br />
sui et obliqui’. Et si ‘omnis cognitio fit ex praexistenti cognitione’: ergo necessario intelligentia experitur in se,<br />
quod habeat aliquod lumen, per quod cognoscat primum esse”. Zu den hier von Bonaventura benutzten zwei<br />
Zitaten vgl. Aristoteles, I De anima, text. 85, und I Posteriorum, I.<br />
129<br />
In Hexaem., V, 31 (V, 359 a-b): “Sic igitur, hic praesuppositis, intellectus intelligit et dicit, primum esse<br />
est, et nulli vere esse convenit nisi primo esse ab ipso omnia habent esse, quia nulli inest hoc praedicatum nisi<br />
primo esse. Similiter simplex esse est simpliciter perfectum esse: ergo est quo nihil intelligitur melius. Unde<br />
Deus non potest cogitari non esse, ut probat Anselmus”. Vgl. ebenso Itin. III 3 - V 3 ff. Der Bezug auf Anselm<br />
wird sichtbar in Proslogion II ff.<br />
130 De myst. trin., q. 1, a 1, fund. 10 (V, 46 a): “... inserta est animae rationali notitia sui, eo quod anima sibi<br />
praesens est et se ipsa cognoscibilis; sed Deus praesentissimus est ipsi animae et se ipso cognoscibilis: ergo<br />
inserta est ipsi animae notitia Dei sui [...] His igitur rationibus ostenditur, quod Deum esse sit menti humanae<br />
indubitabile; tanquam sibi naturaliter insertum, nullus enim dubitat nisi de eo, de quo non habet certam<br />
notitiam”. In Hexaem., V, 32 (V, 359 b): “Quando anima videt hoc familiarius, primo ratiotinando, secundo<br />
experiendo”.<br />
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