1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
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wissenschaftliche Denken beinhaltet, fügt sich somit in den Rahmen einer Metaphysik der<br />
Erkenntnis ein. 34<br />
Der Mensch <strong>des</strong> Mittelalters verspürt einen unwiderstehlichen Drang zur Wahrheitssuche,<br />
allerdings nicht in Gestalt der empirischen Forschung, die erst <strong>als</strong> unabdingbares Hilfsmittel der<br />
Neuzeit erscheint. Denn es geht ihm nicht um eine Annäherung an die Natur oder die Geschichte,<br />
um damit eine empirische Forschung und eine theoretische Reduktion zu schaffen, sondern um eine<br />
meditative Vertiefung in der gegebene Wahrheit, um dann von ihr aus eine vergeistigte<br />
Konstruktion vom Sein <strong>des</strong> Seienden zu erreichen, zuvorderst vom menschlichen Sein <strong>als</strong> dem, das<br />
sich <strong>des</strong> <strong>Seins</strong> <strong>des</strong> Seienden bewußt ist, das dieses denken kann (heute würden wir sagen: vom<br />
menschlichen Sein <strong>als</strong> Dasein). 35 In diesem letzteren Sinn ist Bonaventura ein zutiefst<br />
mittelalterlicher Mensch, wogegen Thomas schon fast modern wirkt.<br />
Bonaventura möchte den unabhängigen Wert <strong>des</strong> philosophischen Wissens zwar nicht<br />
leugnen, wohl aber die Relativität dieser Unabhängigkeit betonen. Mit der ausdrücklichen Absicht,<br />
die metaphysisch-<strong>theologische</strong> Erklärung der Ursprünge <strong>des</strong> geschaffenen <strong>Seins</strong> zu suchen, wird<br />
der allgemeine Gegenstand der Philosophie <strong>als</strong> das ewige Wort <strong>des</strong> Vaters, die Wahrheit,<br />
präsentiert, die in ihrem Ursprung je<strong>des</strong> geschaffene Sein vorausgestaltet und daher <strong>des</strong>sen<br />
ursprünglichste Grundlage darstellt. Der Philosoph arbeitet zwar auf seinem eigenen Feld und mit<br />
seiner eigenen Methodik, wobei er aber stets jene Wahrheit ahnt, die auf dem Feld <strong>des</strong> Glaubens<br />
vollkommen vorhanden ist. Deswegen kann für Bonaventura auch der Umstand, daß der Denkende<br />
im Blicke auf die durch den Glauben erreichte Wahrheit tätig ist, die Aufgabe der natürlichen Ratio<br />
keineswegs verringern, da nämlich gerade dieser Blicke die natürliche Vernunft am besten auf das<br />
Verstehen ihres eigenen Urgrun<strong>des</strong> hinführt und da das höchste und letzte Ziel, auf das die<br />
Erkenntnis gerichtet bleiben muß, Gott ist. Und dieses Ziel bleibt mit dem bloßen Einsatz einer<br />
diskursiven Anstrengung unerreichbar, gerade weil Gott selbst das erste Erkannte im Akt <strong>des</strong><br />
Erkennens ist. Worauf <strong>als</strong>o kann sich die Reflexion stützen, um von diesem gnoseologischen a<br />
priori Rechenschaft zu geben? Bonaventura greift dazu auf die augustinische Lehre von der<br />
34 ibid., 7 (V, 322 a): “Et sicut omnes illae (illuminationes) ab una luce habeant originem, sic omnis istae<br />
cognitiones ad cognitionem sacrae Scripturae ordinantur, in ea clauduntur et in illa perficiuntur, et mediante<br />
illa ad aeternam illuminationem ordinantur. Unde omnis nostra cognitio in cognitione sacrae Scripturae debet<br />
habere statum, et maxime quantum ad intellectum anagogiae, per quem illuminatio refertur in Deum, unde<br />
habuit ortum”. Vgl. P. Wilpert, Wissenschaft und Wahrheit in Mittelalter, in: L’homme et son <strong>des</strong>tin, Louvain<br />
(1960) S. 51-69. A. Speer, Triplex veritas, op.cit., S. 75.<br />
35 In Hexaem, II, 29-30 (V, 341a). Bonaventura betont stets, dass die Erkenntnis eine Stufenleiter sein soll, die in<br />
Form einer überlegenden und staunenden Anschauung (contemplari ratiocinando et admirando) von den Dingen zu<br />
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