1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
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Ausgangspunkt der absteigenden Metaphysik ist, d.h. der Deduktion der göttlichen Attribute und<br />
der Beziehungen Gottes zur Welt. 115<br />
Im Hinblick auf Bonaventura bestehen an dieser Stelle keine größeren Unterschiede zur<br />
Lehre <strong>des</strong> Thomas von Aquin. Daß es Gott gibt, bildet für den franziskanischen Lehrer den ersten<br />
Gegenstand der Spekulation, ebenso wie Gottes erster Name für ihn der <strong>des</strong> <strong>Seins</strong> ist. Sowohl für<br />
Thomas <strong>als</strong> auch für Bonaventura ist das Sein etwas durchaus Substantielles, das letztlich dem<br />
Wesen Gottes an sich gleichkommt. Damit gelangen wir zu der ersten Anforderung, nach der ein<br />
metaphysischer Grund <strong>als</strong> für das göttliche Wesen Konstitutiv gelten darf, nämlich, daß er nichts<br />
bloß Attributives ist. 116<br />
Was die zweite Anforderung angeht, die allumfassende Wirklichkeit <strong>des</strong> göttlichen <strong>Seins</strong>,<br />
so erfüllt auch diese sich in Bonaventuras Auffassung vom göttlichen Sein, wenn man sich an die<br />
zitierten Worte hält: Quod de Deo dicitur, reducitur ad esse. Der Begriff Sein beherrscht <strong>als</strong>o, wie<br />
zu sehen, die gesamte göttliche Wirklichkeit, nicht nur an sich selbst, d.h. in der Trinität, sondern<br />
außerdem in ihren Beziehungen zu den Geschöpfen. Nachdem er Gott in der Fülle <strong>des</strong> <strong>Seins</strong> erfaßt<br />
hat, sieht der Verstand dieses Sein sich mit Notwendigkeit im innertrinitarischen Leben mitteilen.<br />
Und darauf teilt sich dieses Sein gleichermaßen in den Geschöpfen mit, jedoch in ganz freier Gabe,<br />
in Gestalt von Spur, göttlichem Bild und göttlicher Ähnlichkeit in der Welt. Demnach wird<br />
Bonaventuras Bestreben offenkundig, den Urgrund <strong>des</strong> gesamten göttlichen Lebens im <strong>Seins</strong>begriff<br />
in <strong>des</strong>sen vollstem Sinne zu bestimmen. <strong>Die</strong> ganze Schöpfungswirklichkeit nimmt ihren Ausgang<br />
von diesem ersten Ursprungsbegriff, zumal das Sein nur in zwei Formen zu erscheinen vermag:<br />
entweder <strong>als</strong> Sein, das aus sich, an sich und für sich ist, oder <strong>als</strong> Sein, das aus anderem, an anderem<br />
und für anderes ist. Daher verbindet sich hier die göttliche Wirklichkeit <strong>als</strong> bewirkend, abbildend<br />
und terminierend einerseits und die Realität <strong>des</strong> Geschaffenen <strong>als</strong> kontingentes Sein in einem<br />
stetigen Verhältnis <strong>onto</strong>logischer Abhängigkeit zum Sein an sich andererseits. <strong>Die</strong>ses ist dann die<br />
metaphysisch-<strong>theologische</strong> Ordnung, durch die der Verstand etwas vom Geheimnis Gottes erfahren<br />
kann. 117<br />
115 Vgl. P. Feliciano de Ventosa, op. cit., S. 24.<br />
116 In Hexaem., X, 10 (V, 378 b): “Primum nomen Dei est esse quod est manifestissimum et perfectissimum,<br />
ideo primum; unde nihil manifestius, quia quidquid de Deo dicitur reducitur ad esse; hoc est proprie nomen<br />
Dei”; In Sent., d. 2, dub. 4 (I, 60 a): “Illud nomen ‘quid est’ et ‘Ego sum qui sum’ est nomen essentiae proprie:<br />
hoc enim est quaedam circumlocutio, significans entitatem in omnimoda perfectione et absolutione, et hoc est<br />
nomen proprium divinae substantiae”. In Hexaem., II, 25 (V, 340 b): “Et ideo esse dicitur nomen Dei, quia<br />
esse in Deo est id quod est Deus”.<br />
117 In Hexaem., I, 12: (V, 331 a): “Esse enim non est nisi dupliciter: vel esse quod est ex se et secundum se et<br />
propter se, vel esse, quod est ex alio et secundum aliud et propter aliud. Necesse etiam est, ut esse, quod est ex<br />
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