1 Die Transzendentalien des Seins als onto-theologische ...
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Denken erbracht wird. 398 Entscheidend wird nun sein, daß wir erkennen, worin diese Einwirkung<br />
<strong>des</strong> denkenden Verstan<strong>des</strong> liegt, zumal der freie Wille <strong>als</strong> solcher gerade im Zusammenfließen von<br />
Neigung und Denken definiert werden muß. Denn von Freiheit kann dort nicht die Rede sein, wo<br />
keine Verstan<strong>des</strong>fähigkeit vorhanden ist, die darüber befindet, ob etwas gerecht sei oder nicht, ganz<br />
abgesehen davon, daß allein das Denken den empfundenen Antrieb zu beherrschen erlaubt. 399 Vor<br />
einer Handlung sollte das Subjekt <strong>als</strong>o ein Urteil, eine Bewertung finden, die auf der Möglichkeit<br />
beruht, sich auf eine höchste Gerechtigkeit zu beziehen, aus der sich jede Regel ableiten lasse, mit<br />
der das Gerechte vom Ungerechten abgrenzbar wäre. Allein die denkende Vernunft aber könne die<br />
Idee der höchsten Gerechtigkeit erkennen. 400<br />
<strong>Die</strong> göttliche Einwirkung auf das Wollen müßte sich demnach auf zweierlei Weise<br />
bekunden: einerseits <strong>als</strong> erleuchtend, d.h., in der Weise, wie sie das Denken unmittelbar und das<br />
Wollen nur mittelbar erreicht. An zweiter Stelle steht die gestaltende Wirkung, die parallel zur<br />
ersteren in die Seele die Tugenden einführt, die sich danach durch ein Zusammenwirken von Gnade<br />
und Willen an sich entfalten sollen.<br />
Bei der ersten, erleuchtenden Einwirkung wäre hervorzuheben, daß die Seele selbst, in<br />
einer Art innerlicher Beobachtung, die göttlichen Gesetze gerade darum erkennt, weil die Tugenden<br />
sich durch die uns vom ewigen Licht gegebene Spur wie ein Naturgesetz in die Seele eingefügt<br />
finden. Nicht anders erkennen wir Gottes Gebote, weil es sich hier nicht um eine Erkenntnis<br />
handelt, die von Einbildung oder Abstraktion abhinge, sondern weil die Tugenden etwas sind, das<br />
an sich schon jenseits der Einbildung liegt, und von uns nur in ihrem eigenen Wesen erkannt werden<br />
können. 401<br />
398 II Sent., d. 24, p 1, a. 2, q. 3 (II, 566 b): “Eadem enim est potentia, qua appeto beatitudinem, et qua appeto<br />
virtutem, sive facere hoc bonum vel illud ad beatitudinem ordinatum; quae, ut appetit beatitudinem, dicitur<br />
naturalis, quia inmutabiliter appetitus eius ad beatitudinem inclinatur; ut vero appetit hoc vel illud bonum<br />
facere, deliberativa dicitur, et secundum indicium rationis potest ad contrarium inclinari”.<br />
399 Vgl. G. Wieland, Ethica - scientia practica. Der Anfänge der philosophische Ethik im 13. Jahrhundert,<br />
BGPhThMA N. F. 21, Münster (1981); G. Bozitkovîc, Sancti Bonaventurae doctrina de libero arbitrio,<br />
Balneis Marianis (1919); Rainer Jehl, Melancholie und Acedia, op.cit., S. 121-158; F. da Poppi, Essenza e<br />
potestà del libero arbitrio in S. Bonaventura, in: Laurentianum (1965) S. 135-157; 284-315.<br />
400 II Sent., d. 25, p. 1, a. unic., q. 1 (II, 593 b): “Nulla autem potentia movit, quid iustum et quid iniustum,<br />
nisi illa sola, quae est particeps rationis et nata est cognoscere summam iustitiam, a qua est regula omnis iuris.<br />
Haec autem solum est in ea substantia, quae est imaginem Dei; qualis est tantum potentia rationalis”; Arist., II<br />
de part. animal., X: “Quae autem una cum vita sensu etiam praedita sunt, haec speciem<br />
multiformioremnumerosioremque varietatem recipitur; atque inter ea aliis alia magis et eo amplius, quod non<br />
solum vivendi, sed etiam bene vivendi rationem natura eorum obtinuit, quale hominum genus est, quippe quod<br />
aut unum ex omnibus animalibus nobis cognitis divinitatis particeps sit, aut omnium maxime”. Vgl. ebenso S.<br />
Vanni Rovighi, San Bonaventura, op.cit., S. 81 ff.<br />
401 De decem praec., II, 2 (V, 511 a): “Si volumus pervenire ad intelligentiam mandatorum Dei, debemus<br />
ascendere in montem, id est in eminentiam mentis: quia secundum impressionem lucis aeternae lex naturae est<br />
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