Umwelt und Straßenverkehr
Umwelt und Straßenverkehr
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Beiträge zu einem diskursiven Zielfindungsprozess zu<br />
verstehen.<br />
Die vorgestellten umweltpolitischen Zielsetzungen sind<br />
natürlich nicht die einzigen Anforderungen an die<br />
zukünftige Entwicklung des <strong>Straßenverkehr</strong>s. Unbestreitbar<br />
sind eine Reihe genereller verkehrs- <strong>und</strong> sozialpolitischer<br />
Ziele zu verfolgen. Zu diesen Zielen gehört es unter<br />
anderem, die Funktionsfähigkeit des deutschen <strong>und</strong> europäischen<br />
Verkehrssystems unter den Bedingungen einer<br />
erweiterten EU zu gewährleisten sowie die legitimen Mobilitätsinteressen<br />
der Bürger zu wahren.<br />
Der Fokus der Diskussion von <strong>Umwelt</strong>zielen der Verkehrspolitik<br />
liegt auf übergeordneten <strong>und</strong> b<strong>und</strong>esweiten<br />
Zielsetzungen, die von besonderer Relevanz für eine<br />
mögliche Neuausrichtung der Verkehrspolitik sind. Mit<br />
dieser Schwerpunktsetzung soll allerdings die Bedeutung<br />
regionalisierter <strong>und</strong> für bestimmte Orte spezifizierter<br />
Zielvorgaben nicht infrage gestellt werden (hierzu<br />
s. SURBURG et al., 2002).<br />
153. Um die Lösung der in Kapitel 2 dargelegten Probleme<br />
zu ermöglichen, ist ein direkter Problembezug entscheidend.<br />
Insofern entsprechen die hier entwickelten<br />
Zieldimensionen den beschriebenen Problemdimensionen.<br />
Es kann zwar zur Erreichung bestimmter Zielsetzungen<br />
im Einzelfall erforderlich sein, Strategien zu entwickeln,<br />
die sich eher indirekt auf die eigentlichen<br />
Probleme beziehen. Derartige Strategien – wie etwa die<br />
Verkehrsverlagerung – sind aber immer nur als Mittel<br />
zum Zweck der Erreichung bestimmter <strong>Umwelt</strong>ziele anzusehen<br />
<strong>und</strong> sollten nicht als eigenständige Zielsetzungen<br />
verstanden werden. Anderenfalls bestünde die Gefahr,<br />
dass sich solche vermeintlichen Ziele verselbstständigen<br />
<strong>und</strong> sie ungeprüft weiterverfolgt werden, auch wenn dadurch<br />
politische Prioritäten falsch gesetzt werden. Es ist<br />
also immer mit zu bedenken, welchen Stellenwert eine<br />
Strategie oder Maßnahme in einem komplexen Zielsystem<br />
hat.<br />
Als Ausgangspunkt für den Zielfindungsprozess lassen<br />
sich für die identifizierten Problembereiche allgemeine,<br />
das heißt nicht nur für die Verkehrspolitik geltende, Prinzipien<br />
aufstellen. Diese Prinzipien bringen allgemein anerkannte<br />
moralische Normen (Respekt vor Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
anderer Personen, Rücksicht auf Schwächere<br />
u. a.) zum Ausdruck (hierzu ROPOHL, 1996 im Anschluss<br />
an GERT, 1983). Zur Konkretisierung der drei allgemeinen<br />
Prinzipien für den Bereich des <strong>Straßenverkehr</strong>s<br />
können dann spezifische Gr<strong>und</strong>sätze aufgestellt werden.<br />
Folgende Prinzipien <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>sätze dürften in ihren allgemeinen<br />
Formulierungen auch politisch uneingeschränkt<br />
zustimmungsfähig sein:<br />
– Prinzip 1: „Menschliches Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit sind<br />
zu schützen. Weiterhin ist eine hohe Lebensqualität<br />
für die gesamte Bevölkerung zu sichern.“<br />
– Gr<strong>und</strong>satz 1.1: „Die Zahl der <strong>Straßenverkehr</strong>sopfer<br />
soll möglichst niedrig sein.“<br />
<strong>Umwelt</strong>politische Zieldimensionen<br />
– Gr<strong>und</strong>satz 1.2: „Die Bevölkerung soll vor Ges<strong>und</strong>heitsschädigungen<br />
durch vom <strong>Straßenverkehr</strong> herrührende<br />
(Luft-)Schadstoffe geschützt werden.“<br />
– Gr<strong>und</strong>satz 1.3: „Die Bevölkerung soll vor Ges<strong>und</strong>heitsschädigungen<br />
durch <strong>Straßenverkehr</strong>slärm geschützt<br />
werden. Gleichzeitig soll die Störung der<br />
Lebensqualität durch <strong>Straßenverkehr</strong>slärm generell<br />
niedrig sein.“<br />
– Gr<strong>und</strong>satz 1.4: „Es soll Räume geben, in denen<br />
sich menschliche Aktivitäten unbehelligt vom <strong>Straßenverkehr</strong><br />
entfalten können.“<br />
– Gr<strong>und</strong>satz 1.5: „Es sollen die Mobilitätsinteressen<br />
aller Menschen berücksichtigt werden.“<br />
– Prinzip 2: „Natur <strong>und</strong> Landschaft sind zu schützen.“<br />
– Gr<strong>und</strong>satz 2.1: „Die Flächeninanspruchnahme des<br />
<strong>Straßenverkehr</strong>s soll möglichst gering sein.“<br />
– Gr<strong>und</strong>satz 2.2: „Natur <strong>und</strong> Landschaft sollen durch<br />
Zerschneidungseffekte von Straßen nicht erheblich<br />
beeinträchtigt werden.“<br />
– Gr<strong>und</strong>satz 2.3: „Die stofflichen Belastungen durch<br />
den <strong>Straßenverkehr</strong> sollen nicht zu unter Naturschutzgesichtspunkten<br />
unerwünschten Veränderungen<br />
von Natur <strong>und</strong> Landschaft führen. Insbesondere<br />
sollen die kritischen Belastungsgrenzen der<br />
Ökosysteme, Populationen <strong>und</strong> Individuen nicht<br />
überschritten werden.“<br />
– Prinzip 3: „Das globale Klimasystem ist zu schützen.“<br />
– Gr<strong>und</strong>satz 3.1: „Der <strong>Straßenverkehr</strong> soll einen angemessenen<br />
eigenen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“<br />
154. Diese Prinzipien <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>sätze genügen noch<br />
keineswegs den Anforderungen an politisch umsetzbare<br />
Ziele. So fehlt ihnen jedwede zeitliche <strong>und</strong> quantitative<br />
Konkretisierung. Allerdings sind sie innerhalb des avisierten<br />
Zielfindungsdiskurses zur Begründung von Zielen<br />
<strong>und</strong> zur Auflösung von Zielkonflikten unverzichtbar. Da<br />
bei allen gesellschaftlichen Transformationsprozessen (in<br />
diesem Fall bei der Neuorientierung in Richtung einer<br />
umweltgerechten Verkehrspolitik) mit erheblichen Zielkonflikten<br />
zu rechnen ist, muss diesen bereits im politischen<br />
Zielfindungsprozess besondere Aufmerksamkeit<br />
geschenkt werden. Idealiter wäre insofern zu klären, welchen<br />
Stellenwert die Gesellschaft den genannten Gr<strong>und</strong>sätzen<br />
im Vergleich zu den mit ihrer Realisierung möglicherweise<br />
konfligierenden Zielen beimisst. Realiter ist<br />
die dafür erforderliche vollständige Rangordnung aller relevanten<br />
Werte <strong>und</strong> Ziele nicht möglich. Dennoch bedarf<br />
es zumindest ungefährer Vorstellungen, welche Reduzierung<br />
von negativen Auswirkungen des <strong>Straßenverkehr</strong>s<br />
mit welchem Aufwand – also mit welchen Einschränkungen<br />
für andere Ziele bzw. mit welchen Opportunitätskosten<br />
– verb<strong>und</strong>en ist. Praktisch setzt dies die Kenntnis der<br />
zur Verfügung stehenden Maßnahmen <strong>und</strong> Instrumente<br />
zur Zielerreichung voraus. Die Entwicklung konkreter<br />
Zielsetzungen lässt sich insofern als iterativer Prozess beschreiben,<br />
bei dem normative Entscheidungen zugunsten<br />
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