Umwelt und Straßenverkehr
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2.2.4 Ökologisch sensible Gebiete –<br />
das Beispiel Alpen<br />
53. Im Rahmen der UNECE Konferenz „Transport and<br />
Environment“ (12. bis 14. November 1997 in Wien) wurde<br />
durch die ECE-<strong>Umwelt</strong>- <strong>und</strong> Verkehrsminister eine Deklaration<br />
<strong>und</strong> ein Aktionsprogramm zu Verkehr <strong>und</strong><br />
<strong>Umwelt</strong> in Europa unterzeichnet. Inhaltliche Schwerpunkte<br />
der Deklaration sind unter anderem spezifische<br />
Maßnahmen in ökologisch „sensiblen Gebieten“ (sensitive<br />
areas). Der Begriff der ökologisch sensiblen Gebiete<br />
(HOLZNER, 2001; ZECH et al., 2001, S. 13; 2000,<br />
S. 18 ff.) ist in drei Dimensionen zu präzisieren:<br />
– Wert (value, in ökologischer <strong>und</strong> kultureller Hinsicht),<br />
– Labilität (fragility, Instabilität <strong>und</strong> Verletzbarkeit des<br />
Lebensraumes),<br />
– Potenzial (potential, zur nachhaltigen Entwicklung).<br />
In diesen Gebieten soll besonderes Augenmerk auf die<br />
Erhaltung <strong>und</strong> Erreichung akzeptabler Grenzen für verkehrsbedingte<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> <strong>Umwelt</strong>bedingungen gelegt<br />
werden. Gebiete werden dann als sensibel im Sinne<br />
der Kategorie Labilität eingestuft, wenn schon geringe<br />
Eingriffe in das Öko- bzw. Nutzungssystem gravierende<br />
<strong>und</strong>/oder weitreichende Auswirkungen mit sich bringen<br />
(ZECH et al., 2001, S. 13; BMLFUW, 2001). Dazu gehören<br />
– Gebiete mit geringer Pufferkapazität in räumlicher<br />
<strong>und</strong>/oder ökologischer Hinsicht,<br />
– Gebiete mit kritisch vorbelasteten Schutzgütern oder<br />
– Gebiete mit Bedingungen, die Belastungen verstärken.<br />
Ökologisch sensible Gebiete sind zum einen Gebiete mit<br />
besonders empfindlichen Ökosystemen (Berggebiete,<br />
Küstengebiete, Feucht- <strong>und</strong> Trockengebiete), zum anderen<br />
Landschaften mit historischer <strong>und</strong> kultureller Bedeutung.<br />
Die Hauptaufgabe von Maßnahmen für ökologisch<br />
sensible Gebiete ist es, nachhaltige, umweltverträgliche<br />
Lebens- <strong>und</strong> Landschaftsformen zu entwickeln. Eine Anwendung<br />
dieses Begriffs auf die Alpenregion als einer europäischen<br />
Kulturlandschaft (BÄTZING, 2003) wird im<br />
Folgenden für das Problemfeld des Verkehrs dargestellt.<br />
Verkehrssituation in den Alpen<br />
54. Trotz der schwierigen topografischen Verhältnisse<br />
hat sich die Verkehrsinfrastruktur in den vergangenen<br />
Jahrzehnten im Alpenraum ausnehmend stark entwickelt.<br />
Zwischen 1970 <strong>und</strong> 1998 hat sich der alpenquerende Güterverkehr<br />
in den drei Alpenländern Frankreich, Schweiz<br />
<strong>und</strong> Österreich auf der Schiene verdoppelt <strong>und</strong> auf der<br />
Straße mehr als verzehnfacht (Arbeitsgruppe „Bergspezifische<br />
<strong>Umwelt</strong>qualitätsziele“, 2003). Im Jahr 2000 wurden<br />
circa 143,2 Mio. t Güter über den so genannten Alpenbogen<br />
B (Übergänge: Ventimiglia, Montgenèvre,<br />
Fréjus, Mont Blanc, Großer St. Bernhard, Simplon,<br />
St. Gotthard, San Bernardino, Reschen, Brenner, Tauern)<br />
transportiert (ARGE ALP, Kommission Verkehr, 2003).<br />
Der inner- <strong>und</strong> transalpine Verkehr verteilt sich auf weite<br />
Natur <strong>und</strong> Landschaft<br />
Flächen. Nach einer Studie der CIPRA trägt der inneralpine<br />
Ziel- <strong>und</strong> Quellverkehr 70 Prozent zur jährlichen<br />
Gesamtfahrleistung (100 Mrd. km) im Alpenraum bei,<br />
der touristische Zielverkehr 20 Prozent <strong>und</strong> der Transitverkehr<br />
10 Prozent (zitiert in POPP, 1999). Der Transitverkehr<br />
stellt also nur einen relativ geringen Teil des Gesamtverkehrs<br />
dar, hat jedoch großen Einfluss auf den<br />
Verkehr insgesamt, da er sich auf wenige Achsen konzentriert,<br />
die damit wöchentlichen <strong>und</strong> saisonalen Schwankungen<br />
ausgesetzt sind (ARGE ALP, Kommission Verkehr,<br />
2003).<br />
Flächeninanspruchnahme<br />
55. In den Berggebieten ist ein großer Teil der Gesamtfläche<br />
als Dauersiedlungs- <strong>und</strong> Verkehrsraum ungeeignet,<br />
weil Naturgefahren oder die Steilheit des Geländes eine<br />
Überbauung ausschließen oder zumindest stark einschränken.<br />
Das bedeutet, dass alle Funktionen des Lebens<br />
im knappen besiedelbaren Raum stattfinden <strong>und</strong> dort intensiv<br />
konkurrieren (Arbeitsgruppe „Bergspezifische<br />
<strong>Umwelt</strong>qualitätsziele“, 2003). Dabei ist zu berücksichtigen,<br />
dass der Flächenverbrauch für den motorisierten<br />
Verkehr (PKW, LKW) im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern<br />
wie zum Beispiel der Bahn am höchsten ist.<br />
Luftschadstoffe<br />
56. Bei der Wirkung von unter anderen verkehrsbedingten<br />
Immissionen auf die Ökosysteme der Alpen <strong>und</strong> die<br />
menschliche Ges<strong>und</strong>heit spielen die spezifischen Ausbreitungsbedingungen<br />
für Stoffe <strong>und</strong> Lärm in den Alpen<br />
eine herausragende Rolle. Im Gegensatz zum Flachland<br />
verhindern die topographisch-meteorologischen Besonderheiten<br />
der Alpen wie häufige windschwache Wetterlagen<br />
<strong>und</strong> Inversionen einen raschen Abtransport bzw. eine<br />
ausreichende Verdünnung von Luftschadstoffen, sodass<br />
auch bei geringeren Schadstoffmengen häufig gefährlich<br />
hohe Schadstoffkonzentrationen in Talräumen entstehen<br />
können (Arbeitsgruppe „Bergspezifische <strong>Umwelt</strong>qualitätsziele“,<br />
2003). Gleiche Emissionen haben im Alpental<br />
generell höhere Immissionen zur Folge als im Flachland.<br />
Weiterhin stellen die Alpen als Wetterscheide mit überdurchschnittlich<br />
hohen Niederschlägen eine besonders<br />
wirkungsvolle Senke auch für weiträumig transportierte<br />
Luftschadstoffe dar. MUTSCH (1992) weist auf Gr<strong>und</strong>lage<br />
der Daten der österreichischen Waldboden-Zustandsinventur<br />
nach, dass Belastungen durch die Schwermetalle<br />
Blei <strong>und</strong> Cadmium mit der Höhe zunehmen <strong>und</strong> folglich<br />
aus Fernimmissionen stammen. Verschiedene Autoren<br />
kommen für andere Schadstoffgruppen zu ähnlichen Ergebnissen<br />
(z. B. WEISS, 1998). Dies gilt insbesondere<br />
für die Staulagen der Nord- <strong>und</strong> noch mehr der Südalpen,<br />
in denen besonders hohe Depositionsraten gemessen<br />
wurden. Ferner spielt für den Alpenraum der<br />
Einfluss der feuchten Deposition in Form von Nebel <strong>und</strong><br />
leichtem Nieselregen eine wichtige Rolle (Arbeitsgruppe<br />
„Bergspezifische <strong>Umwelt</strong>qualitätsziele“, 2003;<br />
BIRKENHAUER, 1996, S. 11).<br />
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