Umwelt und Straßenverkehr
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<strong>und</strong> RICHARDSON, 2001), wie sie zurzeit breit gefordert<br />
wird. Auf der anderen Seite wird eine solche Politik<br />
nicht ohne spürbare Kostenerhöhungen für den Verkehr<br />
auskommen. Eine weitere Senkung von Raumwiderständen<br />
wäre sicher kontraproduktiv für eine Entkoppelung.<br />
Darüber hinaus bietet auch eine auf die Stärkung einer<br />
wissensbasierten Ökonomie (Lissabon-Strategie) verkehrsentlastende<br />
Potenziale im Vergleich zum Strukturerhalt<br />
verkehrsintensiver <strong>und</strong> wertschöpfungsarmer Branchen.<br />
Insgesamt birgt eine auf die Vermeidung <strong>und</strong> Verminderung<br />
unnötiger Verkehre ausgerichtete Politik Effizienzpotenziale,<br />
wenn ihr die Dämpfung des Verkehrswachstums<br />
gelingt. Da aber, wie oben gezeigt, eine solche<br />
Politik bisher kaum operationalisiert oder modelliert<br />
wurde, lässt sich die Kostenwirksamkeit einer Entkoppelungsstrategie<br />
bisher nicht abschätzen. Hier besteht Forschungsbedarf.<br />
Akzeptanz<br />
237. Eine Korrektur verkehrserzeugender Politiken ist<br />
zunächst eine Integrationsaufgabe, die, ähnlich der Integration<br />
von <strong>Umwelt</strong>erfordernissen in andere Politiken,<br />
letztlich zur Korrektur sektoraler Eigenlogiken führen<br />
soll. Sie benötigt damit zunächst Verfahren <strong>und</strong> politische<br />
Kapazitäten zur Koordination <strong>und</strong> zur Identifizierung<br />
von Lösungen, die die sozial-, wirtschafts- oder<br />
technologiepolitischen Ziele anderer Politiken nicht infrage<br />
stellen, die aber dennoch geringere Verkehrsauswirkungen<br />
zur Folge haben. Es müsste weiter untersucht<br />
werden, inwieweit verkehrsreduzierende Politiken Synergien<br />
zu anderen gesellschaftspolitischen oder wirtschaftspolitischen<br />
Zielen aufweisen. Dies ist ein anspruchsvolles<br />
politisches Projekt, das auch neue<br />
Organisationsstrukturen in Politik <strong>und</strong> Verwaltung erfordert<br />
(vgl. SRU, 2004b, Abschn. 13.2.2.3). Potenziale<br />
hierfür bestehen (vgl. Kap. 10). Eine Überordnung von<br />
Verkehrsvermeidungszielen über wirtschafts- <strong>und</strong> sozialpolitische<br />
Ziele wird hingegen in der Regel auf Akzeptanzprobleme<br />
stoßen. Sie könnte sich aber gut in den<br />
Kontext einer Politik der Haushaltskonsolidierung einpassen.<br />
Sie wird auch dort unvermeidbar sein, wo Engpässe<br />
<strong>und</strong> Staus aus geographischen, siedlungsstrukturellen<br />
oder ökologischen Gründen nicht durch neue<br />
Infrastrukturen behoben werden können.<br />
6.5 Verkehrssicherheitsstrategien<br />
238. Auch wenn die Umsetzung von Maßnahmen zur<br />
Verkehrssicherheit nicht unbedingt ein zentrales Thema<br />
der <strong>Umwelt</strong>politik ist, so stellen sie bei der Betrachtung<br />
von Mensch <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit im Zusammenhang mit Verkehrsproblemen<br />
ein wichtiges Anliegen dar <strong>und</strong> sind außerdem<br />
eng mit dem Schutz von Natur <strong>und</strong> <strong>Umwelt</strong> vor<br />
den Beeinträchtigungen des <strong>Straßenverkehr</strong>s verknüpft.<br />
Im Folgenden wird die Verkehrssicherheitsarbeit in<br />
Deutschland im Vergleich zu den Strategien der Länder<br />
Schweden, Niederlande <strong>und</strong> Großbritannien, die in den<br />
letzten Jahrzehnten eine sehr erfolgreiche Verkehrssicher-<br />
136<br />
Verkehrspolitische Strategien<br />
heitspolitik betrieben haben <strong>und</strong> sich trotz der Erfolge für<br />
die Zukunft ausgesprochen ehrgeizige Ziele <strong>und</strong> Programme<br />
vorgenommen haben, diskutiert.<br />
Schweden<br />
239. In Schweden wurde 1997 „Vision Zero“ als neue<br />
Langzeitrichtlinie der Verkehrssicherheit vom Parlament<br />
verabschiedet (KOORNSTRA et al., 2002). Bereits in<br />
den Jahren zuvor wurden zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung<br />
der Verkehrsicherheit umgesetzt, um festgelegte<br />
Ziele in Form von Reduzierungen der Zahlen der<br />
Verkehrsopfer zu erreichen. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e galt<br />
Schweden schon Mitte der 1980er-Jahre als verkehrssicherstes<br />
Land. „Vision Zero“ beruht auf vier Prinzipien<br />
(RACIOPPI et al., 2004):<br />
– Das menschliche Leben <strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heit genießen<br />
eine höhere Priorität als das Ziel der Mobilität <strong>und</strong><br />
sonstige Belange des Straßentransportsystems.<br />
– Politiker, Gesetzgeber, Planer, Fahrzeughersteller <strong>und</strong><br />
Benutzer des Straßentransportsystems tragen gemeinsam<br />
die Verantwortung für die Verkehrssicherheit.<br />
– Weil menschliche Fehler nicht auszuschließen sind,<br />
muss das Verkehrssystem so ausgestaltet werden, dass<br />
es die Möglichkeit minimiert, Fehler zu begehen.<br />
– Gesetzgeber <strong>und</strong> Planer sind aufgefordert, in enger<br />
Kooperation miteinander alles Notwendige zu unternehmen,<br />
um die Sicherheit aller Einwohner zu gewährleisten.<br />
Langfristiges Ziel von „Vision Zero“ ist es, die Verkehrstruktur<br />
so auszugestalten, dass niemand mehr in<br />
Folge eines Verkehrsunfalls getötet oder schwer verletzt<br />
wird. Als Zwischenziel wurde die Reduktion der Anzahl<br />
der Unfallverletzten <strong>und</strong> -getöteten um 50 Prozent im<br />
Zeitraum zwischen 1996 <strong>und</strong> 2007 festgelegt (s. a.<br />
Abschn. 5.5.1.1). Im Unterschied zu früheren Strategien<br />
liegt der Schwerpunkt dieser Verkehrsicherheitsstrategie<br />
nicht in der Schulung der Verkehrsteilnehmer, sondern in<br />
der Schaffung einer sicheren Verkehrsinfrastruktur <strong>und</strong><br />
einer weiteren Optimierung der Fahrzeugsicherheitstechnologien.<br />
Der <strong>Straßenverkehr</strong>sraum <strong>und</strong> die Fahrzeuge<br />
sollen so beschaffen sein, dass selbst dann, wenn es zu<br />
einem Unfall kommt, dieser keine schwerwiegenden<br />
Konsequenzen hat. Vielfältige Maßnahmen sollen helfen,<br />
dieses Ziel zu erreichen. So soll zum Beispiel ein Fokus<br />
auf besonders gefährliche Straßen gelegt werden, um<br />
diese Risikoschwerpunkte durch entsprechende Maßnahmen<br />
zu entschärfen. Die Straßennetze in geschlossenen<br />
Ortschaften werden bereits zur Anpassung an die hohen<br />
Sicherheitsstandards umgestaltet. Geplant ist die Einrichtung<br />
einer unabhängigen Organisation, welche die Sicherheit<br />
einzelner Straßen bewertet, wie auch eine Kommission,<br />
die häufig auftretende Verkehrsregelverstöße<br />
untersucht <strong>und</strong> Empfehlungen für das Rechtssystem erarbeitet.<br />
Maßnahmen an den Fahrzeugen, wie die Pflicht<br />
zur Winterbereifung bei entsprechender Witterung <strong>und</strong><br />
die Einführung neuer Technologien (ISA (in-car speed<br />
adaptation systems), Alkohol-Zündsperren etc.), dienen