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Umwelt und Straßenverkehr

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9.1.2 Praktikable Rechtsgr<strong>und</strong>lagen für<br />

selektive emissionsbezogene<br />

Verkehrsbeschränkungen<br />

524. Da hohe Lärm- <strong>und</strong> Schadstoffkonzentrationen<br />

vielerorts überwiegend auf emissionsintensive Fahrzeuge<br />

– insbesondere LKW sowie mit veralteter Technik ausgerüstete<br />

Diesel-PKW – zurückzuführen sind <strong>und</strong> da sich<br />

die technischen Möglichkeiten der Emissionsminderung<br />

am Fahrzeug rasch entwickeln (Tz. 271 ff.), liegt es<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich nahe, Verkehrsbeschränkungen auf emissionsintensive<br />

Fahrzeuge zu beschränken bzw. emissionsarme<br />

Fahrzeuge davon auszunehmen. Solche selektiven<br />

Verkehrsbeschränkungen für emmissionsintensive Fahrzeuge<br />

hätten heute aufgr<strong>und</strong> des europarechtlichen Handlungsdrucks<br />

beachtliche Realisierungschancen, da die<br />

Grenzwerte der EG-Luftqualitätsrichtlinien für Partikel<br />

(PM 10) <strong>und</strong> NO x ohne zusätzliche Verkehrsbeschränkungen<br />

in den Städten nicht einzuhalten sind. Ohne praktikable<br />

Selektionsregelungen müsste dabei mit pauschalen<br />

Verkehrsverboten – insbesondere für den vielerorts hauptursächlichen<br />

Schwerverkehr – operiert werden. Solche<br />

Verbote träfen dann <strong>und</strong>ifferenziert auch die modernen<br />

umweltverträglicheren Fahrzeuge. Dagegen würde die<br />

flächendeckende Anwendung selektiver Verkehrsbeschränkungen<br />

nicht nur wesentlich gezielter zur Entlastung<br />

von innerstädtischen Belastungsschwerpunkten beitragen,<br />

sondern auch erhebliche positive Anreize zur<br />

ökologischen Erneuerung der Fahrzeugflotte setzen. Die<br />

Verkehrsbeschränkungen sollten daher möglichst eng auf<br />

die maßgeblichen Verursacher begrenzt werden.<br />

Die geltenden Bestimmungen der StVO werden dem dargelegten<br />

Differenzierungsbedarf noch nicht gerecht. Sie<br />

bieten zwar Differenzierungsmöglichkeiten nach Fahrzeuggewicht<br />

<strong>und</strong> nach Tages- bzw. Nachtzeit: Wenn dies<br />

zum Schutz vor hohen Lärm- oder Schadstoffbelastungen<br />

erforderlich ist, können durch entsprechende Beschilderung<br />

Straßen <strong>und</strong> Straßenzüge vollständig oder zu<br />

bestimmten Zeiten für LKW-Verkehr oder Motorräder<br />

gesperrt werden. Eine auf die Emissionsintensität abstellende<br />

Beschränkungs- bzw. Ausnahmeregelung <strong>und</strong> dazugehörige<br />

Kennzeichnung/Beschilderung fehlen jedoch<br />

in Bezug auf die zentralen Problemfelder der Partikel<strong>und</strong><br />

NO x-Emissionen sowie der Lärmintensität der Fahrzeuge.<br />

Nach Abgasverhalten differenzierende Verkehrsverbote<br />

waren zwar im Zusammenhang mit der alten<br />

„Wintersmog“-Regelung des § 40 Abs. 1 BImSchG a. F.<br />

<strong>und</strong> den Fahrverboten bei „Sommersmog“ nach den<br />

§§ 40a bis e vorgesehen (vgl. § 41 Abs. 22 Nr. 6 StVO).<br />

Von den auf diesen Regelungen gestützten Verkehrsverboten<br />

waren insbesondere Fahrzeuge befreit, die<br />

mit G-Kat ausgerüstet sind <strong>und</strong> dies durch die sichtbare<br />

G-Kat-Plakette kenntlich machen. In Bezug auf Dieselruß-<br />

<strong>und</strong> NO x-Emissionen sowie den Verkehrslärm<br />

normieren dagegen weder die StVO noch das BImSchG<br />

einheitliche Selektionskriterien, Kennzeichnungen <strong>und</strong><br />

Verbots- bzw. Ausnahmeschilder.<br />

Mitunter wird zwar in § 45 Abs. 1 Satz 2 StVO eine hinreichende<br />

Rechtsgr<strong>und</strong>lage für die selektive Ausgestaltung<br />

von Verkehrsbeschränkungen im Einzelfall gesehen<br />

246<br />

Maßnahmen in der Verkehrslenkung<br />

<strong>und</strong> davon ausgegangen, dass auf dieser Gr<strong>und</strong>lage auch<br />

die Behörden im Einzelfall entscheiden dürften, welche<br />

Fahrzeugarten von dem Verbot ausgenommen werden<br />

(SOMMER, 1998; KOCH, 1994, S. 87 f.; anders<br />

STEINER, 1992, S. 1561 ff.). Diese Rechtsauffassung<br />

bezog sich allerdings wesentlich auf die Rechtfertigung<br />

einzelner Feldversuche. Dafür mag § 45 StVO in der Tat<br />

eine hinreichende Gr<strong>und</strong>lage bieten. Unbestreitbar kann<br />

aber auf der Gr<strong>und</strong>lage der allgemeinen Regelung des<br />

§ 45 StVO keine effektive, b<strong>und</strong>esweite Anwendung selektiver<br />

Verkehrsbeschränkungen gewährleistet werden.<br />

Weder ist zu erwarten noch wäre es sachgerecht, dass jeder<br />

Kreis <strong>und</strong> jede Gemeinde eigene Selektionsmerkmale,<br />

Fahrzeugkennzeichnungen <strong>und</strong> Beschilderungen<br />

entwickelt.<br />

Nach Auffassung des SRU bedarf es vielmehr dringend<br />

einer klaren, einheitlichen <strong>und</strong> vollzugspraktikablen b<strong>und</strong>esrechtlichen<br />

(verordnungsrechtlichen) Regelung. Namentlich<br />

sollten die erforderlichen einheitlichen Kategorien<br />

des schadstoffarmen Fahrzeugs – insbesondere mit<br />

Blick auf die Partikelbelastung – <strong>und</strong> des lärmarmen<br />

Fahrzeugs sowie entsprechende sichtbare Fahrzeugkennzeichnungen<br />

<strong>und</strong> einprägsame Ausnahmebeschilderungen<br />

eingeführt werden.<br />

Konkret sieht der SRU eine angemessene <strong>und</strong> praktikable<br />

Lösung in dem Vorschlag des <strong>Umwelt</strong>b<strong>und</strong>esamtes, des<br />

VCD <strong>und</strong> der Deutschen <strong>Umwelt</strong>hilfe, mit den selektiven<br />

Verkehrsbeschränkungen auf die mit moderner Abgasfiltertechnik<br />

erreichbaren Emissionswerte abzustellen. Wie<br />

bereits in Kapitel 7 dargelegt wurde, entsprechen die mit<br />

Dieselrußfilter zu erreichenden Emissionsgrenzwerte von<br />

0,0025 g/km für PKW <strong>und</strong> von 0,002 g/kWh (0,003 im<br />

dynamischen Testverfahren) für Nutzfahrzeuge heute einem<br />

mit verhältnismäßigen Kosten zu erreichenden Stand<br />

der Technik (200 bis 400 €/PKW, 1 500 bis 3 000 €/LKW<br />

– UBA, 2004). Daher sollten diese Werte auch verbindlich<br />

der Euro-5-Norm für PKW bzw. Euro-VI-Norm für<br />

LKW zugr<strong>und</strong>e gelegt werden. Wenn dies gelingt, könnten<br />

auch die selektiven Verkehrsbeschränkungen <strong>und</strong> die<br />

entsprechende Kennzeichnung <strong>und</strong> Beschilderung an die<br />

Euro-Normen anknüpfen. Sollte sich indessen abzeichnen,<br />

dass die Euro-Normen hinter dem Stand der Technik<br />

zurückbleiben, wäre eine selbstständige Kategorie des<br />

„schadstoffarmen Fahrzeugs“ vorzugswürdig, die zum<br />

Beispiel durch ein „F“ (Filter) gekennzeichnet werden<br />

könnte. In jedem Fall sollte die B<strong>und</strong>esregierung rasch<br />

eine geeignete Regelung finden, um die örtlichen Behörden<br />

zu einer anspruchsvollen Verkehrslenkung anzuleiten<br />

<strong>und</strong> um die Anreizpotenziale selektiver Beschränkungen<br />

für „schmutzige“ <strong>und</strong> „laute“ Fahrzeuge für die ökologische<br />

Flottenerneuerung nutzbar zu machen.<br />

Letzteres gilt gleichermaßen auch für die Verkehrslenkung<br />

zum Schutz vor Lärm. § 45 Abs. 1 Satz 2 StVO ermöglicht<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich eine Beschränkung des Verkehrs<br />

auf lärmarme Fahrzeuge, wenn andernfalls Gefahren oder<br />

erhebliche Belästigungen für die Wohnbevölkerung drohen<br />

(s. Tz. 526). Wiederum fehlen aber klare b<strong>und</strong>es- <strong>und</strong><br />

(möglichst) europaweit einheitliche Regelungen für se-

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