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Umwelt und Straßenverkehr

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5.5.1.4 Lebensqualität<br />

160. Gr<strong>und</strong>satz: „Es soll Räume geben, in denen sich<br />

menschliche Aktivitäten unbehelligt vom <strong>Straßenverkehr</strong><br />

entfalten können.“<br />

Gr<strong>und</strong>satz: „Es sollen die Mobilitätsinteressen aller Menschen<br />

berücksichtigt werden.“<br />

Bestimmte selbstzweckhafte Aktivitäten, wie etwa Spielen,<br />

Feiern, Musizieren, Wandern, Spazierengehen,<br />

Kunstgenuss, Gottesdienst, Lesen, sportliche Betätigung,<br />

Kontemplation usw., werden durch das Verkehrsgeschehen<br />

mehr oder weniger stark gestört. Der Begriff der Lebensqualität<br />

umfasst in jeder sinnvollen Definition auch<br />

Gelegenheiten zur möglichst ungestörten Ausübung dieser<br />

<strong>und</strong> verwandter Aktivitäten. Es sollte daher in der alltäglichen<br />

Lebenswelt bestimmte Räume geben, in denen<br />

die Ausübung der besagten Aktivitäten idealiter ungestört<br />

möglich ist. Ansatzweise wird dem bereits durch die Ausweisung<br />

von Spielstraßen, Freiräumen, Wohngebieten,<br />

Sperrung von Waldwegen für den Automobilverkehr <strong>und</strong><br />

dergleichen Rechnung getragen. Insbesondere muss die<br />

gefahrenarme Erk<strong>und</strong>ung des lebensweltlichen Umfeldes<br />

durch Kinder <strong>und</strong> Jugendliche möglich sein. Hier gilt es,<br />

das Verkehrsgeschehen kindlichen Verhaltensmustern anzupassen<br />

(<strong>und</strong> nicht umgekehrt).<br />

Die ungestörten oder zumindest störungsarmen Räume<br />

dürfen aber nicht nur als voneinander isolierte Enklaven<br />

in ein vom Automobilverkehr dominiertes Stadtbild eingelagert<br />

sein. Das Ideal der „autogerechten Stadt“ gilt<br />

mittlerweile mehrheitlich als verfehlt, die realen baulichen<br />

Konsequenzen der Versuche, Städte möglichst autogerecht<br />

zu gestalten, sind aber noch vorhanden <strong>und</strong> prägen<br />

menschliches Verhalten. Daraus ergibt sich die<br />

allgemeine, angesichts der Komplexität sozialer Räume<br />

<strong>und</strong> Interaktionen auf nationaler Ebene nicht sinnvoll<br />

quantifizierbare Zielsetzung, ungestörte <strong>und</strong> störungsarme<br />

Räume zu vermehren. Auf kommunaler Ebene kann<br />

<strong>und</strong> sollte diese Zielsetzung mit jeweils konkreten Zielen<br />

<strong>und</strong> Maßnahmen unterlegt werden. Deren Akzeptanz<br />

kann sich im Prinzip auf den Umstand stützen, dass die<br />

Mehrheit der Bevölkerung eine deutliche Präferenz für<br />

die Realisierung solcher Ziele in ihrem jeweiligen Wohnumfeld<br />

hat. Die Verfolgung dieser Ziele ist positiv mit<br />

vielen <strong>Umwelt</strong>zielen <strong>und</strong> mit Zielen der Verkehrssicherheit<br />

korreliert (s. Kap 6.5).<br />

161. In der Gerechtigkeitstheorie hat John Rawls das so<br />

genannte Differenz-Prinzip eingeführt, das besagt, dass<br />

Ungleichheiten nur dann legitim sind, wenn sie zum<br />

Vorteil der Schlechtestgestellten sind (RAWLS, 1975).<br />

Übertragen auf die Verkehrspolitik besagt dieses Prinzip<br />

ungefähr, dass es für die Beurteilung der Gerechtigkeitsdimension<br />

weniger darauf ankommt, die Situation der<br />

durch die heutigen Verkehrsstrukturen bereits Begünstigten<br />

(der PKW-Vielfahrer mit hohem Einkommen) noch<br />

weiter zu optimieren, als vielmehr darauf, die Mobilitätschancen<br />

der benachteiligten Gruppen zu verbessern. Wie<br />

in Abschnitt 2.1.4 dargestellt, bringt das derzeitige <strong>Straßenverkehr</strong>ssystem<br />

erhebliche Einschränkungen der Mobilität<br />

bestimmter Gruppen (etwa der Kinder, aber auch<br />

112<br />

Normative Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Ziele<br />

nicht motorisierter Erwachsener) mit sich. Insbesondere<br />

auf regionaler <strong>und</strong> lokaler Ebene müssen aus dem allgemeinen<br />

Ziel der Verbesserung der Mobilitätschancen benachteiligter<br />

Personen konkretere, auf einzelne Gruppen<br />

bezogene Zielsetzungen entwickelt werden.<br />

5.5.2 Natur <strong>und</strong> Landschaft<br />

162. Für den Schutz von Natur <strong>und</strong> Landschaft gibt es<br />

bereits einige verbindliche, auf den <strong>Straßenverkehr</strong> bezogene<br />

Zielsetzungen (s. a. SRU, 2002b), deren wichtigste<br />

im Folgenden diskutiert werden. Dieser Diskussion vorausgeschickt<br />

sei ein für alle Ziele gleichermaßen geltendes<br />

Prinzip: Wegen der stark voneinander abweichenden<br />

Gegebenheiten in unterschiedlichen Lebensraumtypen<br />

<strong>und</strong> wegen der zahlreichen <strong>und</strong> dabei äußerst verschiedenartigen<br />

betroffenen Schutzgüter bedürfen die naturschutzbezogenen<br />

<strong>Umwelt</strong>ziele einer besonders starken<br />

räumlichen Differenzierung. Drei Beispiele mögen dies<br />

verdeutlichen:<br />

– Während eine bestimmte Menge an Nährstoffeinträgen<br />

über die Luft (vor allem Stickstoffverbindungen,<br />

zu deren maßgeblichen Quellen vielfach auch der<br />

<strong>Straßenverkehr</strong> gehört) für ein eutrophes Schilfröhricht<br />

eher unproblematisch ist, kann der gleiche Nährstoffeintrag<br />

für Silbergrasfluren kalkarmer Küstendünen<br />

eine schwerwiegende Beeinträchtigung darstellen.<br />

– Die Zerschneidungswirkung einer Autobahn stellen<br />

für windbestäubende Pflanzen ein geringeres Problem<br />

dar als für Säugetierpopulationen.<br />

– Im Gegensatz zum Flachland verhindern etwa die topographisch-meteorologischen<br />

Besonderheiten der<br />

Alpen, wie häufige windschwache Wetterlagen <strong>und</strong><br />

Inversionen, einen raschen Abtransport bzw. eine ausreichende<br />

Verdünnung von Luftschadstoffen, sodass<br />

auch bei geringeren Schadstoffemissionen gefährlich<br />

hohe Schadstoffkonzentrationen in Talräumen entstehen<br />

können.<br />

Aus dieser Besonderheit ergibt sich, dass die allgemeingültigen<br />

Ziele – um für politische oder planerische Entscheidungen<br />

verwertbar zu sein – in ökologisch sensiblen<br />

Gebieten konkretisiert werden müssen. Für den Schutz<br />

solcher Gebiete müssen vielfach strengere Maßstäbe angelegt<br />

werden als für den Schutz weniger sensibler Gebiete<br />

(vgl. Abschn. 2.2.4).<br />

5.5.2.1 Flächeninanspruchnahme<br />

163. Gr<strong>und</strong>satz: „Die Flächeninanspruchnahme des<br />

<strong>Straßenverkehr</strong>s soll möglichst gering sein.“<br />

Wie in Abschnitt 2.2.1 dargestellt, ist der Anteil der <strong>Straßenverkehr</strong>sflächen<br />

an der zusätzlichen Flächeninanspruchnahme<br />

keineswegs zu vernachlässigen. Auch wenn<br />

nur ein Teil der zusätzlichen <strong>Straßenverkehr</strong>sflächen direkt<br />

der Erschließung neuer Siedlungsflächen dient, gewinnt<br />

andersherum die vielfach beklagte flächenhafte<br />

„Zersiedelung“ durch den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur<br />

an Attraktivität. Da verkehrspolitische Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> die Entwicklung der Siedlungs- <strong>und</strong> Verkehrsflächen

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