Umwelt und Straßenverkehr
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SCHALLABÖCK <strong>und</strong> PETERSEN (1999, S. 23) stellen<br />
die in der Diskussion befindlichen Zahlen des Verbandes<br />
der Automobilindustrie (VDA) infrage. Statt eines Anteils<br />
von 23 Prozent errechnen sie lediglich einen Anteil<br />
von 2 Prozent des Benzinverbrauches, der auf Staus zwischen<br />
<strong>und</strong> innerhalb von Agglomerationen zurückzuführen<br />
ist. Diesen Verlusten müssen zudem Verbrauchsminderungen<br />
gegenüber gestellt werden, die dann erreicht<br />
werden, wenn die Verkehrsdichte nicht eine Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
von 120 bis 130 km/h, sondern<br />
lediglich von 85 km/h erlaubt. Diese Situation ist weitaus<br />
häufiger anzutreffen, als die des Staus (SCHALLABÖCK<br />
<strong>und</strong> PETERSEN, 1999, S. 24). Im Vergleich zu Strategien<br />
einer besseren Infrastrukturauslastung durch Verkehrsflussverbesserung<br />
müssen zudem Investitionen in eine<br />
Kapazitätserweiterung als relativ ineffizient betrachtet<br />
werden (SCHALLABÖCK <strong>und</strong> PETERSEN, 1999,<br />
S. 37).<br />
Akzeptanz<br />
216. Eine „integrierte Verkehrspolitik“ vermeidet die<br />
Verteilungskonflikte, die mit einer Verlagerungspolitik<br />
verb<strong>und</strong>en sein könnten. Sie versucht, alle Interessen der<br />
Verkehrsteilnehmer <strong>und</strong> Produzenten von Verkehrsdienstleistungen<br />
zu befriedigen <strong>und</strong> die Synergien zwischen<br />
den Verkehrsträgern zu optimieren. Sie wird damit gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
auf relativ geringe Akzeptanzprobleme im verkehrspolitischen<br />
Akteursnetz stoßen, kann aber die Erwartungen<br />
des umweltpolitischen Akteursnetzes nicht<br />
befriedigen. In der Praxis steht eine „integrierte Verkehrspolitik“<br />
vor der Herausforderung, die Segmentierung des<br />
Verkehrssektors (vgl. Tz. 109) zu überwinden <strong>und</strong> eine<br />
problemlösungsorientierte Kooperation zu bewältigen.<br />
Dieses ist keine triviale Aufgabe, kann aber mit den Nutzen<br />
für alle Verkehrsteilnehmer gut begründet werden.<br />
6.4 Potenziale von Strategien zur<br />
Vermeidung von Verkehr<br />
217. Die Entkoppelung von Verkehrs- <strong>und</strong> Wirtschaftswachstum<br />
(vgl. z. B. PONEL, 1999; PETERSEN, 1994;<br />
HESSE 2002; PASTOWSKI, 1997; OECD 2004; BAUM<br />
et al., 1994), das heißt die Erhöhung der Transporteffizienz<br />
der Wirtschaft, kann bei der Steuerung der<br />
Verkehrsnachfrage, also bei verkehrsverursachenden<br />
Wirtschafts- <strong>und</strong> Raumstrukturen, Lebensstilen, den<br />
Transportkosten, der Verkehrsqualität <strong>und</strong> der Geschwindigkeit<br />
ansetzen. Hinsichtlich der Annäherung an die in<br />
Kapitel 5.5 vorgestellten <strong>Umwelt</strong>ziele wirkt eine solche<br />
Strategie unspezifisch. Aber jede vermeidbare Transportleistung<br />
vermindert den Handlungsdruck auf andere verkehrsbezogene<br />
<strong>Umwelt</strong>maßnahmen im Hinblick auf die<br />
Zielerreichung.<br />
218. In der früheren Literatur zu Verkehrsvermeidung<br />
(vgl. HESSE, 1993, 2002; BAUM <strong>und</strong> HEIBACH, 1997)<br />
wurde der Begriff oft als Kritik an den Marktimperativen<br />
der Wirtschaft gesehen. Die Intensivierung der internationalen<br />
Arbeitsteilung <strong>und</strong> die Trends zur großräumigen<br />
Wirtschaftsverflechtung, die Senkung der Fertigungstiefe,<br />
neue Logistikkonzepte, Spezialisierung <strong>und</strong> Flexibili-<br />
130<br />
Verkehrspolitische Strategien<br />
sierung sind wichtige, oft unvermeidlich mit der Modernisierung<br />
der Wirtschaft verb<strong>und</strong>ene Faktoren, die das<br />
Wachstum des Güterverkehrs beschleunigen (vgl.<br />
VICKERMAN, 2002; PASTOWSKI, 1997). Sie werden<br />
durch veränderte politische Rahmenbedingungen, wie die<br />
Liberalisierung der Verkehrsmärkte, die Vollendung des<br />
Binnenmarktes <strong>und</strong> den Ausbau großräumiger Schnellverkehrsverbindungen<br />
verstärkt. Verkehrswachstum<br />
wurde damit von Kritikern wie Befürwortern als unvermeidbare<br />
Nebenfolge von Wirtschaftswachstum <strong>und</strong> kapitalistischer<br />
Modernisierung betrachtet. Analog wurde<br />
auch das Wachstum des Personenverkehrs als Folge<br />
wachsenden Wohlstands gesehen (vgl. auch Kap. 3).<br />
219. Mittlerweile setzt sich aber die Auffassung durch,<br />
dass es Verkehrsvermeidungspotenziale gibt, die nicht im<br />
Widerspruch zu den Wachstumsimperativen moderner<br />
marktwirtschaftlicher Industrie- <strong>und</strong> Dienstleistungsgesellschaften<br />
stehen (vgl. OECD, 2004; HEY <strong>und</strong> RÖDER,<br />
1998; SACTRA, 1999; BAUM <strong>und</strong> HEIBACH, 1997).<br />
Zu diesem Ergebnis kam der für die Diskussion um den<br />
Zusammenhang von Verkehrs- <strong>und</strong> Wirtschaftswachstum<br />
wegweisende SACTRA-Bericht (1999) für das Britische<br />
Verkehrsministerium. Ausschlaggebend für das Verkehrswachstum<br />
sind neben dem Einkommen der Preis, die Geschwindigkeit<br />
<strong>und</strong> die Qualität des Verkehrs (SACTRA,<br />
1999, Zi. 15). Im internationalen Vergleich zeigt sich,<br />
dass sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr keine<br />
notwendige Koppelung von Wirtschafts- <strong>und</strong> Verkehrswachstum<br />
besteht. Sowohl in den USA als auch in Japan<br />
fand in den letzten Jahrzehnten eine relative Entkoppelung<br />
von Personen- <strong>und</strong> Güterverkehr <strong>und</strong> Wirtschaftswachstum<br />
statt, nicht aber in Europa (außer in Schweden<br />
<strong>und</strong> der Schweiz) (vgl. OECD, 2004, S. 33 ff.). In Japan<br />
verminderte sich die Personentransportintensität zwischen<br />
1970 <strong>und</strong> 2000 um 24 Prozent <strong>und</strong> die Gütertransportintensität<br />
sogar um 38 Prozent. Diese Unterschiede<br />
werden auch als Hinweis für die gr<strong>und</strong>sätzliche politische<br />
Gestaltbarkeit des Verkehrswachstums gesehen (vgl.<br />
SACTRA, 1999, Zi. 6.20).<br />
Komponentenanalyse als Ausgangspunkt der<br />
Identifizierung von Vermeidungspotenzialen<br />
im Güterverkehr<br />
220. Durch eine Komponentenanalyse des Wachstums<br />
der Fahrzeugkilometer können wachstumsfördernde <strong>und</strong><br />
wachstumsbremsende Trends identifiziert werden. Wichtige<br />
Komponenten für das Güterverkehrswachstum sind<br />
(vgl. Tab. 6.3; McKINNON <strong>und</strong> WOODBURN, 1996;<br />
REDEFINE, 1999; OECD, 2004, S. 69; Steer Davies<br />
Gleave, 2003; BAUM <strong>und</strong> HEIBACH, 1997):<br />
– die Materialintensität der Wirtschaft (value density)<br />
im Hinblick auf die transportierten Tonnen,<br />
– die Verkehrsmittelwahl (Modal Split) im Hinblick auf<br />
die zu transportierenden Tonnen auf der Straße,<br />
– die Anzahl der Glieder in der Transportkette (handling<br />
factor) im Hinblick auf diejenigen Tonnen, die tatsächlich<br />
auf der Straße transportiert wurden,