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Umwelt und Straßenverkehr

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222<br />

24. BImSchV, falls aktiver Lärmschutz wegen unverhältnismäßiger<br />

Kosten nicht oder nur partiell durchzuführen<br />

ist (§ 41 Abs. 2, § 43 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG),<br />

sowie<br />

– einer angemessenen Entschädigung in Geld, soweit<br />

schädliche <strong>Umwelt</strong>einwirkungen im Außenwohnbereich<br />

nicht vermieden werden können (§ 42 Abs. 2<br />

Satz2BImSchG, §74Abs.2 Satz3VwVfG),<br />

garantieren als „harter Kern“ des Lärmschutzes ungefähr<br />

die Einhaltung eines äquivalenten Dauerschallpegels innen<br />

von 40 dB(A) in Wohn- <strong>und</strong> 30 dB(A) in Schlafräumen,<br />

allerdings nur mit Blick auf den in der Planung stehenden<br />

Verkehrsweg. Das Wertepaar 30/40 dB(A) innen<br />

entspricht der langjährigen Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esverwaltungsgerichts<br />

(BVerwG, Beschluss vom 17. Mai<br />

1995, Az: 4 NB 30/94 = Neue Juristische Wochenschrift,<br />

NJW 1995, S. 2573) <strong>und</strong> gewährleistet ohne hinzutretende<br />

Beiträge anderer Lärmquellen ungestörte Kommunikation<br />

<strong>und</strong> ungestörten Schlaf.<br />

448. Die Wirksamkeit des vierstufigen Lärmschutzmodells<br />

der §§ 41 ff. BImSchG wird erheblich dadurch infrage<br />

gezogen, dass die 16. BImSchV <strong>und</strong> die Rechtsprechung<br />

eine segmentierte Betrachtung des singulären,<br />

jeweils in der Planung stehenden Verkehrsweges jedenfalls<br />

bis an die Schwelle der Ges<strong>und</strong>heitsgefährdung für<br />

rechtlich zulässig erachten (BVerwG E 101, 1 ff.; dazu<br />

kritisch KOCH, 1999; KOCH, 2003, S. 323). Dies widerspricht<br />

dem Vorsorgeprinzip <strong>und</strong> kann in Anbetracht der<br />

großen Unsicherheiten, die über ges<strong>und</strong>heitliche Lärmwirkungen<br />

bestehen, nicht die Gr<strong>und</strong>lage eines Mindestschutzkonzeptes<br />

sein. Auch einem solchen Konzept muss<br />

eine wirklichkeitsgetreue Betrachtung der Immissionen<br />

<strong>und</strong> ihrer (möglichen) Wirkungen zugr<strong>und</strong>e gelegt werden.<br />

Auf der Basis einer Fiktion, wie sie die segmentierte<br />

Betrachtung darstellt, kann keine rationale Lärmschutz-<br />

Planung stattfinden.<br />

449. Die isolierte Betrachtung von gewerblichen<br />

Anlagen (TA Lärm), <strong>Straßenverkehr</strong> (16. BImSchV),<br />

Schienenverkehr (16. BImSchV), Fluglärm (FluglärmschutzG),<br />

Sportanlagen (18. BImSchV) <strong>und</strong> Freizeitanlagen<br />

(Ländererlasse) verstößt auch gegen den allgemeinen,<br />

akzeptorbezogenen Schutzansatz des deutschen<br />

Immissionsschutzrechts. Ob schädliche <strong>Umwelt</strong>einwirkungen<br />

vorliegen, hängt allein davon ab, wie hoch die<br />

Lärmbelastung an einem bestimmten Einwirkungsort ist,<br />

<strong>und</strong> nicht auch davon, ob diese Lärmbelastung von einer<br />

einzelnen oder von mehreren, auch verschiedenen Quellen<br />

verursacht wird. Die segmentierte Bewertung der<br />

Lärmquellen ist daher nicht nur sachwidrig, sondern auch<br />

rechtlich fragwürdig. Nur eine summative Betrachtungsweise<br />

ist geeignet, den Schutzauftrag des BImSchG zu erfüllen.<br />

Dem akzeptorbezogenen Schutzkonzept entspricht<br />

es natürlich auch nicht, den Fluglärm als bedeutende Belastungsquelle<br />

gänzlich zu separieren.<br />

Zur vollständigen Erfassung <strong>und</strong> Berücksichtigung der<br />

Lärmwirkungen ist schließlich immissionsschutz- (s. § 41<br />

Abs. 1, § 3 Abs. 2 BImSchG) <strong>und</strong> naturschutzrechtlich<br />

(zum Naturschutz 8.1.4.3) auch die Einbeziehung der ne-<br />

Maßnahmen in der Verkehrswege- <strong>und</strong> Raumplanung<br />

gativen Auswirkungen des Lärms auf Tiere geboten. Empirische<br />

Studien zur Wirkung von Dauerlärm auf Vögel<br />

(als empfindliche Indikatorarten) haben gezeigt, dass Belastungen<br />

oberhalb von 47 dB(A) in den entsprechenden<br />

Habitaten mit großer Wahrscheinlichkeit zu erheblichen<br />

Beeinträchtigungen, das heißt zu Lebensraumverlusten<br />

führen (RECK et al., 2001; LAMBRECHT et al., 2004,<br />

Kap. 3.8.8, S. 178–179, 184; Kieler Institut für Landschaftsökologie<br />

et al., 2004; s. a. Tab. 2-12). Diese<br />

Schwelle sollte im Rahmen der anzuwendenden immissionsschutz-<br />

<strong>und</strong> naturschutzrechtlichen Schutzbestimmungen<br />

sowie im Rahmen der planerischen Abwägung<br />

als Prüfschwelle zu berücksichtigt werden.<br />

8.1.4.2 Luftverunreinigungen<br />

450. Luftverunreinigungen aus dem Kfz-Verkehr kann<br />

in Anbetracht ihrer Reichweite weniger wirksam durch<br />

Maßnahmen der Verkehrswegeplanung begegnet werden<br />

als dem Kraftfahrzeuglärm. Allerdings bringt der <strong>Straßenverkehr</strong><br />

relevante Luftverunreinigungen gerade auch<br />

im Emittentennahbereich mit sich, insbesondere durch<br />

NOx- <strong>und</strong> Partikelemissionen (Dieselruß- <strong>und</strong> Reifenabrieb).<br />

Frühzeitig hat daher JARASS zur Problembewältigung<br />

eine analoge Anwendung der nur auf Verkehrslärm<br />

bezogenen §§ 41 ff. BImSchG vorgeschlagen (JARASS,<br />

1999, § 41 Rn. 8 ff.; die Gegenauffassung vertritt<br />

SCHULZE-FIELITZ, 1999, Rn. 106). Eine entsprechende<br />

planerische Prävention erscheint nicht nur umweltpolitisch<br />

vernünftig, sondern de facto auch durch die<br />

Grenzwerte der europäischen Luftqualitäts-Rahmenrichtlinie<br />

<strong>und</strong> der dazugehörigen Tochterrichtlinien geboten<br />

(insb. RL 1999/30/EG vom 22. April 1999 über Grenzwerte<br />

für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid <strong>und</strong> Stickstoffoxide,<br />

Partikel <strong>und</strong> Blei sowie RL 2002/3/EG vom<br />

12. Februar 2002 über den Ozongehalt der Luft).<br />

Die bisherigen Umsetzungsschritte insbesondere des<br />

7. Gesetzes zur Änderung des B<strong>und</strong>es-Immissionsschutzgesetzes<br />

begnügen sich im Verkehrsbereich demgegenüber<br />

mit einem Instrument der Verkehrsregelung im<br />

neuen § 40 Abs. 3 BImSchG <strong>und</strong> der Berücksichtigung<br />

des <strong>Straßenverkehr</strong>s in der Luftreinhalteplanung<br />

(§ 47 Abs. 4 BImSchG). Die Luftreinhalteplanung soll<br />

das zentrale Instrument zur Einhaltung der europäischen<br />

Schadstoffgrenzwerte bilden. Das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht<br />

sieht deshalb in den Grenzwerten der Luftqualitätsrichtlinien<br />

bzw. der 22. BImSchV keine direkten Planungs-<br />

<strong>und</strong> Zulassungsschranken für den Straßenbau. In<br />

seinem Urteil vom 26. Mai 2004 (Az.: 9 A 6/03) zum<br />

Ausbau der B170/Dresden entschied das Gericht leitsätzlich:<br />

„Dem Gr<strong>und</strong>satz der Problembewältigung wird im<br />

Hinblick auf die Einhaltung der Grenzwerte der<br />

22. BImSchV in einem Planfeststellungsverfahren für ein<br />

Straßenbauvorhaben in der Regel hinreichend Rechnung<br />

getragen, wenn nicht absehbar ist, dass das Vorhaben die<br />

Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung dieser Grenzwerte<br />

mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung zu sichern.“<br />

Dieser rein nachsorgende Ansatz wird den Ansprüchen<br />

<strong>und</strong> Standards des europäischen Luftqualitätsrechts nicht

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