Umwelt und Straßenverkehr
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Verknüpfung der räumlich getrennten Funktionen, bedingen<br />
aber gleichzeitig ihrerseits wiederum ein weiteres<br />
räumliches Auseinanderfallen (Deutscher B<strong>und</strong>estag,<br />
1996, S. 7; s. a. STIENS, 2003; TROGE et al., 2003,<br />
S. 86). Insgesamt muss der festzustellende Suburbanisierungsprozess<br />
aufgr<strong>und</strong><br />
– weiterhin bestehender Verflechtungen des Umlandes<br />
zur Kernstadt,<br />
– disperser <strong>und</strong> entmischter Siedlungsstrukturen <strong>und</strong><br />
– der Verlagerung von Freizeiteinrichtungen, Handel<br />
<strong>und</strong> Gewerbe in das Umland der Städte<br />
als mitursächlich für ein gesteigertes Verkehrsaufkommen<br />
angesehen werden.<br />
648. Ein Wachstum des Individualverkehrs als Folge<br />
disperser Siedlungsstrukturen <strong>und</strong> Entmischung von städtischen<br />
Funktionen belegt beispielsweise auch eine Untersuchung<br />
von Umzügen aus München ins Umland. Danach<br />
arbeitete die Mehrheit der Befragten nach dem<br />
Wegzug aus der Kernstadt weiterhin in München <strong>und</strong><br />
nahm einen längeren Weg zur Arbeit in Kauf. Von dem<br />
neuen Wohnstandort im Umland war jedoch nur noch gut<br />
jeder Dritte (einschließlich der Verkehrsteilnehmer im<br />
kombinierten Verkehr) mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
unterwegs. Innerhalb Münchens traf dies immerhin auf<br />
45 Prozent zu (IMU, 2002). Untersuchungen über den Familienalltag<br />
mit Kindern in verschiedenen Siedlungsstrukturen<br />
kommen zu dem Ergebnis, dass in Einfamilienhausgebieten<br />
nur 46 Prozent der Gr<strong>und</strong>schüler zu Fuß<br />
zur Schule gehen, während dies bei 80 Prozent der<br />
Gr<strong>und</strong>schüler, die in innerstädtischen Mischgebieten leben,<br />
der Fall ist (EVALO, 2004). Fast jeder Zweite der<br />
11- bis 14-Jährigen wird in den Einfamilienhausgebieten<br />
„chauffiert“. B<strong>und</strong>esweit sind bereits 9 Prozent aller PKW-<br />
Fahrten so genannte Begleitfahrten (Holen <strong>und</strong> Bringen;<br />
EVALO, 2004). Einer Studie aus Großbritannien zufolge<br />
steigt bei geringer Bevölkerungsdichte generell die Nachfrage<br />
nach motorisiertem Individualverkehr. Bei höherer<br />
Bevölkerungsdichte nimmt sie dagegen ab (Department<br />
of the Environment, 1993; s. a. APEL et al., 1997,<br />
S. 402). Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es kaum verw<strong>und</strong>erlich,<br />
dass Radiuserweiterung, Siedlungsdispersion <strong>und</strong><br />
Entmischung nicht nur zu einer Zunahme motorisierten<br />
Individualverkehrs beitragen, sondern auch mit einem<br />
Rückzug der Bahn <strong>und</strong> des ÖPNV aus der Fläche verb<strong>und</strong>en<br />
sein können.<br />
10.4.2 Leitbilder zur Korrektur des räumlichstrukturellen<br />
Trends<br />
Leitbilder der Raumordnung<br />
649. Für Leitbilder zur Korrektur des Trends zunehmender<br />
Suburbanisierung mit ihren „Elementen“ der Radiuserweiterung,<br />
der Siedlungsdispersion <strong>und</strong> Entmischung<br />
sollten unverändert die raumordnerischen Konzeptionen<br />
der Zentralen Orte <strong>und</strong> der Achsenstrukturen maßgeblich<br />
sein (MKRO, 2001; s. a. APEL et al., 1997, S. 417;<br />
KAGERMEIER, 1997, S. 48 ff.; HOLZ-RAU <strong>und</strong><br />
KUTTER, 1995).<br />
288<br />
Korrektur verkehrserzeugender Anreize<br />
650. Das Konzept der zentralen Orte von<br />
CHRISTALLER (1941) wurde in den 1960er-Jahren in<br />
die offizielle Raumordnung der B<strong>und</strong>esrepublik eingeführt<br />
(s. Abb. 10-2, MKRO, 1972; genauer bei: BOSE,<br />
1994, S. 54 ff.), um einerseits die Arbeitsteiligkeit zwischen<br />
den Großstädten <strong>und</strong> ihrem Umland zu strukturieren<br />
<strong>und</strong> andererseits in peripheren ländlichen Regionen durch<br />
die zentralörtliche Struktur zur wirtschaftlichen Entwicklung<br />
der Regionen beizutragen (MKRO, 2001; KAGER-<br />
MEIER, 1997, S. 48). Durch den Ausschluss einer stärkeren<br />
Entwicklung von kleineren Siedlungskernen sollte die<br />
Zersiedlung verhindert <strong>und</strong> die Konzentration vieler städtischer<br />
Funktionen an bestimmten Standorten unterstützt<br />
werden. In der Konsequenz müsste eine solche Struktur<br />
gleichfalls verkehrsvermindernd wirken.<br />
Das Konzept der zentralen Orte hat in Deutschland die<br />
Siedlungsstrukturentwicklung stark geprägt, ist aber noch<br />
immer von einer konsequenten Umsetzung entfernt. Auch<br />
eindeutige raumordnerische Vorgaben vermochten es<br />
nicht, die Siedlungsentwicklung eindeutig auf die Siedlungsschwerpunkte<br />
zu konzentrieren (vgl. Untersuchungen<br />
von DILLER, 2005; GROß, 2004). Eine maßgebliche<br />
Ursache liegt darin begründet, dass für die Kommunen<br />
wenig Anreize bestehen, aktiv an der Bauleitplanung mitzuwirken<br />
<strong>und</strong> die Städtebau- <strong>und</strong> Wohnbaupolitik zum<br />
Teil gegenläufige Tendenzen begünstigt (SRU, 2004;<br />
KISTENMACHER bereits 1980, S. 16).<br />
651. Das zweite wichtige Gr<strong>und</strong>konzept der Siedlungsentwicklung<br />
ist das Achsenkonzept, das die Anordnung von<br />
Entwicklungskernen entlang von Schienenverkehrsachsen,<br />
die aus den Ballungsräumen in das Umland reichen, anstrebt<br />
(Abb. 10-2). Siedlungsachsen bestehen in der Regel<br />
aus einzelnen Zentren an den Haltepunkten des schienengeb<strong>und</strong>enen<br />
Personennahverkehr (SPNV). Die Siedlungsentwicklung<br />
soll weitgehend auf diese Zentren beschränkt<br />
<strong>und</strong> maßgeblich durch verdichtete Bauweisen realisiert<br />
werden, um eine optimale Ausnutzung der SPNV-Erschließung<br />
zu erreichen. Dieses Konzept wurde erstmals 1964<br />
im Landesentwicklungsprogramm Nordrhein-Westfalen<br />
eingeführt (KISTENMACHER, 1982, S. 263). In der<br />
Folge etablierte es sich schnell in den räumlichen Entwicklungsplanungen<br />
von B<strong>und</strong>, Ländern <strong>und</strong> Kommunen. Es<br />
zählt heute zu den Standardelementen der Raumordnung<br />
(KAGERMEIER, 1997, S. 52; s. zum Beispiel für Hamburg:<br />
KOCH, 1998, S. 193 ff. <strong>und</strong> für Schleswig-Holstein<br />
den Landesraumordnungsplan 1998, S. 53 f.).<br />
Das Achsenmodell ist ursprünglich vermutlich auf eine<br />
Trendfortschreibung des Status quo zurückzuführen. Aufgr<strong>und</strong><br />
der damals eingeschränkten PKW-Verfügbarkeit<br />
orientierte sich die Siedlungsentwicklung an den durch<br />
den SPNV erschlossenen Achsen (KAGERMEIER, 1997,<br />
S. 53). Später wurde das Achsenmodell von der realen<br />
Entwicklung überholt <strong>und</strong> die Achsenzwischenräume gerieten<br />
zunehmend unter Siedlungsdruck. Die an den Haltepunkten<br />
des SPNV häufig als Geschosswohnungsbau angestrebte<br />
verdichtete Bauweise entsprach nicht dem<br />
Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung nach einem<br />
„Häuschen im Grünen“. Zudem führte die Lagegunst in<br />
den haltestellennahen Bereichen zu einer Erhöhung der<br />
Bodenpreise, was wiederum eine Besiedlung der Achsenzwischenräume<br />
forcierte. Ein Beispiel hierfür ist unter