Umwelt und Straßenverkehr
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Wünschenswert wären demgegenüber Verlagerungseffekte<br />
vom PKW-Verkehr zum Bahnverkehr, also eine Änderung<br />
des Modal Split. Nach GOHLISCH <strong>und</strong> MALOW (1999,<br />
S. 29) müsste die Bahn eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit<br />
von 140 km/h erreichen, um bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung<br />
von 120 km/h auf B<strong>und</strong>esautobahnen<br />
hinsichtlich der Reisezeit konkurrenzfähig zu<br />
sein. Eine solche Reisegeschwindigkeit wird im Bahnnetz<br />
insbesondere zwischen den Ballungsräumen bereits vielerorts<br />
realisiert. Die durch eine Geschwindigkeitsbeschränkung<br />
auf B<strong>und</strong>esautobahnen erreichbare Verlagerung von<br />
Anteilen des Personenfernverkehrs auf die Bahn sollte allerdings<br />
beim derzeitigen Angebot im Bahnverkehr nicht<br />
überschätzt werden, denn die Entscheidung für ein bestimmtes<br />
Verkehrsmittel hängt nicht nur von der Reisezeit,<br />
sondern auch von zahlreichen anderen Faktoren, ab.<br />
9.2.2 Verkehrssicherheit<br />
9.2.2.1 Innerörtlicher Bereich<br />
543. Für den innerörtlichen Bereich ist weitgehend unbestritten,<br />
dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf<br />
30 km/h zu einer deutlichen Erhöhung der Verkehrssicherheit<br />
beiträgt. So reduziert sich der Anhalteweg (als<br />
Summe aus Reaktionsweg <strong>und</strong> Bremsweg) von 28 m bei<br />
50 km/h auf 13 m bei 30 km/h Ausgangsgeschwindigkeit<br />
(MASUR et al., 1998, S. 11). Darüber hinaus ist zu beachten,<br />
dass bei Verkehrsunfällen die schadensverursachende<br />
kinetische Energie in etwa mit dem Quadrat der Aufprallgeschwindigkeit<br />
steigt (OECD, 1997, S. 78). Dies hat unter<br />
anderem zur Folge, dass die Todeswahrscheinlichkeit<br />
für einen Fußgänger bei einem Zusammenprall mit einem<br />
Kraftfahrzeug bei einer Aufprallgeschwindigkeit von<br />
30 km/h von etwa 18 Prozent auf etwa 60 Prozent bei einer<br />
Aufprallgeschwindigkeit von 50 km/h ansteigt<br />
(KNOFLACHER <strong>und</strong> ZUKAL, 2000, S. 393; ähnlich<br />
auch OECD, 1997, S. 78 f. sowie UPI, 1997, S. 13).<br />
Eine weitergehende Geschwindigkeitsbeschränkung im innerörtlichen<br />
Bereich auf 30 km/h mit Ausnahme von<br />
Durchgangsstraßen erscheint unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit<br />
auch deshalb dringend geboten, weil sich<br />
circa 64 Prozent der Unfälle mit Personenschäden im innerörtlichen<br />
Bereich ereignen, obwohl nur circa 25 Prozent der<br />
Gesamtfahrleistungen innerorts erbracht werden<br />
(BMVBW, 2001a, S. 161). Nach einer Schätzung des <strong>Umwelt</strong>-<br />
<strong>und</strong> Prognose-Instituts (UPI, 2000) ließe sich durch<br />
eine Geschwindigkeitsbeschränkung im innerörtlichen Bereich<br />
auf 30 km/h die jährliche Anzahl der Verkehrsunfälle<br />
mit getöteten oder schwerverletzten Personen um etwa<br />
21 000 vermindern. Die günstigen Auswirkungen auf die<br />
innerörtliche Verkehrssicherheit bestätigt auch ein in den<br />
Jahren 1992 bis 1994 in der Stadt Kaiserslautern durchgeführtes<br />
Modellprojekt (METZ <strong>und</strong> TOPP, 1995).<br />
9.2.2.2 Außerörtlicher Bereich<br />
544. Für den außerörtlichen Bereich – <strong>und</strong> hier insbesondere<br />
für die B<strong>und</strong>esautobahnen – wird von Gegnern einer<br />
Geschwindigkeitsbeschränkung häufig geltend gemacht,<br />
dass lediglich ein sehr geringer Anteil der Verkehrsunfälle<br />
auf Geschwindigkeiten jenseits von 130 km/h entfällt (Wissenschaftlicher<br />
Beirat BMV, 1991, S. 129). Diese Argu-<br />
Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />
mentation greift jedoch zu kurz, denn wie oben bereits erläutert,<br />
führen Geschwindigkeitsbeschränkungen zu einer<br />
Verstetigung des Verkehrsflusses, sodass eine Abnahme unfallträchtiger<br />
Situationen (insbesondere plötzlich erforderlicher<br />
Bremsmanöver) zu erwarten ist. Ein anschauliches<br />
Beispiel für die Wirkung einer generellen Geschwindigkeitsbeschränkung<br />
bietet das von November 1973 bis<br />
März 1974 aufgr<strong>und</strong> der „Ölpreiskrise“ verhängte Tempolimit<br />
von 100 km/h, durch das die Anzahl der Getöteten <strong>und</strong><br />
Schwerverletzten auf Autobahnen um r<strong>und</strong> 50 Prozent zurückging.<br />
Diese Zahlen konnten in der nachfolgenden Zeit<br />
durch verschiedene Modellversuche mit Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />
auf einzelnen Autobahnen in Hessen <strong>und</strong><br />
Niedersachsen bestätigt werden (GOHISCH <strong>und</strong> MALOW,<br />
1999, S. 23; DURTH, 1986).<br />
Ein weiteres auf die Verkehrssicherheit bezogenes Argument<br />
der Gegner einer generellen Geschwindigkeitsbeschränkung<br />
stellt darauf ab, dass die Unfallrate auf Autobahnen<br />
in Deutschland geringer sei als in vielen<br />
anderen Ländern mit Geschwindigkeitsbeschränkung.<br />
Hieraus wird dann die Schlussfolgerung gezogen, dass<br />
Geschwindigkeitsbeschränkungen für das Unfallgeschehen<br />
irrelevant seien. Dem ist entgegen zu halten, dass solche<br />
internationalen Vergleiche aufgr<strong>und</strong> unterschiedlicher<br />
Bedingungen bezüglich Straßenzustand, Fahrzeugtechnik,<br />
Fahrverhalten <strong>und</strong> durchschnittlicher Verkehrsdichte<br />
nur geringe Aussagekraft haben.<br />
Ein drittes auf die Verkehrssicherheit bezogene Argument<br />
der Gegner einer generellen Geschwindigkeitsbeschränkung<br />
auf Autobahnen besteht darin, dass die derzeit nur<br />
abschnittsweise geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />
besondere Gefahrenpunkte markieren, die bei einer<br />
generellen Geschwindigkeitsbeschränkung für den<br />
Autofahrer nicht mehr erkennbar wären (Wissenschaftlicher<br />
Beirat BMV, 1991, S. 129). Auch diese Argumentation<br />
greift zu kurz. Denn bei einer generellen Geschwindigkeitsbeschränkung<br />
auf bspw. 120 km/h blieben<br />
selbstverständlich diejenigen abschnittsweisen Geschwindigkeitsbeschränkungen,<br />
die aufgr<strong>und</strong> besonderer<br />
Gefahrenpunkte eine Höchstgeschwindigkeit unterhalb<br />
von 120 km/h erfordern, weiterhin gültig. Zudem ist es<br />
jederzeit möglich, besondere Gefahrenpunkte durch<br />
Warnhinweise zu kennzeichnen.<br />
545. Auch die an Bedeutung zunehmende Rolle<br />
Deutschlands als Transitland innerhalb der Europäischen<br />
Union lässt eine allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung<br />
auf B<strong>und</strong>esautobahnen unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit<br />
als ratsam erscheinen. Gegenwärtig ist<br />
Deutschland das einzige Land innerhalb der EU, in dem<br />
keine solche Geschwindigkeitsbeschränkung gilt (Tab. 9-5).<br />
Dies bedeutet für Kfz-Fahrer aus anderen EU-Mitgliedstaaten,<br />
dass sie in Deutschland auf für sie ungewohnte<br />
Verkehrsverhältnisse mit extremen Spitzengeschwindigkeiten<br />
treffen, wodurch sich erhebliche Verkehrsrisiken<br />
ergeben. Insoweit könnte die Einführung einer allgemeinen<br />
Geschwindigkeitsbeschränkung auf deutschen Autobahnen<br />
zu einer Harmonisierung der europaweiten Verkehrsverhältnisse<br />
<strong>und</strong> damit zu mehr Verkehrssicherheit<br />
beitragen.<br />
Im Übrigen erachtet der SRU insbesondere auch mit<br />
Blick auf die Regelungen in den anderen EU-Staaten die<br />
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