Umwelt und Straßenverkehr
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auch in unterschiedlichem Maße in der Lage, die Aktionen<br />
ihrer Mitgliedsunternehmen wirksam zu koordinieren.<br />
So können die deutschen <strong>und</strong> europäischen Verbände<br />
der Automobilhersteller (VDA, ACEA) aufgr<strong>und</strong> des relativ<br />
hohen Organisationsgrades in diesem Sektor gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
für ihre Mitgliedsunternehmen sprechen <strong>und</strong> gemeinsam<br />
mit staatlichen Akteuren <strong>Umwelt</strong>qualitätsziele<br />
aushandeln. Dies stellt eine entscheidende Voraussetzung<br />
für kooperative Steuerungsformen in der <strong>Umwelt</strong>politik<br />
dar. Umgekehrt ist die Koordinationsfähigkeit der Verbände<br />
der privaten <strong>und</strong> gewerblichen Kfz-Nutzer<br />
(ADAC, IRU) gegenüber ihren Mitgliedern aufgr<strong>und</strong> deren<br />
Vielzahl <strong>und</strong> Heterogenität nur gering. Im Gütertransportsektor<br />
hat die mit dem Ausbau des europäischen Binnenmarktes<br />
verb<strong>und</strong>ene Deregulierung die Heterogenität<br />
der nationalen Branchenverbände noch weiter verstärkt<br />
<strong>und</strong> ihre Handlungs- <strong>und</strong> Strategiefähigkeit geschwächt.<br />
Private Autofahrer <strong>und</strong> Gütertransportunternehmen können<br />
daher gr<strong>und</strong>sätzlich eher durch ordnungsrechtliche<br />
oder ökonomische Instrumente beeinflusst werden. „Weiche“<br />
Instrumente wie etwa Selbstverpflichtungen sind<br />
aufgr<strong>und</strong> der Heterogenität dieser Zielgruppen kein adäquater<br />
Steuerungsansatz. Politischen Einfluss nehmen<br />
Kfz-Nutzer <strong>und</strong> Güterverkehrsunternehmen vor allem<br />
durch öffentlichkeitswirksame Protestorganisationen <strong>und</strong><br />
Androhung von Wählermobilisation.<br />
96. Den organisierten Anbieter- <strong>und</strong> Nutzerinteressen<br />
stehen die organisierten <strong>Umwelt</strong>interessen primär in einem<br />
Konfliktverhältnis gegenüber, was aber gemeinsame<br />
Schnittmengen – speziell im Bereich technischer <strong>Umwelt</strong>innovationen<br />
– nicht ausschließt. In Deutschland sind<br />
insgesamt mehr als 5 Millionen Menschen in <strong>Umwelt</strong>schutzverbänden<br />
organisiert. Alleine den im Deutschen<br />
Naturschutzring (DNR) vertretenen 94 <strong>Umwelt</strong>- <strong>und</strong> Naturschutzgruppen<br />
gehören nach Angaben des DNR über<br />
5,2 Millionen Einzelmitglieder an (DNR, 2005). Damit<br />
ist der Organisationsgrad der <strong>Umwelt</strong>bewegung in<br />
Deutschland auch im Industrieländervergleich relativ<br />
hoch (JÄNICKE <strong>und</strong> WEIDNER, 1997). Im Verkehrsbereich<br />
nutzen <strong>Umwelt</strong>gruppen <strong>und</strong> -verbände eine Vielzahl<br />
von Aktionsformen von lokalen Protestaktionen über die<br />
Erarbeitung wissenschaftlicher Expertisen bis hin zur<br />
Teilnahme an Anhörungen im Gesetzgebungsverfahren<br />
(ausführlich SRU, 1996, Kap. 3). Aufgr<strong>und</strong> der oben beschriebenen<br />
tendenziellen Geschlossenheit verkehrspolitischer<br />
Akteursnetzwerke sind die Möglichkeiten der<br />
Teilnahme von <strong>Umwelt</strong>verbänden am politischen Entscheidungsfindungsprozess<br />
jedoch eher gering.<br />
Anders als bei den Industrieverbänden ist der Einfluss der<br />
<strong>Umwelt</strong>verbände auf die umweltpolitische Entscheidungsfindung<br />
im Verkehrsbereich auf der EU-Ebene in<br />
einzelnen Themenfeldern größer als auf der nationalen<br />
Ebene. So existiert innerhalb der Europäischen Union<br />
eine langjährige Tradition der „künstlichen Stärkung“ von<br />
<strong>Umwelt</strong>verbänden durch die EU-Kommission. Die Generaldirektion<br />
<strong>Umwelt</strong> verfolgt damit vor allem zwei Ziele:<br />
die Unterstützung ihrer Vorschläge auf der nationalstaatlichen<br />
Ebene durch national agierende <strong>Umwelt</strong>verbände<br />
<strong>und</strong> die Steigerung der Legitimation ihrer umweltpolitischen<br />
Vorschläge durch den Vergleich mit den radikale-<br />
Einflusspotenzial <strong>und</strong> Interessenlagen nichtstaatlicher Akteure<br />
ren Positionen der <strong>Umwelt</strong>verbände (HEY, 1998, S. 111;<br />
HEY <strong>und</strong> BRENDLE, 1994, S. 383 f.; HEY, 2001). Im<br />
Verkehrsbereich gelang es den <strong>Umwelt</strong>verbänden wiederholt,<br />
ein Teil breiterer Koalitionen für strengere Emissionsgrenzwerte<br />
für Kraftfahrzeuge zu sein (vgl.<br />
WURZEL, 2002). Hinsichtlich der Berücksichtigung externer<br />
Kosten bei der Wegekostenanrechnung gab es<br />
mehrfach auch Interessenkongruenzen zwischen <strong>Umwelt</strong>verbänden<br />
<strong>und</strong> der EU-Kommission (vgl. HEY, 1998;<br />
KUX <strong>und</strong> WICKI, 2000).<br />
Zur Modernisierungsfunktion des <strong>Umwelt</strong>schutzes<br />
im <strong>Straßenverkehr</strong>ssektor<br />
97. Die vergleichsweise starke Vetomacht des Automobilsektors<br />
in Ländern wie Deutschland wird teilweise<br />
durch die Funktionsbedeutung relativiert, die speziell der<br />
staatliche <strong>Umwelt</strong>schutz für den internationalen Innovationswettbewerb<br />
dieser Industrie besitzt. Für die in diesem<br />
Gutachten betonte Leistungsfähigkeit umwelttechnischer<br />
Maßnahmen an der Quelle hat dies besondere Bedeutung.<br />
Der SRU unterstreicht die auf diesem Gebiet liegenden<br />
Chancen für den Innovationswettbewerb der deutschen<br />
Automobilindustrie. Der internationale Wettbewerb dieses<br />
Sektors wird zunehmend auch von umwelt- <strong>und</strong> klimapolitischen<br />
Regulierungen von Vorreiterländern bestimmt:<br />
„The regulatory drive (…) has forced companies<br />
to compete against each other on environmental criteria“<br />
(McLAUCHLIN, 2004; vgl. SRU, 2002). Diese Tendenz<br />
konnte bereits bei der Einführung der Katalysatortechnik<br />
beobachtet werden, die auf einem regulativen Trend basierte,<br />
den die USA <strong>und</strong> Japan auslösten. Ähnlich hat sich<br />
die EU als Trendsetter bei den Euro-Normen oder beim<br />
Altautorecycling erwiesen, was Anpassungszwänge außereuropäischer<br />
Autokonzerne mit sich brachte. Der Klimaschutz<br />
scheint einen neuen regulativen Wettbewerb<br />
auszulösen. Bei sparsamen Dieselmotoren war dies die<br />
deutsche Kfz-Steueränderung von 1997. Für den Hybridmotor<br />
hat Japan mit dem Top-runner-approach eine neue<br />
R<strong>und</strong>e des klimabezogenen Innovationswettbewerbs eröffnet.<br />
Dieser Regelungsmodus wurde mit der kalifornischen<br />
Regulierung der Durchschnittsverbräuche neu zugelassener<br />
Fahrzeuge übernommen (Verringerung um<br />
30 Prozent bis 2016). Inzwischen haben sieben weitere<br />
US-B<strong>und</strong>esstaaten angekündigt, dieser Regelung zu folgen.<br />
Das Europäische Parlament hat sich jüngst für europäische<br />
Höchstverbrauchstandards für Neuwagen in Anlehnung<br />
an die kalifornische Regelung ausgesprochen<br />
(European Parliament, 2005). Schließlich hat China eine<br />
Regelung des Höchstverbrauchs für 32 verschiedene Gewichtsklassen<br />
von PKW <strong>und</strong> LKW beschlossen, die 2005<br />
<strong>und</strong> in einer verschärften Version 2008 in Kraft treten<br />
wird. Die Standards sind zwar weniger ambitioniert als in<br />
Kalifornien, übertreffen aber die nationalen US-Standards<br />
deutlich (WRI, 2004).<br />
Der SRU hat 2002 die These vertreten, dass sich umwelttechnische<br />
Innovationen meist im Wechselspiel mit staatlichen<br />
Fördermaßnahmen ausbreiten <strong>und</strong> zugleich wachsende<br />
Bedeutung im Innovationswettbewerb haben, was<br />
für Länder wie Deutschland besondere Chancen eröffnet<br />
(SRU, 2002, Tz. 42 ff.; JÄNICKE, 2000). Es gibt kaum<br />
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