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Umwelt und Straßenverkehr

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474. Eine planerische Koordinierung ist zwar offensichtlich<br />

unverzichtbar. Das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht<br />

hat insoweit bereits von rechtlicher Seite deutlich gemacht,<br />

dass Verkehrsbeschränkungen nach § 45 StVO jedenfalls<br />

nicht durch Verlagerung der Verkehrsströme zu<br />

Unzuträglichkeiten an einer anderen Stelle <strong>und</strong> insgesamt<br />

zu einer verschlechterten Gesamtbilanz führen dürfen.<br />

Gleichwohl fehlt eine planungsrechtliche Einbettung der<br />

straßenverkehrsrechtlichen Verkehrslenkung. Im Gegenteil<br />

steht das geltende <strong>Straßenverkehr</strong>srecht einer integrierten<br />

Betrachtung <strong>und</strong> Steuerung des Verkehrs aus drei<br />

Gründen sogar eher entgegen: Erstens ist dieses Recht<br />

noch deutlich von einer segmentierten Betrachtung geprägt;<br />

ein rein medialer <strong>Umwelt</strong>schutz, wie er straßenverkehrsrechtlich<br />

in § 40 Abs. 2 BImSchG für verkehrsbedingte<br />

Luftverunreinigungen normiert worden ist,<br />

entspricht von vorneherein nicht den Erfordernissen eines<br />

integrativen <strong>Umwelt</strong>schutzes (Tz. 528). Zweitens ist problematisch,<br />

dass die Instrumente des <strong>Straßenverkehr</strong>srechts<br />

– trotz der erwähnten planerischen <strong>und</strong> ökologischen<br />

Elemente – wesentlich noch als reines<br />

Verkehrsordnungsrecht begriffen werden, das nicht flächenhaft<br />

auch zu Zwecken einer integrierten Stadt(verkehrs)entwicklung<br />

eingesetzt werden dürfe (s. auch dazu<br />

<strong>und</strong> zu der kritikwürdigen Rechtsprechung des BVerwG,<br />

Tz. 531). Schließlich – drittens – wird die planerische <strong>und</strong><br />

netzbezogene Abstimmung der straßenverkehrsrechtlichen<br />

Maßnahmen wesentlich dadurch erschwert, dass die<br />

Vollzugskompetenzen – dem ordnungsrechtlichen Verständnis<br />

entsprechend – weit gehend bei den <strong>Straßenverkehr</strong>sbehörden<br />

angesiedelt sind <strong>und</strong> nicht bei den für die<br />

integrierte Verkehrsplanung allgemein zuständigen Gemeinden.<br />

Ein modernes Verkehrsrecht sollte demgegenüber der<br />

Einsicht Rechnung tragen, dass die gemeinwohlverträgliche<br />

<strong>und</strong> sichere Gestaltung des Ortsverkehrs durch inkrementale<br />

sicherheitsrechtliche Anordnungen nicht zu erreichen<br />

ist, sondern eben ein integratives planerisches<br />

Vorgehen erfordert. Diese Planung kann nur Aufgabe <strong>und</strong><br />

Verantwortung der Gemeinden oder Gemeindeverbände<br />

sein, die daher auch die erforderlichen Anordnungsbefugnisse<br />

erhalten müssen.<br />

Das Straßenrecht<br />

475. In der straßenrechtlichen Widmungsakte, durch die<br />

der Baulastträger den Nutzungszweck, aber auch die<br />

Grenzen der Nutzung festlegt, wird teilweise eine Möglichkeit<br />

für die Gemeinden gesehen, ihrerseits Verkehrslenkung<br />

ggf. nach Maßgabe des kommunalen Verkehrskonzepts<br />

zu betreiben. Das straßenrechtliche<br />

Nutzungsstatut könne unter Umständen detaillierte Aussagen<br />

über die Benutzung der Gemeindestraßen vorsehen<br />

wie beispielsweise die Einrichtung von Busspuren,<br />

Zonenregelungen, Abbiegeverboten <strong>und</strong> Einbahnstraßen<br />

bzw. Sackgassensystemen (DANNECKER, 1997). Soweit<br />

diese Auslegung auch von der Rechtsprechung getragen<br />

wird, kann damit das <strong>Straßenverkehr</strong>srecht einen<br />

Ausweg aus dem oben geschilderten Kompetenzdilemma<br />

bieten. Es böte den Gemeinden erforderliche Zuständigkeiten<br />

für die Umsetzung ihrer Verkehrsplanung. Eine<br />

230<br />

Maßnahmen in der Verkehrswege- <strong>und</strong> Raumplanung<br />

Gesamtverkehrsplanungspflicht oder ein integriertes Planungsverfahren<br />

sieht das Straßenrecht freilich nicht vor.<br />

Das Straßen- <strong>und</strong> Wegerecht stellt mithin ein ausbaufähiges<br />

Vollzugsinstrument für planerische Überlegungen auf<br />

dem Gebiet des <strong>Straßenverkehr</strong>s dar, bietet aber – wie das<br />

<strong>Straßenverkehr</strong>srecht – keine rechtlichen Maßstäbe für<br />

eine das kommunale Verkehrsgeschehen insgesamt in den<br />

Blick nehmende Planung.<br />

Die Bauleitplanung<br />

476. Die Bauleitplanung kann <strong>und</strong> sollte durch konzeptionell<br />

begründete Standortentscheidungen durchaus erhebliche<br />

Teilbeiträge zu einer sachgerechten Verkehrspolitik<br />

liefern. Durch die Bebauungsplanung sollte<br />

insbesondere die Entflechtung von vielbefahrenen Verkehrsstrecken<br />

<strong>und</strong> sensiblen Wohnnutzungen angestrebt<br />

werden. Dazu bietet das Baurecht eine Reihe von zum<br />

Teil sehr detaillierten Festsetzungsmöglichkeiten bis hin<br />

zu der Möglichkeit, Schlafräume nicht straßenseitig zuzulassen.<br />

Entsprechend ihrer Hauptausrichtung auf die Ordnung<br />

<strong>und</strong> Gestaltung der Bodennutzung fehlen dem Bauplanungsrecht<br />

allerdings Festsetzungsmöglichkeiten für<br />

ein konkretes, qualifiziertes <strong>und</strong> alle kommunalen Handlungsmöglichkeiten<br />

einbeziehendes Gesamtverkehrskonzept.<br />

Eine entsprechende Anreicherung des baurechtlichen<br />

Planungsinstrumentariums ist zwar erwogen worden<br />

(BATTIS, 2001). Der genauere Vergleich des bauplanungsrechtlichen<br />

Instrumentariums mit den Erfolgsbedingungen<br />

der kommunalen Verkehrsplanung offenbart jedoch,<br />

dass das Bauplanungsrecht keinen geeigneten<br />

systematischen Rahmen für die kommunale Verkehrsplanung<br />

bietet <strong>und</strong> dass es vielmehr darauf ankommen muss,<br />

ein selbstständig zu fassendes Verkehrsplanungsrecht<br />

durch geeignete Abstimmungsinstrumente mit der Bauleitplanung<br />

zu verknüpfen (s. die bei KOCH et al., 2001,<br />

S. 56 ff., detailliert dargelegten Gründe).<br />

Zwar hat das Bauplanungsrecht in jüngerer Zeit Modifikationen<br />

erfahren, die seine Aufnahmefähigkeit für Belange<br />

des <strong>Umwelt</strong>schutzes neben den klassischen städtebaulichen<br />

Belangen nachdrücklich belegen (s. vor allem<br />

§ 1a BauGB). Auch haben erst jüngst in einem neuen<br />

§ 1 Abs. 9 BauGB die Erfordernisse der Verkehrsvermeidung<br />

ausdrückliche Erwähnung als Planungsbelang gef<strong>und</strong>en<br />

(eingefügt durch das Gesetz zur Anpassung des<br />

Baugesetzbuches an EU-Richtlinien, vom 24. Juni 2004,<br />

BGBl. I, S. 1359). Dies ändert jedoch nichts daran, dass<br />

das Bauplanungsrecht strukturell nicht zur Bewältigung<br />

einer integrierten Verkehrsplanung geeignet ist: Erstens<br />

sieht das Baugesetzbuch keine vollzugskräftige Planungspflicht<br />

vor; für unbeplante Flächen wird hilfsweise auf<br />

die Maßstäbe des § 34 BauGB zurückgegriffen. Die<br />

Übertragung einer solchen Konzeption auf den Verkehrssektor<br />

würde sachlich nicht überzeugen können, da zur<br />

Bewältigung des örtlichen Verkehrsgeschehens die gestaltende,<br />

aktive Einflussnahme auf wesentliche Teile des<br />

Gemeindegebiets eine unabdingbare Voraussetzung ist.<br />

477. Des Weiteren sind – zweitens – die bislang vorhandenen<br />

Instrumente der Bauleitplanung zur Steuerung des<br />

örtlichen Verkehrsgeschehens ohne tief greifende Modifikation<br />

ihres bisherigen Charakters nicht hinreichend geeignet.<br />

Bebauungspläne kommen schon deswegen nicht

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