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Umwelt und Straßenverkehr

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1996). Es sind die Kirchen, die neben den <strong>Umwelt</strong>verbänden<br />

als einzige noch bedeutsame gesellschaftliche Institutionen<br />

für eine „maßvolle“ Mobilitätskultur eintreten<br />

(Ökumenischer Rat der Kirchen, 1998).<br />

112. Bereits im <strong>Umwelt</strong>gutachten 1994 (SRU, 1994,<br />

Kap. III.1) hat der SRU betont, dass es zum Verständnis<br />

des Verkehrsverhaltens erforderlich sei, Beweggründe zu<br />

berücksichtigen, die in gr<strong>und</strong>legenden Antriebsstrukturen<br />

des Menschen verankert sind. Diese Beweggründe prägen<br />

auch Rechtsordnung <strong>und</strong> Verkehrspolitik, was umfassend<br />

in Rechnung zu stellen ist. Folgende Bedürfnisse wurden<br />

vom SRU als hauptsächliche Faktoren genannt:<br />

– Selbstbestimmung,<br />

– Gleichbehandlung,<br />

– soziale Geltung.<br />

Diese Bedürfnisse haben sich seither nicht wesentlich<br />

verändert. Der SRU kam 1994 nach einer Analyse dieser<br />

Faktoren zu dem plausiblen Schluss, der MIV sei die den<br />

„elementaren Bedürfnisstrukturen des Menschen am<br />

meisten adäquate Form des Mobilitätsverhaltens <strong>und</strong> von<br />

daher in seinem Kern legitim“ (SRU, 1994, Tz. 633;<br />

wortgleich FELDHAUS, 1998, S. 60). Daher tragen Befürworter<br />

einer gr<strong>und</strong>sätzlichen Wende in der Verkehrspolitik,<br />

sofern sie Maßnahmen zur Beschränkung oder<br />

weiteren Regulierung des MIV vorschlagen, eine besondere<br />

Begründungslast gegenüber der Öffentlichkeit. Sie<br />

müssen zeigen, dass durch diese Maßnahmen die Realisierung<br />

der als legitim erkannten elementaren Bedürfnisstrukturen<br />

bzw. Werte entweder nicht nennenswert beeinträchtigt<br />

wird oder dass eine maßvolle Einschränkung<br />

durch höhere Gr<strong>und</strong>sätze – etwa durch umweltpolitische<br />

Zielsetzungen – überzeugend gerechtfertigt werden kann.<br />

4.2.2 Selbstbestimmung <strong>und</strong> Individualität<br />

113. Der Wert der Selbstbestimmung bezieht sich auf<br />

eine eigenständige <strong>und</strong> unabhängige Planung des persönlichen<br />

Mobilitätsverhaltens <strong>und</strong> damit auf die folgenden<br />

Vorzüge des MIV, die von öffentlichen Verkehrsträgern<br />

nicht erreicht werden können:<br />

– Transport von Personen <strong>und</strong> Gütern ohne Wechsel des<br />

Verkehrsträgers (Umsteigen, Umladen etc.). Hierdurch<br />

verbindet sich das Bedürfnis nach Selbstbestimmung<br />

mit den Werten der Zeitersparnis <strong>und</strong> der Bequemlichkeit.<br />

Diese Werte sind Umfragen zufolge<br />

ausschlaggebend für die Wahl des Verkehrsmittels bei<br />

dem Weg zum Arbeitsplatz.<br />

– Ständige Verfügbarkeit des Automobils gemäß individueller<br />

Präferenzen. Hierdurch passt der MIV zu den<br />

Tendenzen einer „R<strong>und</strong>-um-die-Uhr“-Gesellschaft mit<br />

individualisierten Zeitbudgets <strong>und</strong> -profilen. Hier erscheint<br />

Selbstbestimmung als Unabhängigkeit von den<br />

Vorgaben durch Fahrpläne.<br />

– Der Wert der Unabhängigkeit bezieht sich unter anderem<br />

auch auf die Möglichkeit, Arbeitsplätze auch in<br />

größerer Entfernung vom Wohngebiet zu erreichen.<br />

Dadurch erhöht sich die Unabhängigkeit von Arbeit-<br />

Kulturelle Aspekte der Verkehrsnachfrage<br />

nehmern gegenüber örtlichen Arbeitgebern. Dies<br />

wurde <strong>und</strong> wird in ländlichen Gebieten häufig als Befreiung<br />

aus patrimonialen Strukturen <strong>und</strong> als Verbesserung<br />

der Berufschancen empf<strong>und</strong>en.<br />

– Die Orte der Freizeitgestaltung sind räumlich dispers<br />

angeordnet. Die zunehmenden freizeitbezogenen<br />

Transportbedarfe (einschließlich der Besuche von Familienmitgliedern<br />

oder Fre<strong>und</strong>en) sind daher vielfach<br />

nicht durch den öffentlichen Personenverkehr zu erfüllen.<br />

– Das Automobil ermöglicht durch die Isolierung in der<br />

Fahrerkabine eine Abgrenzung gegenüber anderen<br />

Personen, die im öffentlichen Personenverkehr nicht<br />

besteht. Dadurch gewährt es eine Art von Privatsphäre<br />

während der Verkehrsteilnahme. Die räumlich-leibliche<br />

Separiertheit von anderen Personen ist ein Faktor,<br />

der psychologisch nicht unterschätzt werden sollte, da<br />

im öffentlichen Personenverkehr häufig diejenigen<br />

Distanzen zu anderen, zumeist unbekannten, womöglich<br />

unangenehm wirkenden Personen unterschritten<br />

werden, die normalerweise gewahrt bleiben. Selbst im<br />

Stau sichert die Fahrerkabine diese Distanz.<br />

– Die Fahrerkabine wird zunehmend so ausgebaut, dass<br />

sie hinsichtlich der Ausstattung vielfach kaum hinter<br />

dem Komfort eines Wohnraumes zurückbleibt. Beispielweise<br />

stehen im Automobil regelmäßig komfortable<br />

Sitze, Klimaanlagen, hochwertige Radios oder<br />

CD-Player zur Verfügung. Durch die Verwandlung des<br />

Automobils in ein „zweites Heim“ lässt sich auch im<br />

Massenverkehr oder im Stau ein hoher Grad an persönlicher<br />

Autonomie aufrechterhalten.<br />

114. Angesichts dieser Wertvorstellungen ist davon auszugehen,<br />

dass die überwiegende Mehrheit der erwachsenen<br />

Personen über einen Zugang zu einem eigenen PKW<br />

verfügen möchte. Die für die Verkehrsreduktion entscheidende<br />

Variable ist daher die Intensität der Nutzung des<br />

PKW. Mobilität, die aus der Verfügbarkeit über einen<br />

PKW erwächst, wird nicht dadurch eingeschränkt, dass<br />

Personen aus freien Stücken die Intensität der Nutzung<br />

reduzieren (vgl. Tz. 128 zur Begrifflichkeit). Denkbar ist<br />

auch, dass eine veränderte Umgangsweise mit Automobilen<br />

einen positiv bewerteten Zugewinn an persönlicher<br />

Unabhängigkeit bedeuten kann. Die Aussichten, dass<br />

PKW-Besitzer ihren PKW weniger intensiv nutzen, werden<br />

allerdings dadurch eingeschränkt, dass bei den alltäglichen<br />

Entscheidungen vielfach nur ein Teil der tatsächlich<br />

mit der PKW-Benutzung verb<strong>und</strong>enen Kosten<br />

berücksichtigt <strong>und</strong> mit den Kosten alternativer Verkehrsmittel<br />

verglichen werden. So werden zwar die Kosten des<br />

benötigten Kraftstoffs <strong>und</strong> der Reisezeit berücksichtigt, in<br />

der Regel jedoch nicht die durch die Fahrt verursachten<br />

zusätzlichen Werkstattkosten für Wartung <strong>und</strong> Ersatz von<br />

Verschleißteilen, das zusätzliche Unfallrisiko <strong>und</strong> die entstehende<br />

Wertminderung des Fahrzeugs. Nach<br />

MICHAELIS (2004) liegt die Summe der letzteren drei<br />

Kostenblöcke in der gleichen Größenordnung wie die<br />

Summe der Kraftstoffkosten <strong>und</strong> der Reisezeitkosten. Insofern<br />

könnten Maßnahmen, mit denen diese „vernachlässigten“<br />

Kosten stärker ins Bewusstsein der Autofahrer<br />

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