Umwelt und Straßenverkehr
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<strong>Umwelt</strong> <strong>und</strong> <strong>Straßenverkehr</strong><br />
Hohe Mobilität – <strong>Umwelt</strong>verträglicher Verkehr<br />
1 Einleitung<br />
1. Die negativen Auswirkungen des motorisierten <strong>Straßenverkehr</strong>s<br />
auf die Ges<strong>und</strong>heit der Bevölkerung <strong>und</strong> die<br />
natürlichen Lebensgr<strong>und</strong>lagen stehen seit Jahrzehnten im<br />
Zentrum umweltpolitischer Auseinandersetzungen. Bereits<br />
1973 hat der SRU dem Thema „Auto <strong>und</strong> <strong>Umwelt</strong>“<br />
sein erstes Sondergutachten gewidmet (SRU, 1973).<br />
R<strong>und</strong> 20 Jahre später hat er im <strong>Umwelt</strong>gutachten 1994<br />
„Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung“ eine<br />
skeptische Bilanz der Verkehrspolitik gezogen <strong>und</strong> ihre<br />
Orientierung an einem Begriff von Mobilität gefordert,<br />
der das Verkehrswachstum in die Schranken dauerhaftumweltgerechter<br />
Entwicklung weist (SRU, 1994). Seither<br />
haben sich zahlreiche Institutionen mit Konzepten für<br />
eine nachhaltige Mobilität befasst (z. B. Deutscher B<strong>und</strong>estag,<br />
1994; UBA, 1995; EEA, 2002, 2004; OECD,<br />
2002).<br />
2. Nach mehr als drei Jahrzehnten umweltorientierter<br />
Verkehrspolitik ist die Bilanz ambivalent. Auf der einen<br />
Seite haben erhebliche politische Bemühungen auf nationaler<br />
<strong>und</strong> europäischer Ebene, technische Innovationen<br />
<strong>und</strong> ihre Umsetzung in der Automobilindustrie sowie<br />
neue Konzepte <strong>und</strong> Instrumente in der Verkehrswegeplanung<br />
<strong>und</strong> in der kommunalen Verkehrspolitik zweifellos<br />
wichtige Erfolge vorzuweisen. Die Kraftfahrzeuge sind<br />
leiser geworden, Kraftstoffe <strong>und</strong> Motoren wesentlich<br />
schadstoffärmer. Der passive Schallschutz für die Bevölkerung<br />
ist mit hohen Kosten stark ausgebaut worden, die<br />
kommunale Verkehrspolitik ist nicht mehr am einseitigen<br />
Leitbild der „autogerechten“ Stadt orientiert. Auf der anderen<br />
Seite hat vor allem das ungebremste Verkehrsmengenwachstum<br />
die technischen <strong>und</strong> planerischen Erfolge<br />
in erheblichem Umfang relativiert <strong>und</strong> teilweise neue<br />
Probleme hervorgerufen. Nach wie vor ist der <strong>Straßenverkehr</strong><br />
die dominante Lärmquelle für die Bevölkerung.<br />
Trotz des 3-Wege-Katalysators ist die Stickstoffoxidbelastung<br />
durch die Kraftfahrzeuge für Mensch <strong>und</strong> Natur<br />
nach wie vor wesentlich zu hoch. Die Risiken der Feinstäube<br />
– insbesondere des Dieselrußes – werden möglicherweise<br />
Verkehrsbeschränkungen auslösen. An der<br />
Emission des Treibhausgases CO 2 ist der Kraftfahrzeugverkehr<br />
mit r<strong>und</strong> 20 Prozent beteiligt. Der permanente<br />
Verkehrswegeausbau in Deutschland hat nicht nur zu dem<br />
hierzulande besonders hohen Flächenverbrauch maßgeblich<br />
beigetragen; das engmaschige Straßennetz ist auch<br />
wesentlich mitursächlich für eine Verinselung von Naturräumen<br />
<strong>und</strong> damit für die Beeinträchtigung von Natur<br />
<strong>und</strong> Landschaft, für den Artenverlust <strong>und</strong> für den Verlust<br />
von Erholungsräumen.<br />
3. Nach alledem kann kein Zweifel daran bestehen,<br />
dass die verkehrsbedingten Auswirkungen auf <strong>Umwelt</strong><br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit noch immer unannehmbar hoch sind.<br />
Berücksichtigt man, dass in Deutschland weiterhin ein<br />
hohes Wachstum des Güterverkehrs <strong>und</strong> immerhin ein<br />
moderates Wachstum des Personen-, insbesondere des<br />
motorisierten Individualverkehrs, zu erwarten sind, so<br />
sind große Herausforderungen für die Verkehrsumweltpolitik<br />
offenk<strong>und</strong>ig. Da das Verkehrsmengenwachstum<br />
für die Misserfolge der Verkehrsumweltpolitik entscheidend<br />
ursächlich ist, muss – im Gegensatz zu vielen öffentlichen<br />
Verlautbarungen maßgeblicher Entscheidungsträger<br />
– am Anfang jeder weiteren Betrachtung die<br />
Einsicht der Verkehrswissenschaft stehen, dass Mobilität,<br />
verstanden als Summe der Möglichkeiten, Interessen<br />
durch Ortsveränderungen zu realisieren, keineswegs<br />
mit wachsendem Verkehr steigt, sondern im Verkehrsmengenwachstum<br />
unter Umständen drastische Einbußen<br />
hinnehmen muss. Deshalb muss die entscheidende Zielgröße<br />
einer dauerhaft-umweltgerechten Verkehrspolitik<br />
die Mobilität der Bürger sein. Hohe Mobilität <strong>und</strong> auch<br />
ein Mobilitätswachstum sind mit weniger (Kraftfahrzeug-)Verkehr<br />
möglich. Allerdings ist eine solche Verkehrspolitik<br />
schwierig <strong>und</strong> voraussetzungsvoll. Sie muss<br />
auf Strukturveränderungen zielen, unter anderem auf<br />
verkehrssparende Siedlungsstrukturen, <strong>und</strong> dabei sicherstellen,<br />
dass keine kontraproduktiven staatlichen Anreizprogramme<br />
wie die Pendlerpauschale <strong>und</strong> die Eigenheimförderung<br />
eine adäquate Raumplanung zunichte<br />
machen.<br />
4. Zugleich ist aber zu betonen, dass es den „Königsweg“<br />
einer Verkehrswende hin zu dauerhaft-umweltgerechter<br />
Mobilität sicher nicht gibt. Eine erfolgreiche<br />
Verkehrsumweltpolitik erscheint ohne einen breiten Instrumentenmix,<br />
einen Multiimpulsansatz, nicht möglich.<br />
Erst eine große Fülle zahlreicher, auch kleiner Schritte<br />
bietet Aussichten, das Mobilitätspotenzial des Kraftfahrzeugverkehrs<br />
auszuschöpfen <strong>und</strong> zugleich die untragbaren<br />
Belastungen für <strong>Umwelt</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit auf ein<br />
hinnehmbares Belastungsniveau abzusenken. Deshalb<br />
umfasst das nachfolgende Gutachten – erstens – alle<br />
Handlungsebenen, von der Europäischen Union über die<br />
Mitgliedstaaten, die B<strong>und</strong>esländer bis hin zu den Kommunen,<br />
– zweitens – alle strategischen Ansatzpunkte, von<br />
der Ausschöpfung technischer Potenziale <strong>und</strong> der Suche<br />
nach technischen Innovationen über die Raum- <strong>und</strong> Fachplanung<br />
bis hin zur kommunalen Verkehrsplanung,<br />
– drittens – eine Vielzahl von Instrumenten zur Lenkung<br />
des Verkehrs, seien es ökonomische, seien es ordnungs-<br />
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