Umwelt und Straßenverkehr
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<strong>und</strong> des Wirtschaftsverkehrs mit dem LKW. Umgekehrt<br />
reduzieren sich die mit dem PKW bzw. dem LKW zurückgelegten<br />
Verkehrswege umso mehr, je intensiver ein<br />
Raum genutzt wird <strong>und</strong> je differenzierter die einzelnen<br />
Nutzungsarten in diesem Raum sind. Dichte, Kompaktheit<br />
<strong>und</strong> Nutzungsmischung gelten als wichtige siedlungsstrukturelle<br />
Faktoren, die mit verkehrssparendem Verhalten<br />
korrespondieren (LANZENDORF <strong>und</strong> SCHEINER,<br />
2004; BUNGE, 2000, S. 80; APEL et al., 1997, S. 417;<br />
HOLZ-RAU, 1996, S. 75; s. auch Deutscher B<strong>und</strong>estag,<br />
1996, S. 91 f.). Sie sind zugleich maßgeblich für einen<br />
hohen Anteil umweltfre<strong>und</strong>licher Verkehrsmittel (Fußgänger-<br />
<strong>und</strong> Radverkehr, ÖPNV) am Gesamtverkehrsaufkommen.<br />
643. Die Wechselwirkungen zwischen Raumstrukturen<br />
<strong>und</strong> Verkehrserzeugung sind evident (Tz. 417 ff.). Gleichwohl<br />
sind in der Vergangenheit verkehrssparende Siedlungsstrukturen<br />
vielfach nicht hinreichend durchgesetzt<br />
worden. Zwar wurden in der Raumordnung durchaus<br />
Siedlungsstrukturen angestrebt, die flächensparend wirken<br />
<strong>und</strong> die Verkehrsachsen bündeln sollten. Dies gilt vor<br />
allem für das Konzept der Siedlungskonzentration auf<br />
zentrale Orte <strong>und</strong> Verdichtungsräume sowie auf Achsen<br />
des Nahverkehrs. In der Praxis wurden diese Entwicklungsprinzipien<br />
jedoch nur unzureichend verwirklicht.<br />
Zum Teil werden diese raumordnerischen Konzepte zudem<br />
maßgeblich durch finanzielle Anreize unterschiedlicher<br />
Art (Tz. 633 ff.) <strong>und</strong> durch kommunale Planungen<br />
konterkariert, insbesondere durch die Bauleitplanung,<br />
aber auch durch Planungen für Einzelhandelskonzepte<br />
etwa in Form überdimensionierter Factory-Outlet-Center<br />
auf der „grünen Wiese“. Insgesamt ist es trotz verfügbarer<br />
<strong>und</strong> fortentwickelter gesetzlicher Gr<strong>und</strong>lagen zu raumordnerischen<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen (Tz. 649 ff.) sowie raumordnerischen<br />
<strong>und</strong> bauleitplanerischen Instrumenten (Tz. 658 ff.)<br />
nicht gelungen, Radiuserweiterungen, dispersen Siedlungsstrukturen<br />
<strong>und</strong> Entmischung ausreichend wirksam<br />
zu begegnen <strong>und</strong> damit eine wenn auch nicht hinreichende,<br />
so aber jedenfalls notwendige Bedingung zur<br />
Verkehrsvermeidung <strong>und</strong> Verkehrsverlagerung auf den<br />
ÖPNV zu schaffen.<br />
644. Die B<strong>und</strong>esregierung strebt in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie<br />
an, bis 2020 die Flächeninanspruchnahme<br />
um 75 Prozent gegenüber 2000 zu reduzieren. Dies wird<br />
ohne eine Korrektur der Trends zur dispersen Siedlungsentwicklung<br />
nicht gelingen (SRU, 2004, Tz. 212 f.). Die<br />
damit erforderliche Raumstrukturpolitik sollte dabei auch<br />
im Hinblick auf ihre verkehrsvermeidenden Effekte weiterentwickelt<br />
werden.<br />
10.4.1 Zunehmende Suburbanisierung<br />
645. Das Städtewachstum in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland ist durch einen zunehmenden Suburbanisierungsprozess<br />
geprägt. Bevölkerung, Dienstleistung, Handel<br />
<strong>und</strong> Gewerbe verlagern sich aus den Städten heraus in<br />
das Umland. Innerhalb der Agglomerationen <strong>und</strong> innerhalb<br />
von verstädterten Räumen konzentriert sich das Bevölkerungs-<br />
<strong>und</strong> Arbeitsplatzwachstum auf das Umland<br />
der Kernstädte. Nicht mehr die Stadt, sondern ihr Umland<br />
wächst, <strong>und</strong> zwar immer weiter über die administrativen<br />
Grenzen der Kernstädte hinaus (BBR, 2000, S. 332;<br />
Verkehrserzeugende Raumstrukturen <strong>und</strong> ihre Korrekturen<br />
s. hierzu auch das Trendszenario zur Fortentwicklung der<br />
Raumstrukturen in Deutschland in STIENS, 2003). Seit<br />
der Wiedervereinigung findet Suburbanisierung auch in<br />
den östlichen B<strong>und</strong>esländern statt. Während in den westlichen<br />
B<strong>und</strong>esländern überwiegend die Verlagerung von<br />
Wohnstätten ins Umland den Einzelhandel, das Gewerbe<br />
<strong>und</strong> tertiäre Dienste nach sich zieht, verläuft der Prozess<br />
in den östlichen B<strong>und</strong>esländern umgekehrt <strong>und</strong> zeitlich<br />
verkürzt: Der Verlagerung von Einzelhandel <strong>und</strong> Gewerbe<br />
ins Umland folgt dort regelmäßig das Wohnen<br />
nach (BBR, 2000, S. 75 ff.; STEIN, 2004; UBA, 2001,<br />
S. 23).<br />
646. Kennzeichnend für den fortschreitenden Suburbanisierungsprozess<br />
sind vor allem die zunehmende Radiuserweiterung,<br />
die Siedlungsdispersion <strong>und</strong> eine Entmischung<br />
der Nutzungen:<br />
Die Suburbanisierung verlagert sich immer weiter nach<br />
außen <strong>und</strong> umfasst immer weitere ländliche Gebiete (Radiuserweiterung).<br />
Das Siedlungs- <strong>und</strong> Verkehrsflächenwachstum<br />
konzentriert sich dabei nicht auf von der Landesplanung<br />
ausgewiesene zentrale Orte mit gut<br />
ausgebauter Infrastruktur, sondern auf die weniger verdichteten<br />
<strong>und</strong> ländlichen Räume, die naturgemäß weiter<br />
von der Kernstadt entfernt liegen (BBR, 2000, S. 74).<br />
Fand früher der Bau von Ein- <strong>und</strong> Zweifamilienhäusern<br />
noch am Stadtrand statt, wird mittlerweile in der Peripherie<br />
<strong>und</strong> in Achsenzwischenräumen gebaut (HABERMANN-<br />
NIEßE, 2004, S. 135; Deutscher B<strong>und</strong>estag, 1996, S. 48).<br />
Diese Entwicklung führt zu dispersen Siedlungsstrukturen<br />
(BBR, 2000, S. 74) <strong>und</strong> somit zu stark autoabhängigen<br />
Gebieten (Deutscher B<strong>und</strong>estag, 1996, S. 48).<br />
Parallel zur Wohnsuburbanisierung lassen sich zudem<br />
auch in den Bereichen des produzierenden Gewerbes <strong>und</strong><br />
des Handels sowie im Dienstleistungssektor zum Teil erhebliche<br />
Suburbanisierungstendenzen feststellen. Traditionelle<br />
Standorte werden aufgegeben <strong>und</strong> an den Stadtrand<br />
verlegt. Folge dieser funktionalen Anreicherung der<br />
Suburbanisierung ist eine intraregionale Dekonzentration<br />
von Arbeitsplätzen (BBR, 2000, S. 43, 75 f.; Deutscher<br />
B<strong>und</strong>estag, 1996, S. 27, 53). Insbesondere in den östlichen<br />
B<strong>und</strong>esländern ist ein massiver Verlust des Handels<br />
in den Kernstädten zu beobachten. Zwei Drittel der Einzelhandelsflächen<br />
befinden sich dort bereits auf der „grünen<br />
Wiese“. Aber auch in den westlichen B<strong>und</strong>esländern<br />
ist ein solcher Trend durchaus erkennbar (BBR, 2000,<br />
S. 75 f.).<br />
647. Diese Tendenzen des „Speckgürtelwachstums“ erfolgen<br />
keineswegs koordiniert, also im Sinne einer dezentralen<br />
Konzentration von Nutzungen. Standorte für Wohnen<br />
<strong>und</strong> Arbeiten, Versorgungs- <strong>und</strong> Freizeiteinrichtungen<br />
fallen vielmehr zunehmend auseinander (Entmischung).<br />
Statt einer Verdichtung unterschiedlicher Funktionen<br />
werden vielfach – planerisch <strong>und</strong> finanziell – Raumstrukturen<br />
gefördert, die einer Trennung von Nutzungsarten<br />
Vorschub leisten. Überörtliche Verkehrswege fördern die<br />
Erreichbarkeit <strong>und</strong> Attraktivität peripherer Siedlungs<strong>und</strong><br />
Produktionsstrukturen (MOTZKUS, 2004; NBBW,<br />
2004; STIENS, 2003; UBA, 2003, S. 286; BBR, 2000,<br />
S. 57 ff.). Der Ausbau der Straßennetze <strong>und</strong> der hohe<br />
Motorisierungsgrad der Bevölkerung ermöglichen die<br />
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