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Umwelt und Straßenverkehr

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<strong>Umwelt</strong>schutz in der Linienbestimmung <strong>und</strong> der straßenrechtlichen Planfeststellung<br />

kann das FFH-Regime nur dann erfolgreich verhindern,<br />

wenn es auch gegenüber Beeinträchtigungen greift, die<br />

graduell zur Verschlechterung des Erhaltungszustands<br />

beitragen können. Insofern ist es bei der Beurteilung der<br />

Erheblichkeit von Beeinträchtigungen ggf. erforderlich,<br />

das Zusammenwirken des beantragten Projektes bzw.<br />

Planes mit anderen Projekten oder Plänen zu berücksichtigen<br />

(LAMBRECHT et al., 2004, Kap. 2.6.9).<br />

458. Die Schutzwirkung der FFH-Gebiete hängt sodann<br />

entscheidend davon ab, unter welchen Voraussetzungen<br />

Eingriffe – etwa durch Straßenbau – gleichwohl zulässig<br />

sind <strong>und</strong> welcher Milderungs- <strong>und</strong> Kompensationsaufwand<br />

ggf. verlangt werden kann. Zur Frage der Eingriffszulässigkeit<br />

bestimmt § 34 BNatSchG, dass Projekte, die<br />

mit den Erhaltungszielen eines Schutzgebiets nicht vereinbar<br />

sind, dennoch zugelassen werden können, soweit<br />

dies „(1) aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses,<br />

einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher<br />

Art, notwendig ist <strong>und</strong> (2) zumutbare Alternativen,<br />

den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle<br />

ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen,<br />

nicht gegeben sind.“ Strenger bestimmt Abs. 4,<br />

dass als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen<br />

Interesses nur solche des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes, der<br />

öffentlichen Sicherheit oder insgesamt günstige <strong>Umwelt</strong>auswirkungen<br />

geltend gemacht werden können, wenn das<br />

Gebiet prioritäre Arten beherbergt oder prioritäre Lebensräume<br />

umfasst. Auch Ziele wirtschaftlicher <strong>und</strong> sozialer<br />

Art können unter Umständen Eingriffe in diesen Gebieten<br />

rechtfertigen, allerdings nur nach vorheriger Stellungnahme<br />

der EU-Kommission (Abs. 4 Satz 2).<br />

459. Diese Ausnahmebestimmungen werfen unterschiedliche<br />

Auslegungsfragen auf, die generell über die<br />

Effektivität des FFH-Gebietsschutzes entscheiden <strong>und</strong> zu<br />

denen der SRU bereits in seinem Naturschutz-Sondergutachten<br />

(SRU, 2002, Tz. 298 ff.) Stellung genommen hat.<br />

Als eines der bedeutendsten Konfliktfelder erfordert indessen<br />

die Straßenplanung eine gesonderte Betrachtung<br />

<strong>und</strong> eine spezifische Konkretisierung der Ausnahmetatbestände.<br />

Was zunächst die öffentlichen Interessen wirtschaftlicher<br />

Art betrifft, die erhebliche Beeinträchtigungen rechtfertigen<br />

können, so werden vielfach auch die allgemeinen mit<br />

einem Großprojekt verb<strong>und</strong>enen wirtschaftlichen Interessen<br />

(Arbeitsplätze, Strukturentwicklung u. ä.) in Betracht<br />

gezogen. Eine solche weite Auslegung der Ausnahmetatbestände<br />

wird dem Schutzziel der FFH-Richtlinie nicht<br />

gerecht. Das europaweite Netz aus Schutzgebieten wird<br />

sich nicht entsprechend den naturschutzfachlichen Voraussetzungen<br />

etablieren lassen, wenn es durch regionale<br />

Großprojekte aufgr<strong>und</strong> einfacher wirtschaftlicher Belange<br />

durchlöchert werden kann. Solche Interessen streiten<br />

nahezu für jedes große Infrastrukturprojekt, also vielfach<br />

auch für Fernstraßen. Deshalb müssen an die<br />

Rechtfertigung des Eingriffs durch „zwingende Gründe“<br />

des Allgemeinwohls hohe Anforderungen gestellt werden.<br />

Der Leitfaden des BMVBW zur FFH-Verträglichkeitsprüfung<br />

in der Fernstraßenplanung betont mit der<br />

Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 27. Januar 2000<br />

– 4 C 2.99 – B<strong>und</strong>esstraße B 1), dass im Rahmen<br />

der Einzelfallentscheidung<br />

– das Gewicht <strong>und</strong> die konkrete Funktion des betroffenen<br />

Gebietes besonderes zu berücksichtigen sind,<br />

– zugunsten des Vorhabens schwerwiegende Gründe<br />

(z. B. Netzanschluss im TEN) vorliegen müssen,<br />

– an die Darlegung bzw. den Nachweis der zwingenden<br />

Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses<br />

hohe Anforderungen zu stellen sind (BMVBW, 2004b,<br />

S. 63 f.).<br />

Hinsichtlich der Gründe des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes hat das<br />

BVerwG klargestellt, dass ges<strong>und</strong>heitliche Allgemeinbelange<br />

nicht genügen, um wesentliche Beeinträchtigungen<br />

eines prioritären Lebensraums zu begründen. Vielmehr<br />

muss im Einzelfall ermittelt werden, ob die jeweiligen<br />

Ziele des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes die konkreten Beeinträchtigungen<br />

prioritärer Schutzgüter rechtfertigen. Dabei<br />

muss der ges<strong>und</strong>heitsbezogene Schutzzweck eines Straßenbauvorhabens<br />

jedenfalls den Hauptzweck des Vorhabens<br />

bilden. Es reicht nicht aus, dass mit einer hauptsächlich<br />

Verkehrsbedürfnissen dienenden Umgehungsstraße<br />

auch eine Verminderung von Unfallrisiken erreicht werden<br />

kann (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2000 –<br />

4 C 2.99, BVerwG E 110, S. 315).<br />

460. Die Rechtfertigung eines Eingriffs muss auf der jeweils<br />

verantwortlichen Planungsebene geprüft werden.<br />

Sachgerecht ordnet daher § 35 Nr. 1 BNatschG an, dass<br />

die in § 34 Abs. 3 <strong>und</strong> 4 BNatSchG normierten Voraussetzungen<br />

für Ausnahmen vom Beeinträchtigungsverbot<br />

bereits bei der Linienbestimmung zu beachten sind. Bereits<br />

bei der Linienführung ist also ggf. darzulegen, welche<br />

zwingenden Gründe eine Trassierung rechtfertigen,<br />

die eine erhebliche Beeinträchtigung von FFH-Gebieten<br />

mit sich bringt.<br />

461. Maßgebliche Bedeutung kommt insoweit – gerade<br />

auch bei der Linienbestimmung – der Alternativenprüfung<br />

zu. Regelmäßig stellt sich dabei die Frage, welche<br />

anderen Streckenführungen noch als Alternativen in Betracht<br />

zu ziehen sind, oder aber als gänzlich anderes Projekt<br />

gelten müssen. Das BVerwG hat in dieser Frage den<br />

Kreis der in Betracht zu ziehenden Alternativen vergleichsweise<br />

weit gezogen. Nach dem Urteil vom<br />

17. Mai 2002 – 4 A 28.01 – A-44, Zeitschrift für <strong>Umwelt</strong>recht,<br />

2003, S. 22 ff. sind ggf. auch Einschränkungen<br />

am Grad der Zielerfüllung hinzunehmen, wenn erhebliche<br />

Beeinträchtigungen der FFH-Erhaltungsziele nicht<br />

anders zu vermeiden sind. Insbesondere sollen andere<br />

Streckenführungen, die die überregionalen Verbindungsziele<br />

erreichen, nicht schon deshalb als „Alternative“ ausscheiden,<br />

weil sie nicht auch sämtliche regionalen Ziele<br />

der Ausgangsplanung voll erfüllen können. Vielmehr<br />

müssten zur Wahrung der Erhaltungsziele des (potenziellen)<br />

Schutzgebietes auch Zugeständnisse bei der Verwirklichung<br />

regionaler Verbindungs- <strong>und</strong> Entlastungsziele<br />

hingenommen werden (vgl. FISAHN, 2003). Außerdem<br />

hat das BVerwG klargestellt, dass auch wesentlich höhere<br />

Kosten der Alternativstrecke diese nicht von vornherein<br />

für die gebotene Alternativprüfung disqualifizieren. Viel-<br />

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