Umwelt und Straßenverkehr
Umwelt und Straßenverkehr
Umwelt und Straßenverkehr
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Verkehrswege insgesamt zu niedrig ist <strong>und</strong> wesentlich höhere<br />
Investitionsmittel für die B<strong>und</strong>esverkehrswege<br />
volkswirtschaftlich erforderlich seien (WILLEKE, 2003).<br />
Die Behauptung von der finanziellen Unterausstattung<br />
der Verkehrswegeinvestitionen dürfte sich bei einer realistischeren<br />
Berechnung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses<br />
– oder wenn man Marktbedingungen unterstellt (wie vom<br />
SRU vorgeschlagen, s. Abschn. 8.1.2.5) – relativieren.<br />
Gravierend sind auch die Struktureffekte der angewandten<br />
KNA-Methode, die zu falschen Prioritätensetzungen<br />
bei der Projektauswahl führen können (Tz. 415).<br />
Fehleinschätzungen der Nutzen-Kosten-Relationen der<br />
Projekte können sowohl bei der Abschätzung der Kosten<br />
des Verkehrswegeausbaus, als auch bei der Wahl <strong>und</strong><br />
Quantifizierung der Nutzeffekte entstehen. Die mangelnde<br />
Berücksichtigung von Unsicherheiten, die durch<br />
den langfristigen Planungshorizont bedingt sind, <strong>und</strong> vor<br />
allem die methodischen Defizite bei der Bewertung der<br />
Projektnutzen im Rahmen der B<strong>und</strong>esverkehrswegeplanung<br />
deuten auf eine systematische Überzeichnung der<br />
Nutzen-Kosten-Verhältnisse der Verkehrsprojekte hin<br />
(BMVBW, 2003b, S. 7). In international vergleichenden<br />
Analysen wird dies als ein Strukturproblem großer Infrastrukturprogramme<br />
betrachtet (vgl. FLYVBJERG et al.,<br />
2003). Folgende methodische Defizite geben Anlass zur<br />
Skepsis bezüglich der Zuverlässigkeit der für die Verkehrsprojekte<br />
des B<strong>und</strong>esverkehrswegeplans 2003 ermittelten<br />
Nutzen-Kosten-Relationen:<br />
405. Die Verkehrsprojekte des BVWP 2003 basieren<br />
auf den Prognoseergebnissen des so genannten Integrationsszenarios,<br />
das im Rahmen der Gesamtverkehrsprognose<br />
berechnet wurde (vgl. Abschn. 3.2.2). Die Zuverlässigkeit<br />
der NKA-Bewertung hängt ganz erheblich von<br />
der Prognosequalität des politisch ausgewählten Integrationsszenarios<br />
ab. Auf die gr<strong>und</strong>sätzlichen Ursachen von<br />
Prognosemängeln wurde bereits unter Tz. 93 näher eingegangen.<br />
Die für die Projektbewertung herangezogene<br />
Schätzmethodik ist nicht geeignet, die Unsicherheiten<br />
hinsichtlich der Höhe der Projektkosten <strong>und</strong> Verkehrsnachfragereaktionen<br />
hinreichend zu quantifizieren <strong>und</strong> in<br />
die Nutzen-Kosten-Bewertung mit einzubeziehen. Entsprechende<br />
Sensitivitätsanalysen zur Identifizierung der<br />
Wirkung unsicherer Entwicklungen der Rahmenbedingungen<br />
des Verkehrs sind in die Bewertung ebenfalls<br />
nicht eingeflossen. Hinzu tritt die unzureichende Berücksichtigung<br />
des für die Höhe der Nutzeffekte sehr bedeutsamen<br />
induzierten Verkehrs (Tz. 83). Folglich ist bereits<br />
die Verkehrsprognose Quelle einer systematischen Überschätzung<br />
des Nettonutzens der einzelnen Projekte.<br />
406. Methodisch fragwürdig ist auch, dass die Schätzwerte<br />
für die Beschäftigung ansonsten Arbeitsloser beim<br />
Bau <strong>und</strong> die Schaffung neuer Arbeitsplätze während des<br />
Betriebs des Verkehrsweges als regionalwirtschaftliche<br />
Vorteile in die Nutzenbewertung mit eingeflossen sind.<br />
Dieser Ansatz ist aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive<br />
unzulässig. Der Verdrängungseffekt der Finanzierung<br />
über verminderte anderweitige Staatsausgaben, Steuererhöhungen<br />
oder Defizitfinanzierung wird negiert. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
ignoriert die Bewertung von Beschäftigungsef-<br />
208<br />
Maßnahmen in der Verkehrswege- <strong>und</strong> Raumplanung<br />
fekten als Projektnutzen die Möglichkeit anderer<br />
Verwendungen der im Projekt geb<strong>und</strong>enen Produktionsfaktoren,<br />
für deren Einsatz sich jeweils ähnliche Effekte<br />
berechnen ließen. Daher führt die Bewertung von Beschäftigungsgewinnen<br />
zu einer systematischen Überbewertung<br />
der Nutzeneffekte einer Infrastrukturmaßnahme.<br />
407. Bereits im <strong>Umwelt</strong>gutachten 1994 hat der SRU<br />
kritisiert, dass es bei der Bewertung von Verkehrsprojekten<br />
immer wieder zu Doppelzählungen von Nutzenkomponenten<br />
kommt (SRU, 1994, Tz. 746). Dieses Defizit<br />
wurde auch in der NKA des BVWP 2003 nicht beseitigt.<br />
So führt das aus dem BVWP 1992 mit Modifikationen<br />
übernommene Bonusverfahren für Verkehrswege zur<br />
„Förderung internationaler Beziehungen“ <strong>und</strong> für Verkehrswege<br />
zur Anbindung von See- <strong>und</strong> Flughäfen, bei<br />
dem nunmehr je nach Anteil des grenzüberschreitenden<br />
Verkehrs ein Bonus für die internationale Verbindungsfunktion<br />
berechnet wird, zur Überbewertung der Nutzeneffekte.<br />
Diese werden bereits bei der Abschätzung des<br />
Nutzens aus der Senkung der Betriebsführungskosten <strong>und</strong><br />
Zeitersparnis nichtgewerblicher <strong>und</strong> gewerblicher Fahrten<br />
<strong>und</strong> der dadurch induzierten Verkehrsnachfragesteigerung<br />
erfasst (BMVBW, 2002, S. 37, 52, 58). Mit der<br />
Quantifizierung des daraus resultierenden Nutzenzuwachses<br />
über das Konzept der Konsumenten- bzw. Produzentenrente<br />
werden die Wohlfahrtsgewinne des Infrastrukturausbaus<br />
unter Wettbewerbsbedingungen bereits<br />
vollständig abgebildet. Impulse für die wirtschaftliche<br />
Entwicklung <strong>und</strong> daraus resultierende Einkommenszuwächse<br />
stellen unter diesen Bedingungen lediglich intraoder<br />
interregionale Transfers zwischen den Produzenten<br />
<strong>und</strong> Konsumenten dar <strong>und</strong> dürfen nicht ein weiteres Mal<br />
als zusätzlicher Nutzen gezählt werden. Eine besondere<br />
Gewichtung wirtschaftlich bedeutender Verkehrsverbindungen<br />
wäre lediglich dann begründbar, wenn sich vom<br />
Marktpreis nicht abgebildete positive Externalitäten wie<br />
Agglomerationsvorteile oder der Abbau transportbedingter<br />
regionaler Monopolmacht nachweisen ließen. Der<br />
Nachweis hierfür wurde im Fall des Bonusverfahrens für<br />
Verkehrswege zur Förderung internationaler Beziehungen<br />
<strong>und</strong> die Anbindung von See- <strong>und</strong> Flughäfen nicht geführt.<br />
Auch ist es mit dem recht willkürlichen Bonusverfahren<br />
für Zeit- <strong>und</strong> Betriebskostenersparnisse kaum möglich,<br />
die Größenordnung derartiger Externalitäten auch nur annähernd<br />
zuverlässig zu schätzen.<br />
408. Auch die Bewertung der <strong>Umwelt</strong>wirkungen in der<br />
NKA ist problematisch. Hier werden je nach Art der <strong>Umwelt</strong>beeinträchtigung<br />
durch verkehrliche Lärm- oder<br />
Schadstoffemissionen entweder Ergebnisse von Zahlungsbereitschaftsanalysen,<br />
Schätzungen der Schadenskosten<br />
oder Vermeidungskostenschätzungen vorgenommen<br />
<strong>und</strong> jeweils fixe Kostenansätze verwendet. Die<br />
Schätzwerte verkehrsinduzierter Kosten durch Luftverschmutzung<br />
<strong>und</strong> Lärmbelästigung in Deutschland divergieren<br />
jedoch in der Literatur je nach gewähltem Verfahren<br />
sehr stark (ECKEY <strong>und</strong> STOCK, 2000, S. 128 ff.).<br />
Eher gering erscheinen etwa die Schadenskostenansätze<br />
für Todesfälle durch krebserregende Schadstoffe <strong>und</strong><br />
Atemwegserkrankungen in Höhe von 0,79 Mio. Euro pro<br />
Todesfall. Hier gibt es in der Literatur erhebliche Bewer-