Umwelt und Straßenverkehr
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an die verschiedenen Lebensstile <strong>und</strong> die ihnen zugr<strong>und</strong>e<br />
liegenden Mobilitätsmuster angepasst sein, um tatsächlich<br />
Verhaltensänderungen auslösen zu können (vgl.<br />
CITY:MOBIL, 1999; SCHLAFFER et al., 2003). Gelänge<br />
die Steigerung des Fahrradverkehrs in Deutschland<br />
von heute circa 300 km pro Jahr <strong>und</strong> Einwohner auf das<br />
niederländische oder dänische Niveau von circa 1 000 km<br />
pro Jahr <strong>und</strong> Einwohner, könnten die CO 2-Emissionen<br />
um 6,6 Mio. t pro Jahr gesenkt (UBA, 2003, S. 16) <strong>und</strong><br />
gleichzeitig Entlastungen in allen Schadenskategorien erreicht<br />
werden. Der Stärkung der kommunalen Handlungskapazitäten,<br />
insbesondere in der Verkehrsplanung<br />
<strong>und</strong> -lenkung, fällt damit eine strategische Rolle für die<br />
Stärkung des <strong>Umwelt</strong>verb<strong>und</strong>es im Nahverkehr zu (vgl.<br />
Kap. 8.2, 9.1, 9,2 <strong>und</strong> Abschn. 9.3.2.2).<br />
Ökonomische Aspekte von Verlagerungsstrategien<br />
205. Ehrgeizige verlagerungsorientierte Szenarien setzen<br />
auf einen Instrumentenmix, der einerseits die Attraktivität<br />
der Schienenverkehre <strong>und</strong> verkehrsträgerübergreifender<br />
Transportketten signifikant steigert <strong>und</strong><br />
andererseits den <strong>Straßenverkehr</strong> erheblich verteuert. Zu<br />
diesen Instrumenten gehören<br />
– eine deutliche Privilegierung der Bahnen, des kombinierten<br />
Verkehrs <strong>und</strong> der Infrastruktur für den Güterumschlag<br />
bei den Infrastrukturinvestitionen,<br />
– der Aufbau einer attraktiven Informationsinfrastruktur<br />
für Mobilitätsdienstleistungen,<br />
– Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen,<br />
– ökonomische Instrumente (erhebliche Erhöhung der<br />
Mineralölsteuer, Parkraumbewirtschaftung, Schwerverkehrsabgabe)<br />
<strong>und</strong><br />
– planerische Maßnahmen.<br />
206. Hinsichtlich der Kostenabschätzungen ist zwischen<br />
Fernverkehr <strong>und</strong> städtischem Verkehr zu unterscheiden.<br />
Kostenabschätzungen, die ausschließlich die<br />
Kostenwirksamkeit einer Verlagerungsstrategie im Fernverkehr<br />
analysieren, sind nicht bekannt. Die meisten Untersuchungen<br />
betrachten das gesamte Maßnahmenpaket<br />
einer Klimaschutzstrategie inklusive technischer Maßnahmen<br />
<strong>und</strong> sind nicht hinreichend disaggregiert.<br />
207. Einen Anhaltspunkt geben Szenarien, die schwerpunktmäßig<br />
auf Verlagerung setzen. Um eine Reduktion<br />
der verkehrsbedingten CO2-Emissionen um circa<br />
40 Mio. t (oder 22 Prozent) gegenüber einem Referenzszenario<br />
zu erreichen, entstünden im Jahre 2020 zusätzlich<br />
Kosten von 26 Mrd. Euro (das heißt spezifische Durchschnittskosten<br />
in der Größenordnung von 650 €/t CO2) (STEIN <strong>und</strong> STROBEL, 1999, S. 134). Die Autoren weisen<br />
jedoch auf Modellierungsdefizite hin, die zu einer erheblichen<br />
Überschätzung dieser Kosten führen. Zu optimistischeren<br />
Ergebnissen kommt eine Szenarioanalyse<br />
des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen<br />
B<strong>und</strong>estag (TAB) (GRÜNWALD et al., 2002,<br />
S. 79). Dieses errechnet für ein ähnliches Zielniveau (Reduktion<br />
der CO2-Emissionen um 20 Prozent zwischen<br />
1997 <strong>und</strong> 2020) zusätzliche Kosten gegenüber dem Trend<br />
128<br />
Verkehrspolitische Strategien<br />
von lediglich 13 Mrd. Euro für den Personenverkehr oder<br />
eine jährliche Kostenerhöhung von 1,1 Prozent gegenüber<br />
0,8 Prozent im Trendszenario. Die Transportkostenerhöhungen<br />
im Güterverkehr werden nur in relativen Zahlen<br />
mit + 35 bis 40 Prozent angegeben, was etwa dem doppelten<br />
bis dreifachen der im so genannten „Überforderungsszenario“<br />
für den B<strong>und</strong>esverkehrswegeplan (BVWP)<br />
angenommenen Kostensteigerungen entspricht. Diese<br />
Kostenerhöhungen werden zwar als wirtschaftsverträglich<br />
betrachtet. Ob sie aber mit einer effizienten Klimaschutzstrategie<br />
vereinbar sind, wird nicht analysiert.<br />
208. Konzepte für eine Flächenbahn koppeln Strategien<br />
der Angebotsverbesserung zumeist mit kostensenkenden<br />
Rationalisierungsstrategien. Dabei kann die Produktivität<br />
der Schienenverkehrsleistungen durch Beschleunigung<br />
der Fahrzeuge, personalsparende Betriebskonzepte <strong>und</strong><br />
bessere Fahrzeugauslastung erheblich gesteigert werden,<br />
sodass insgesamt große Teile der Angebotsverbesserungen<br />
refinanziert werden können (vgl. HÜSING, 1999).<br />
Solche Rationalisierungsstrategien werden zumeist in den<br />
Kostenszenarien nicht berücksichtigt.<br />
209. Insgesamt gibt es somit Hinweise darauf, dass<br />
viele Kostenschätzungen für eine Verlagerungsstrategie<br />
im Fernverkehr zu hoch angesetzt sind. Nicht berücksichtigt<br />
ist vielfach, dass es noch erhebliche Produktivitätsreserven<br />
gibt. Die durchschnittlichen CO 2-Vermeidungskosten<br />
einer Verlagerungsstrategie liegen selbst bei<br />
Berücksichtigung solcher Produktivitätsreserven weit<br />
über den als plausibel anzunehmenden Kostenschätzungen<br />
für technische Maßnahmen am Fahrzeug. Bei allen<br />
Unwägbarkeiten ist dies ein Indikator für die Grenzen<br />
allzu ambitionierter Verlagerungsziele im Personen- <strong>und</strong><br />
Güterverkehr. Dabei muss aber bedacht werden, dass der<br />
<strong>Umwelt</strong>nutzen einer Verlagerung vielfältiger sein kann.<br />
Er kann für die Verkehrserschließung strategisch wichtiger<br />
Korridore oder zur Entlastung sensibler Gebiete, wie<br />
zum Beispiel dem Zulauf zum Alpentransit oder einzelne<br />
Ost-West-Verbindungen, von besonders großer Bedeutung<br />
sein.<br />
210. Erfahrungen mit dem Instrument des Least Cost<br />
Transportation Planning (LCTP) zeigen für den Nahverkehr,<br />
dass gesamtwirtschaftlich durch eine Stärkung des<br />
<strong>Umwelt</strong>verb<strong>und</strong>es, insbesondere des Fahrradverkehrs <strong>und</strong><br />
fußgängerfre<strong>und</strong>licher städtischer Räume, erhebliche<br />
Kosteneinsparungen im Vergleich zu einer Anpassung an<br />
den wachsenden Automobilverkehr erreicht werden können.<br />
Die LCTP-Methode nimmt eine virtuelle Firma an,<br />
bei der die Verkehrs- <strong>und</strong> Infrastrukturkosten sämtlicher<br />
Akteure addiert werden, die Verkehrsdienstleistungen bereitstellen<br />
oder in Anspruch nehmen. Sie ermöglicht den<br />
systematischen gesamtwirtschaftlichen Kostenvergleich<br />
verschiedener verkehrspolitischer Entscheidungsalternativen.<br />
Die Methode wurde mittlerweile in verschiedenen<br />
deutschen Städten getestet (vgl. BRACHER et al., 2002;<br />
CITY:MOBIL, 1999). Deutlich wird hier, dass die Ausgaben<br />
je Verkehrsdienstleistung oft für den motorisierten Individualverkehr<br />
am höchsten <strong>und</strong> für den Fahrradverkehr<br />
am niedrigsten sind. Eine fahrradfre<strong>und</strong>liche kommunale<br />
Verkehrspolitik zahlt sich damit nicht nur ökologisch,