S. Schönherr (Beitrag): Konversion der Streitkräfte - DSS
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polizeiliche, grenzpolizeiliche Aufgaben und hatten mit <strong>der</strong> Führung des bewaffneten<br />
Kampfes nichts zu tun. Dafür hatten an<strong>der</strong>e Prinzipien und Regeln<br />
zu gelten. Es war sowohl in <strong>der</strong> Theorie als auch in <strong>der</strong> Praxis falsch, sie <strong>der</strong><br />
Führung des Gefechts gleichzusetzen bzw. unterzuordnen. Genau das aber<br />
geschah.<br />
Es gibt bekanntlich prinzipielle Unterschiede zwischen Polizei und Militär, die<br />
hier nicht im Einzelnen dargestellt werden können. In den Grenztruppen <strong>der</strong><br />
DDR insgesamt, aber auch an <strong>der</strong> Akademie, wurde ein solcher Unterschied<br />
nicht gesehen, wollte wohl nicht gesehen werden. Im Gegenteil, die militärischen<br />
Aspekte des Handelns <strong>der</strong> Grenztruppen wurden auf die Gesamthandlungen<br />
<strong>der</strong> Grenztruppen bezogen, alles wurde dem Militärischen untergeordnet,<br />
das Gefecht fand sozusagen im Frieden statt, von originär polizeilichen<br />
Aufgaben wurde und durfte nicht gesprochen werden. In einem Referat<br />
des Ministers für Nationale Verteidigung vom 20.11.1964 hieß es: „Unsere<br />
Grenzsoldaten stehen dem Feind Auge in Auge gegenüber. Ihr Dienst zum<br />
Schutze unserer Staatsgrenze ist Frontdienst in Friedenszeiten“. Der ehemalige<br />
Chef <strong>der</strong> Grenztruppen kommentiert das in einer Veröffentlichung aus<br />
dem Jahre 2004 mit <strong>der</strong> Aussage, dass diese Orientierung des Ministers die<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Grenzsicherung und <strong>der</strong> Grenztruppen über Jahrzehnte bestimmte.<br />
7 Hinzuzufügen bliebe – bis zum bitteren Ende <strong>der</strong> DDR.<br />
Konnte man die Aussage des Ministers noch als mehr agitatorische Floskel<br />
verstehen, so war das dann bei <strong>der</strong> von den Politorganen ausgegebenen Prämisse,<br />
Grenzdienst ist Gefechtsdienst im Frieden, nicht mehr möglich. Hier<br />
wurde <strong>der</strong> tägliche Grenzdienst mit dem Gefecht gleichgesetzt. Dass das<br />
nicht nur eine politische Losung war, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Militärtheorie genauso<br />
gesehen wurde, wurde schon nachgewiesen. Das hatte Konsequenzen für alle<br />
Bereiche <strong>der</strong> Grenztruppen. Dafür nur zwei Beispiele: An <strong>der</strong> Akademie wurden<br />
die Gesetze des Krieges und des bewaffneten Kampfes gelehrt. Daraus<br />
wurden die Prinzipien des Handelns abgeleitet, die sich in den Dienstvorschriften<br />
wie<strong>der</strong>fanden, also praktische Auswirkungen hatten. In den Grenztruppen<br />
fanden sich auch in den Dienstvorschriften, die für das tägliche Handeln<br />
an <strong>der</strong> Staatsgrenze galten, gleich im Grundsatzteil genau diese Prinzipien<br />
des allgemeinen Gefechts wie<strong>der</strong>, nur minimal präzisiert. Im Lehrstuhl<br />
Taktik <strong>der</strong> Grenztruppen, <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Ausarbeitung neuer Dienstvorschriften<br />
immer beteiligt war, wurde das als richtig empfunden. Die gesamte Ausbil-<br />
7 Siehe K.-D. Baumgarten, Die Entwicklung <strong>der</strong> Grenzsicherung und <strong>der</strong> Grenztruppen an <strong>der</strong><br />
Staatsgrenze zur BRD und zu Berlin (West) 1961 – 1990, in: ebenda, S. 215.