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S. Schönherr (Beitrag): Konversion der Streitkräfte - DSS

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heute kann ich stets mit <strong>der</strong> Hilfe und Unterstützung von Freund Bac rechnen.<br />

Beginn <strong>der</strong> Betreuung<br />

Nach erfolgter Übersiedelung <strong>der</strong> vietnamesischen Genossen begann ihre<br />

Betreuung. Zunächst einmal mussten sie die Akademie mit all ihren Einrichtungen<br />

und den allgemeinen Dienstablauf kennen lernen. Spaziergänge in die<br />

nähere Umgebung und Stadtrundfahrten schlossen sich an. Dabei ergründete<br />

ich die Eigenarten, Vorlieben und Wünsche <strong>der</strong> Einzelnen, um unser Vertrauensverhältnis<br />

weiter auszubauen. Die Tatsache, dass ich jeden Einzelnen<br />

mit Namen kannte und mich bei meinen drei Besuchen in Naumburg an ihre<br />

Intonation des Deutschen gewöhnt hatte, kam mir sehr zugute. Nicht wenige<br />

Deutsche fragten am Anfang: „In welcher Sprache unterhalten Sie sich?“ Sie<br />

hatten neben uns gestanden und doch nichts verstanden. Richteten sie selbst<br />

aber einmal das Wort an die Vietnamesen, so verfielen sie ganz automatisch<br />

in ein infantiles Babydeutsch, indem sie auf Artikel, die Konjugation <strong>der</strong> Verben<br />

und an<strong>der</strong>e Aspekte <strong>der</strong> deutschen Grammatik verzichteten. Man wollte<br />

auf diese Weise helfen, tat es aber so gerade nicht. Vielen Deutschen war es<br />

ein Rätsel, wie ich jeden einzelnen Vietnamesen kennen und mit Namen bezeichnen<br />

konnte, selbst wenn dieser 20 o<strong>der</strong> 30 Meter vor uns lief. „Die sehen<br />

doch einer wie <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e aus“, hieß es dann oft. Eine Ausrede. Man<br />

muss sich nur bemühen, auch die Asiaten über das Registrieren des allgemeinen<br />

Typs hinaus als Individuen wahrzunehmen. Das ist möglich.<br />

In die Betreuung <strong>der</strong> vietnamesischen Genossen, die mir in all den Jahren viel<br />

Freude bereitete, bezog ich sowohl meine Frau Hildegard, unsere Kin<strong>der</strong> und<br />

Enkel, aber auch Freunde innerhalb und außerhalb des Lehrstuhles mit ein.<br />

So fühlten sich die Vietnamesen, die ja alle Familienmenschen sind, schnell<br />

heimisch und wurden ihrerseits aktiv. Dafür ein Beispiel: Am 3. September<br />

1977, als wir daheim den Schulanfang meines Sohnes Thomas feierten, kamen<br />

zehn vietnamesische Offiziere in Uniform über den Weißen Hirsch marschiert.<br />

So wie sie es vom Krieg her gewohnt waren, im Gänsemarsch. Duong als<br />

Erster, trug eine Zuckertüte, ein Geschenk für Thomas. Der war natürlich<br />

stolz wie ein Spanier. Als die Lehrerin am ersten Schultag fragte, welche Gäste<br />

zu den häuslichen Feiern gekommen waren, ließ er erstmal die an<strong>der</strong>en von<br />

ihren Tanten und Onkels „aus dem Westen“ erzählen. Danach berichtete er:<br />

Zu mir kamen, neben meinen Verwandten, zehn vietnamesische Offiziere. Sie<br />

trugen Uniform und brachten eine Zuckertüte mit, in <strong>der</strong> Süßigkeiten und<br />

schöne Andenken aus ihrer Heimat lagen. Da war er natürlich <strong>der</strong> King.<br />

So gut die Betreuungsarbeit lief, wenn es um diese Art Integration ging, so<br />

schwierig konnte sie werden, wenn es notwendig wurde, den Rahmen <strong>der</strong><br />

Dienstvorschriften zu überschreiten. So for<strong>der</strong>te ich Ende September 1977 in

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