28.02.2013 Aufrufe

S. Schönherr (Beitrag): Konversion der Streitkräfte - DSS

S. Schönherr (Beitrag): Konversion der Streitkräfte - DSS

S. Schönherr (Beitrag): Konversion der Streitkräfte - DSS

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

263<br />

selbstredend hingenommen werden. Vielmehr wurde in den Lehrveranstaltungen<br />

immer wie<strong>der</strong> betont, dass die Führungsrolle <strong>der</strong> Partei nur in dem<br />

Maße verwirklicht werden kann, wie die Parteiorganisationen und jedes ihrer<br />

Mitglie<strong>der</strong> durch ihre eigene aktive gesellschaftliche Arbeit und ihre vorbildlichen<br />

Leistungen im militärischen Dienst auftreten. Aber nun wurde alles an<strong>der</strong>s.<br />

Auf Konsequenzen, die <strong>der</strong> Lehrstuhl Führung <strong>der</strong> politischen Arbeit in<br />

diesem Prozess gezogen hat, soll in diesem <strong>Beitrag</strong> eingegangen werden.<br />

Erstens: Der Lehrgegenstand Führung <strong>der</strong> politischen Arbeit in <strong>der</strong> NVA<br />

kam in dem Maße in Bedrängnis, wie sich in den 1980er Jahren die Sinnkrise<br />

des Soldatseins entwickelte. Der Hauptgrund war, dass die Partei- und Armeeführung<br />

trotz offenkundiger Nichtführbarkeit eines Kernwaffenkrieges<br />

wie auch eines Krieges mit herkömmlichen Mitteln in Europa keine Korrekturen<br />

in <strong>der</strong> Militärpolitik und Landesverteidigung einleitete. Trotz Tauwetter<br />

in den politischen Beziehungen zwischen den Weltmächten und spürbarer<br />

Entspannung zwischen den Militärblöcken wurden die hohen, vielfach über<br />

die Kräfte gehenden Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> ständigen Gefechtsbereitschaft nicht<br />

den neuen Bedingungen angepasst. Demgegenüber kam es zu immer umfangreicheren<br />

Einsätzen von Armeeeinheiten in <strong>der</strong> Produktion, die den Wehrdienst<br />

selbst als zweitrangig erscheinen ließen. So gab es wachsende Schwierigkeiten,<br />

die politische Arbeit zur Motivierung und zur Sicherung <strong>der</strong> militärischen<br />

Leistungssteigerung zu realisieren. Im allgemeinen Stimmungsbild<br />

schwand das Vertrauen <strong>der</strong> Armeeangehörigen in die politische und militärische<br />

Führung des Landes und <strong>der</strong> Armee, bis hinein in das Offizierskorps.<br />

Wie die Ergebnisse soziologischer Befragungen bei den Landstreitkräften<br />

zeigten, sank von 1986 bis 1988 die Zahl <strong>der</strong>jenigen Soldaten, die meinten, es<br />

lohne sich für den Sozialismus zu arbeiten und zu leben, von 83 Prozent auf<br />

33 Prozent, 1 Diese Tendenz dürfte sich 1989 fortgesetzt haben. Diese realen<br />

gesellschaftlichen Probleme wurden vom Lehrstuhl zwar nicht verkannt, aber<br />

in ihrer Tragweite nicht voll erfasst und lange Zeit kaum reflektiert. So wurde<br />

im August 1989 u.a. die Vorlesung über das gesetzmäßige Anwachsen <strong>der</strong><br />

führenden Rolle <strong>der</strong> SED in <strong>der</strong> NVA und den Grenztruppen <strong>der</strong> DDR<br />

überarbeitet. Darin wurde zwar auf aktuelle Bedingungen dieser Gesetzmäßigkeit<br />

eingegangen, im Wesentlichen blieb aber alles wie gehabt. Noch Anfang<br />

Oktober herrschte die Meinung vor, dass die Unruhen und Demonstra-<br />

1 Siehe Th. Hoffmann, Die Militärreform <strong>der</strong> DDR, in: Rührt euch! Zur Geschichte <strong>der</strong> NVA,<br />

Berlin 1998, S. 550.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!