S. Schönherr (Beitrag): Konversion der Streitkräfte - DSS
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nächst einmal brauchte ich ein vertrauliches Gespräch mit Oberstleutnant Le<br />
Thoai, dem damaligen vietnamesischen Militärattaché, mit dem ich mich sehr<br />
gut verstand. Generalleutnant Prof. Wiesner hatte schon früher direkte Beziehungen<br />
zwischen uns beiden genehmigt. Wir brauchten also die Auslandsabteilung<br />
unseres Ministeriums nicht. Le Thoai schrieb danach an unseren Chef,<br />
die vietnamesische Botschaft würde es sehr begrüßen, wenn ihre Aspiranten<br />
eine Pragreise unter Leitung von Dr. Oelschlägel unternehmen könnten. Man<br />
bitte um Unterstützung. Das reichte. Mit Dienstaufträgen und Bahnfahrkarten<br />
ausgerüstet, begaben wir uns auf die Reise.<br />
In Prag erwarteten uns vietnamesische Arbeiter, die in Mnischek, unweit <strong>der</strong><br />
Hauptstadt, in einem Buntmetallkombinat arbeiteten. Sie stellten die Unterkunft,<br />
das Frühstück und das Abendessen und revanchierten sich so für einen<br />
Kurzurlaub in Dresden. Mir war davon nichts bekannt, aber man muss ja als<br />
Betreuer auch nicht alles wissen. Bei sonnigem Wetter besuchten wir die Prager<br />
Burg, die Kleinseite, die Karlsbrücke und viele an<strong>der</strong>e Sehenswürdigkeiten<br />
dieser einmaligen Stadt. Und weil je<strong>der</strong> mit Tagesgel<strong>der</strong>n rechnen konnte, war<br />
es auch möglich, schöne Souvenirs zu erwerben. Glücklich und voller Eindrücke<br />
fuhren wir nach drei Tagen zurück. Durch unsere Dienstaufträge gab<br />
es keinerlei Schwierigkeiten mit dem Zoll. Diese Reise und ähnliche Höhepunkte<br />
trugen ganz wesentlich zur Vertiefung unserer Beziehungen bei, die ja<br />
ansonsten sehr lose waren, weil je<strong>der</strong> Aspirant in seinem Lehrstuhl angebunden<br />
war.<br />
Vietnamesische Offiziershörer kamen ab 1980 nur noch in die III. Sektion,<br />
Fachrichtung Luftverteidigung. Ihnen erteilte ich wie bisher Unterricht in Philosophie.<br />
Auch in die Ateliers befreundeter Maler und in interessante Museen<br />
gingen wir. Wie<strong>der</strong> wurden Freundschaftstreffen organisiert. Familiäre Begegnungen<br />
bei uns aber wurden selten. Meine Frau musste seit 1980 wegen<br />
eines Krebses regelmäßig zur Chemotherapie und litt stark unter <strong>der</strong>en<br />
Nachwirkungen. Am 5. Mai 1986 starb sie. Zur Beisetzung kam Lan, Trungs<br />
Frau, die gerade ein Praktikum an <strong>der</strong> Technischen Universität absolvierte.<br />
Die vietnamesischen Offiziershörer wollten auch kommen. Ihnen wurde das<br />
verwehrt. Der Anlass rechtfertige keine Befreiung vom Unterricht.<br />
Warum gab es in den 80er Jahren keine Ausbildung von vietnamesischen Politoffizieren<br />
zu Diplomgesellschaftswissenschaftlern mehr? An <strong>der</strong> Qualität<br />
unserer Ausbildung konnte es nicht gelegen haben. Das zeigten die Prüfungsergebnisse<br />
und die steile Karriere unserer Absolventen in Vietnam. Es lag<br />
wohl an <strong>der</strong> allgemeinen Ermattung und schleichenden Erosion <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />
des Sozialismus. Die vietnamesischen Kommunisten suchten und fanden Anfang<br />
<strong>der</strong> 80er Jahre eigenständige Lösungen ihrer Probleme, die die Errungenschaften<br />
<strong>der</strong> Revolution bewahrten und zugleich Verkrustungen <strong>der</strong>selben