S. Schönherr (Beitrag): Konversion der Streitkräfte - DSS
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Nicht nur bei <strong>der</strong> besagten ersten Lektion im Großen Hörsaal wurde betont,<br />
dass man großes Vertrauen in uns gesetzt habe, denn immerhin wäre auf 16<br />
Bewerber nur ein Studienplatz gekommen. Davon waren wir natürlich ganz<br />
schön beeindruckt. Aber wie sah denn nun dieses Vertrauen aus? Wer mochte<br />
sich ausgedacht haben, dass uns erwachsenen Militärstudenten sehr viel weniger<br />
zugetraut wurde als den jungen zivilen Studenten an den Universitäten <strong>der</strong><br />
DDR? Das äußerte sich zum Beispiel in den detaillierten Studien- und Seminarvorbereitungsplänen,<br />
in denen uns genau vorgeschrieben wurde, welche<br />
Literatur wir zu studieren hätten, was nur wenige von uns in dem gefor<strong>der</strong>ten<br />
Umfang getan haben, weil es einfach zeitlich nicht ging. Unsere Literatur<br />
selbst zu suchen, wurde uns einfach nicht zugetraut, denn die Pläne waren<br />
kein Leitfaden, son<strong>der</strong>n ein Muss – in <strong>der</strong> Praxis aber ein Gesollt-haben.<br />
Wir haben das damals alles als normal und unter dem Motto „Die vorgesetzten<br />
Genossen werden schon wissen, was für uns gut ist“ betrachtet. Heute<br />
frage ich mich manchmal, wer es sich als gut und günstig ausgedacht haben<br />
mag, dass man das Selbststudium gemeinsam in einem Klassenzimmer durchzuführen<br />
hätte. Erst beim späteren postgradualen Studium am Militärgeschichtlichen<br />
Institut in Potsdam habe ich das Wohltuende des Allein-<br />
Lernens genießen können. Dass wir das damals schon nicht so richtig als för<strong>der</strong>nd<br />
angesehen haben, zeigte sich an den legendären Besuchen <strong>der</strong> Sächsischen<br />
Landesbibliothek. Mancher war in <strong>der</strong> Woche mehrmals dort und hat<br />
sie doch nie von innen kennen gelernt. Aber auch das war nicht gefahrlos,<br />
denn es gab auch telefonische Kontrollen. Sie waren kleinlich und können aus<br />
heutiger Sicht nur als Beweis dafür angesehen werden, dass eben kein Vertrauen<br />
zu uns vorhanden war. Übrigens, ein Nachweis, dass das kollektive<br />
Selbststudium im Seminargruppenraum effektiver und leistungsför<strong>der</strong>n<strong>der</strong><br />
war, konnte nicht erbracht werden.<br />
Es ist wohl von Interesse, etwas zu unserer Lehrgruppe 11/68 zu sagen. Wir<br />
waren 21 Offiziere mit einem Altersdurchschnitt von immerhin 34 Jahren. Alle<br />
waren verheiratet, hatten die Dienstgrade Hauptmann bis Oberstleutnant<br />
und kamen aus Dienststellungen zwischen den Kommandohöhen Bataillon<br />
bis Militärbezirk und Gleichgestellte. Es war also keiner in unseren Reihen,<br />
<strong>der</strong> nicht selbstständig hätte arbeiten können und wollen. Das Ergebnis konnte<br />
sich darum auch sehen lassen. Unsere Lehrgruppe wurde als Beste Lehrgruppe<br />
ausgezeichnet, und wir wurden zu einem Studienbesuch an <strong>der</strong> Militärpolitischen<br />
Hochschule <strong>der</strong> Polnischen Armee in Warschau ausgewählt. Schließlich<br />
schlossen drei Hörer unserer Lehrgruppe ihr Studium mit einem Son<strong>der</strong>diplom<br />
ab. Und noch etwas war für unsere Lehrgruppe typisch: Die enge Beziehung<br />
jedes einzelnen zu seinem Hinterland, <strong>der</strong> Familie. Wir führten regelmäßig<br />
Treffen mit unseren Ehefrauen durch, und die in Dresden Wohnenden