S. Schönherr (Beitrag): Konversion der Streitkräfte - DSS
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Die Lehrer diskutierten damit verbundene Fragen <strong>der</strong> Methodik und entwickelten<br />
spezielle Anschauungsmittel. Mitarbeiter <strong>der</strong> Rückwärtigen Dienste<br />
besorgten Töpfe und Pfannen, damit im Internat auch heimatliche Speisen<br />
gegart werden konnten. Bibliothekare, Schnei<strong>der</strong>, Friseure, Kraftfahrer und<br />
viele an<strong>der</strong>e Mitarbeiter <strong>der</strong> Akademie überlegten, wie auch sie ganz speziell<br />
helfen könnten. Diese Bereitschaft kam von Herzen, war in keiner Weise verordnet<br />
und wurde von den im August anreisenden Vietnamesen als Ausdruck<br />
echter Freundschaft empfunden.<br />
Was tat ich selbst noch in Naumburg? Alles, was meine künftigen Zöglinge<br />
für mich einnehmen konnte. Ich bemühte mich angestrengt, ihr Deutsch zu<br />
verstehen, beantwortete Fragen nach dem Ablauf des künftigen Studiums,<br />
nach meiner Familie, den Kin<strong>der</strong>n, und ich trank mit ihnen Bier, was ich ansonsten<br />
verschmähe. Vor allem aber bemühte ich mich angestrengt, bei jedem<br />
Einzelnen von ihnen individuelle Merkmale zu finden. Ich wollte doch alle<br />
mit ihrem Namen ansprechen. In ein kleines Heft zeichnete ich ihre Kopfform,<br />
Scheitel links o<strong>der</strong> rechts, Muttermale, Brille etc. All das prägte ich mir<br />
wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> ein. Am zweiten Tag hielt ich probeweise Unterricht und<br />
sprach dabei jeden exakt mit seinem Namen an. Große Verblüffung. Das hatten<br />
sie nicht erwartet. Am Abend fand ein kleiner Empfang <strong>der</strong> Leitung<br />
statt. Alle waren gelöst. Plötzlich standen drei von ihnen vor mir. „Genosse<br />
Oberstleutnant. Sie kennen doch alle von uns mit Namen. Wie heißen wir?“<br />
Mir wurde heiß. Jetzt kam die Prüfung. Ich schloss die Augen, stellte mir<br />
mein Heft vor und sagte dann: „Sie heißen Trung, Sie Hung. Und Sie sind<br />
Soan.“ Alle strahlten. Richtig! Einige <strong>der</strong> Hörer hatten geglaubt, dass ich nur<br />
ihre Sitzordnung gelernt und mir damit im Unterricht geholfen hatte. Der<br />
Test überzeugte sie. Jetzt fühlten sich alle wirklich ernst genommen, vertrauten<br />
mir und bereiteten sich von da an mit größerer Intensität auf das Studium<br />
in Dresden vor.<br />
Mitte August 1977 erfolgte die Verlegung <strong>der</strong> Offiziere nach Dresden. Es waren<br />
14 vietnamesische Offiziere im Alter von 27 bis 34 Jahren. 13 Leutnante<br />
und ein Oberleutnant. Dieser hieß Duong. Er hatte 13 Jahre seines Lebens im<br />
Dschungel Südvietnams verbracht und war zuletzt Politkommissar eines Bataillons<br />
gewesen. In dieser Zeit hatte er viele seiner Freunde und Mitkämpfer<br />
fallen sehen und war selbst öfter verwundet worden. Vom ursprünglichen<br />
Personalbestand seiner Einheit, die dreimal aufgefüllt werden musste, hatten<br />
nur 12 Genossen den Sieg erlebt. Genosse Duong alterte in dieser Lebensphase<br />
schneller als normal. In Dresden wirkte er in zwei Funktionen. Zum einen<br />
als Nationalitätenältester. Er war also Repräsentant aller Vietnamesen an<br />
<strong>der</strong> Akademie und Verbindungsmann zur Botschaft. Zum zweiten war er <strong>der</strong><br />
Älteste in <strong>der</strong> Gruppe 11v/77, in <strong>der</strong> fünf Politoffiziere saßen, die Diplomge-