WWW und Mathematik — Lehren und Lernen im Internet
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Thomas Gawlick<br />
106<br />
Abb. 13<br />
u0 a<br />
(ε)<br />
sD<br />
0 (ε)<br />
x<br />
A E<br />
u'(ε)<br />
a'(ε)<br />
wandt, diese Anwendung von (KP) sei unzulässig:<br />
Die Bewegung von E durch A dürfe<br />
nur durch einen linearen Weg beschrieben<br />
<strong>und</strong> dieser daher nur durch einen rein-<strong>im</strong>aginären,<br />
nicht etwa durch einen reellen Weg<br />
ersetzt werden. Dazu ist folgendes zu sagen:<br />
• Die von uns in Kap. I.1 gewählte freie<br />
Beweglichkeit der Punkte E <strong>und</strong> A dürfte<br />
doch wohl eher dem entsprechen, was<br />
vor dem geistigen Auge eines unvoreingenommenen<br />
Betrachters abläuft, als eine<br />
wie <strong>im</strong>mer begründete Einschränkung<br />
durch Linearisierung <strong>und</strong> Koordinatisierung.<br />
• Formal könnte man das so begründen:<br />
Die Fragestellung "Wie verhält sich F bei<br />
Bewegung von E durch A?" gehört zunächst<br />
einmal zur synthetischen Dynamischen<br />
Geometrie als möglicher Erweiterung<br />
der statischen Euklidischen Geometrie:<br />
Hier ist zu fragen, welche zusätzlichen<br />
Axiome die anschaulichen Vorstellungen<br />
vom Verhalten bewegter Punkte<br />
adäquat beschreiben; <strong>—</strong> <strong>und</strong> solche Vorstellungen<br />
treten ja explizit schon <strong>im</strong> Originalbeweis<br />
von Euklids Proposition I,2<br />
auf! Damit dürfte aber auch klar sein,<br />
dass von Anfang <strong>—</strong> zumindest von Euklid!<br />
<strong>—</strong> an eine Beschränkung auf lineare Bewegungsmöglichkeiten<br />
nicht gedacht war.<br />
Es müsste also erst noch dargelegt werden,<br />
aus welcher späteren Entwicklungslinie<br />
eine solche Beschränkung herrühren<br />
<strong>und</strong> wie sie gerechtfertigt werden sollte.<br />
• Im Sinne der kinematischen Geometrie<br />
würde man die Bewegung der Punkte in<br />
obiger Fragestellung adäquat mittels stetiger<br />
Wege beschreiben; <strong>—</strong> so dürfte es<br />
wohl auch Leibniz verstanden haben. Der<br />
Schritt von stetigen zu linearen Wegen ist<br />
aber natürlich groß <strong>und</strong> auch nicht dadurch<br />
zu rechtfertigen, dass er etwa zu<br />
stärkeren Aussagen führt (s.u.).<br />
• Erst nach einer Koordinatisierung <strong>und</strong><br />
Komplexifizierung des Anschauungsraums<br />
leuchtet die von Herrn Kortenkamp<br />
nahegelegte Einschränkung ein: dann<br />
wird die Bewegung von E durch A nämlich<br />
durch einen reell-differenzierbaren Weg in<br />
einem komplex-eind<strong>im</strong>ensionalen Gebilde<br />
beschrieben. Und erst auf solche Wege<br />
lässt sich dann die klassische Funktionentheorie<br />
in der von Klein beschriebenen<br />
Weise anwenden.<br />
Deutlich wurde aber bereits in Kap. I.4, dass<br />
diese Vorgehensweise auf wesentlichen Einschränkungen<br />
basiert, die nicht aus der Fragestellung<br />
zu rechtfertigen sind; <strong>—</strong> das konzedieren<br />
<strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>e auch "Cinderellas" Autoren:<br />
"Es mag zunächst befremdlich erscheinen,<br />
dass in der Definition von Kontinuität lediglich<br />
das Verhalten auf quasi-linearen <strong>und</strong><br />
nicht auf quasi-stetigen Wegen als Eingangsvariation<br />
berücksichtigt wird. Würde die Definition<br />
aber auf allgemeinen quasi-stetigen<br />
Wegen aufbauen, so könnten wir nicht erwarten,<br />
dass es überhaupt nicht-triviale kontinuierliche<br />
formale DGS gibt" (Kortenkamp &<br />
Richter-Gebert 2001, 133). Wir teilen jedoch<br />
nicht den <strong>im</strong>pliziten Umkehrschluss, dass<br />
sich dies durch Einschränkung auf quasilineare<br />
Wege abwenden lässt! Denn man<br />
überlegt sich leicht, dass das nicht zu einer<br />
Verbesserung der Antwort führen kann: Bekanntlich<br />
lässt sich jede stetige reelle Funktion<br />
auf einem abgeschlossenen Intervall<br />
gleichmäßig durch Polynome approx<strong>im</strong>ieren<br />
(Satz von Stone-Weierstraß). Und jedes Polynom<br />
kann auf einem Intervall durch hinreichend<br />
viele Stützstellen gleichmäßig gut<br />
durch stückweise quasi-lineare Funktionen<br />
interpoliert werden. Wendet man beides zusammen<br />
auf die Komponenten eines quasistetigen<br />
Weges an, sieht man, dass man ihn<br />
gleichmäßig durch quasi-lineare Wege approx<strong>im</strong>ieren<br />
kann. Jedes Stetigkeitsresultat<br />
für quasi-lineare Wege lässt sich daher auf<br />
quasi-stetige Wege übertragen.<br />
Umgekehrt lässt sich auf diesem Hintergr<strong>und</strong><br />
vermuten, dass sich die begrüßenswerte Absicht,<br />
"man kann aber auch a priori best<strong>im</strong>mte<br />
Qualitätsmerkmale axiomatisch fordern<br />
<strong>und</strong> auf mathematischer Basis zeigen, dass<br />
eine best<strong>im</strong>mte Modellierung diesen Qualitätsansprüchen<br />
genügt, <strong>—</strong> oder zeigen, dass<br />
es eine solche Modellierung nicht geben<br />
kann" (Kortenkamp & Richter-Gebert 2001,<br />
124), für den selbst gestellten Anspruch,<br />
Zugfiguren max<strong>im</strong>al stetig zu erweitern <strong>und</strong><br />
zugleich stetig zu verformen, nur in der letztgenannten<br />
negativen Hinsicht erfüllen lässt:<br />
Entgegen dem ersten Augenschein ist nicht<br />
nur "Cinderella" offenbar nicht in der Lage,<br />
zugleich (sD) <strong>und</strong> (sE) zu realisieren, <strong>—</strong> sondern<br />
wohl überhaupt kein DGS.