WWW und Mathematik — Lehren und Lernen im Internet
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� Konstruktion <strong>und</strong> Kontinuität in der Dynamischen<br />
Geometrie<br />
Thomas Gawlick, Landau<br />
Das Erscheinen der Dynamischen Geometrie-Software (DGS) "Cinderella" war der Auslöser<br />
für eine aspektreiche <strong>und</strong> teils kontroverse Diskussion über die Frage: Was ist das<br />
korrekte Verhalten von DGS <strong>im</strong> Zugmodus? "Dazu muss festgelegt werden, was man als<br />
korrekt ansieht, <strong>und</strong> eine naheliegende Forderung ist[,] hier Kontinuität zu erreichen. Dabei<br />
entspricht der Begriff der Kontinuität dem der Stetigkeit (eine sinnvolle Topologie vorausgesetzt).<br />
... Da Kontinuität offensichtlich nicht trivial zu erreichen ist, stellt sich die<br />
Frage, ob sie denn überhaupt erreichbar ist. Die Frage kann positiv beantwortet werden,<br />
<strong>und</strong> mit Cinderella ist inzwischen ein[e] kontinuierliche DGS erhältlich." (Kortenkamp<br />
2000). In Teil I. werden wir zeigen, dass diese Antwort in zweierlei Hinsicht mehr Probleme<br />
aufwirft, als sie löst. Scheut man jedoch zurück vor der Tragweite solcher Gr<strong>und</strong>satzüberlegungen,<br />
aber auch vor den bekannten Nebenwirkungen des stetigen Zug-<br />
Paradigmas, stellt sich natürlich um so dringender die Frage: Kann man auch auf andere<br />
Weise korrektes Verhalten von DGS <strong>im</strong> Zugmodus herbeiführen? Ja, das kann man <strong>—</strong> in<br />
Teil II. zeigen wir, dass die Restrukturierung des dynamischen Konstruktionsbegriffs<br />
zu einem Lösungsweg führt, der auch didaktisch fruchtbar gemacht werden kann.<br />
I. Das Problem der Kontinuität<br />
Postuliert man, dass DGS sich stetig verhalten<br />
soll, stellen sich zwei neue Fragen:<br />
(1) Welches Zug-Verhalten ist als stetig zu<br />
bezeichnen?<br />
(2) Wie stellt man es her?<br />
Die Antwort auf (1) ist nur scheinbar offenk<strong>und</strong>ig;<br />
<strong>—</strong> in Kap. I.1 werden wir sehen, dass<br />
man hierüber schon in einfachsten Beispielen<br />
ganz unterschiedlicher Ansicht sein kann.<br />
Und es zeigt sich in Kap. I.2, dass die konträren<br />
Auffassungen sich tatsächlich jeweils auf<br />
verschiedene mögliche Präzisierungen des<br />
Begriffs Kontinuität stützen können. Schließlich<br />
lehrt auch der geschichtliche Rückblick in<br />
Kap. I.3, dass sich aus der historischen Entwicklung<br />
das Kontinuitätsprinzips keineswegs<br />
so einfach <strong>und</strong> eindeutig einer dieser<br />
Interpretationen den Vorzug geben lässt.<br />
Nun könnte man meinen, dass sich doch<br />
wenigstens aus der Antwort auf (2) eine<br />
Maßregel für stetiges Verhalten ableiten<br />
lässt. Dem ist jedoch nicht so; <strong>—</strong> in Kap. I.4<br />
beschreiben wir, wie in "Cinderella" Stetigkeit<br />
erzeugt werden soll, indem Ausnahmesituationen<br />
durch Umwege ins Komplexe vermieden<br />
werden. Ebenso gut kann man jedoch<br />
als Geometer auch einen reellen Umweg beschreiten;<br />
<strong>—</strong> <strong>und</strong> das führt zu einem abweichenden<br />
Verhalten, welches gemäß der Analyse<br />
in Kap. I.2 sogar höhere Stetigkeitseigenschaften<br />
hat. Insofern muss also offen<br />
bleiben, ob überhaupt eine einzige Zug-<br />
Strategie als die stetige benannt werden<br />
kann.<br />
I.1 Springende Punkte: unstetig<br />
<strong>—</strong> oder auch nicht<br />
F<br />
A<br />
Abb. 1<br />
Bei spielerischen Erk<strong>und</strong>ungen <strong>im</strong> Vorfeld<br />
der klassischen Zweikreis-Konstruktion der<br />
Mittelsenkrechten kann man folgende Erfahrung<br />
machen: Gegeben seien zwei Kreise<br />
mit gleichem Radius r <strong>und</strong> Mittelpunkten A,<br />
E, die frei beweglich gedacht sind <strong>—</strong> <strong>und</strong> mit<br />
DGS auch so erfahren werden können. Für<br />
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