WWW und Mathematik — Lehren und Lernen im Internet
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Cornelia Niederdrenk-Felgner<br />
wird von vornherein weniger zugetraut, ihr<br />
"Versagen" wird nicht nur toleriert, sondern<br />
als "natürlich" gegeben hingenommen.<br />
Für die Jugendlichen kommt der Auseinandersetzung<br />
mit den Rollenbildern in der Zeit<br />
der Pubertät besondere Bedeutung zu. Die<br />
Attribute von Weiblichkeit <strong>und</strong> Männlichkeit<br />
werden von ihnen verinnerlicht <strong>und</strong> sie wollen<br />
den Vorstellungen in der Regel möglichst<br />
gut entsprechen.<br />
Für Mädchen heißt das in erster Linie: attraktiv<br />
für das andere Geschlecht sein; für Jungen<br />
Stärke <strong>und</strong> Überlegenheit zeigen.<br />
Bettina Hannover (1992) hat analysiert, in<br />
welcher Weise sich die Auseinandersetzung<br />
mit den Rollenbildern auf die Interessenentwicklung<br />
bei Jugendlichen in der Pubertät<br />
auswirkt. Dazu untersuchte sie vergleichend<br />
in koedukativen Klassen <strong>und</strong> in reinen Mädchenklassen<br />
die Bedingungen, unter denen<br />
Mädchen sich für als "unweiblich" geltende<br />
Fächer entschieden. Als zentralen Begriff<br />
verwendet sie dabei das spontane Selbstkonzept<br />
einer Person. Damit wird beschrieben,<br />
welche Aspekte der eigenen Person in<br />
einer gegebenen Situation abweichend, neu<br />
oder auf andere Weise besonders hervorgehoben<br />
sind. Ihre Ergebnisse sprechen dafür,<br />
dass Mädchen, die <strong>im</strong> Unterricht das spontane<br />
Selbstkonzepts der eigenen Geschlechtszugehörigkeit<br />
aktivieren, eher weniger Interesse<br />
für typische "Jungenfächer" entwickeln.<br />
Da dieses Selbstkonzept durch die Anwesenheit<br />
männlicher Klassenkameraden stärker<br />
aktiviert wird als in reinen Mädchenklassen,<br />
schlägt sie beispielsweise in den mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />
Fächern die<br />
Trennung in geschlechtshomogene Gruppen<br />
als eine Möglichkeit vor, diesen auf die Mädchen<br />
sich negativ auswirkenden Einflussfaktor<br />
auszuschalten.<br />
Nicht zuletzt als Reaktion auf diese Forschungsergebnisse<br />
ist in den letzten Jahren<br />
vielfach mit der zeitweisen Aufhebung der<br />
Koedukation exper<strong>im</strong>entiert worden.<br />
Speziell für das Fach <strong>Mathematik</strong> liegt eine<br />
empirische Untersuchung zur Auswirkung eines<br />
zeitweise monoedukativ durchgeführten<br />
Unterrichts vor (Nyssen, Ueter & Strunz<br />
1996). Im Rahmen des BLK-Modellversuchs<br />
"Zur Förderung von Selbstfindungs- <strong>und</strong> Berufsfindungsprozessen<br />
von Mädchen in der<br />
Sek<strong>und</strong>arstufe I" wurde an einer der beteiligten<br />
Gesamtschulen über die Klassenstufen 7<br />
bis 9 <strong>Mathematik</strong> monoedukativ unterrichtet.<br />
Die Auswertung der Unterrichtsbeobachtungen<br />
sowie der Vergleich der monoedukativen<br />
<strong>und</strong> koedukativen Unterrichtssituationen be-<br />
40<br />
stätigten die oben genannten Forschungsergebnisse.<br />
Die Mädchen in der monoedukativ<br />
unterrichteten 9. Jahrgangsstufe entwickelten<br />
großes inhaltliches Interesse am Fach <strong>und</strong><br />
arbeiteten sehr konstruktiv <strong>und</strong> mit Freude<br />
mit. Hinzu kommt, dass sie sich eine sehr ruhige<br />
<strong>und</strong> konzentrierte Arbeitsatmosphäre<br />
schafften, die sich deutlich von der eher konkurrenz-betonten<br />
Atmosphäre in der Jungengruppe<br />
unterschied. Noch wichtiger erscheinen<br />
mir die Ergebnisse aus der Beobachtung<br />
der wieder zusammengeführten 10. Jahrgangsstufe.<br />
Nach einer anfänglichen Zurückhaltung<br />
der Mädchen war <strong>im</strong> weiteren Verlauf<br />
feststellbar, dass die Mädchen ihr Selbstbewusstsein<br />
in die eigenen Kompetenzen behielten<br />
<strong>und</strong> sich mit ihrem Sozialverhalten <strong>im</strong><br />
Unterricht nicht nur gegenüber den Jungen<br />
durchsetzten, sondern sogar die gesamte<br />
Unterrichtssituation positiv beeinflussten.<br />
Ähnliche positive Effekte werden be<strong>im</strong> Einsatz<br />
des Computers <strong>—</strong> z.B. <strong>im</strong> Rahmen des<br />
ITG-Unterrichts <strong>—</strong> mit zeitweise getrennten<br />
Gruppen berichtet. Allerdings muss davor gewarnt<br />
werden, in der rein organisatorischen<br />
Maßnahme des getrennten Unterrichts die<br />
Lösung eines pädagogischen Problems zu<br />
sehen.<br />
Ich habe unterschiedliche Einflussfaktoren<br />
aufgezeigt, die sich auf die Mädchen <strong>und</strong> ihre<br />
Einstellung zur <strong>Mathematik</strong> eher negativ auswirken.<br />
Eine genaue Wirkungsanalyse, die<br />
auch Rückschlüsse auf die Leistungsunterschiede<br />
zulässt, liegt mit der Promotion von<br />
Carmen Keller vor, die ich abschließend zu<br />
diesem Teil in Kürze skizzieren möchte.<br />
Carmen Keller befragte in der Deutschschweiz<br />
parallel zu TIMSS ca. 6600 Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler der Klassenstufen 6 bis 8<br />
über ihr Interesse an <strong>Mathematik</strong>, das<br />
Selbstvertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit,<br />
ihre Beteiligung am Unterricht sowie die<br />
Geschlechter-Stereotypisierung von Schulfächern<br />
(Keller 1997 & 1998). Dieser letzte<br />
Fragenkomplex wurde auch den Lehrkräften<br />
vorgelegt. Die Ergebnisse der ersten Auswertung<br />
dieser Fragebogen bestätigen <strong>im</strong><br />
Wesentlichen allgemein zu beobachtenden<br />
Tendenzen: Mädchen zeigen ein signifikant<br />
geringeres Interesse an <strong>Mathematik</strong> als Jungen,<br />
<strong>und</strong> ihr Selbstvertrauen in <strong>Mathematik</strong><br />
ist deutlich geringer als das der Jungen.<br />
Mädchen wie Jungen betrachten <strong>—</strong> mit zunehmender<br />
Klassenstufe zunehmend <strong>—</strong> <strong>Mathematik</strong><br />
als männliche Domäne. Die Lehrpersonen<br />
ordnen <strong>Mathematik</strong> sogar in noch<br />
stärkerem Ausmaß der männlichen Lebenswelt<br />
zu.