WWW und Mathematik — Lehren und Lernen im Internet
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Fritz Nestle<br />
derungen stellen will <strong>und</strong> wie sie konkrete<br />
Lernergebnisse der Schüler bewerten will.<br />
In der industriellen Produktion von Wirtschaftsgütern<br />
ist man von diesem Verfahren<br />
schon vor mehr als h<strong>und</strong>ert Jahren abgekommen<br />
mit dem Ergebnis, dass heute jeder<br />
Bürger unseres Landes nach eigenen Wünschen<br />
aus einem Riesenangebot hochwertiger<br />
Waren auswählen kann; die Konkurrenz<br />
sorgt dabei mit für Qualität. Maßarbeit, zum<br />
Beispiel bei Schuhen, wird nur noch von<br />
Krüppeln, Wirtschaftsbossen <strong>und</strong> arrivierten<br />
Politikern in Auftrag gegeben.<br />
Im Bildungswesen werden dagegen klassenindividuelle<br />
Produkte zusammengeschustert,<br />
deren Qualität, wie TIMSS <strong>und</strong> PISA gezeigt<br />
haben, viele Wünsche offen läßt. Den Kindern<br />
lässt man keine Wahl! Wenn es keine<br />
anderen Möglichkeiten geben würde, müsste<br />
man das hinnehmen. Wenn die Ursache indessen<br />
<strong>im</strong> Fehlen von Visionen bei Kultusverwaltung<br />
<strong>und</strong> Lehrerbildung, <strong>im</strong> Ignorieren<br />
konkreter, praktikabler Vorschläge <strong>und</strong> mangelnder<br />
IT-Kompetenz der Verantwortlichen<br />
zu suchen ist, ist das eine Katastrophe für<br />
unser Land.<br />
Im Site www.bildungsstandards.de sind solche<br />
konkreten <strong>und</strong> praktikablen Vorschläge<br />
in den Kernaussagen<br />
(www.bildungsoptionen.de/manifest.htm)<br />
lang vor den Veröffentlichungen der KMK publiziert<br />
<strong>und</strong> der KMK als Stellungnahme unmittelbar<br />
übersandt worden. Der Eingang<br />
wurde nicht bestätigt, der Inhalt von den anonymen<br />
Experten der KMK <strong>—</strong> <strong>und</strong> der Fachdidaktik?<br />
<strong>—</strong> ignoriert. Liegt es daran, dass<br />
der Autor des Sites von der Sache nicht genug<br />
versteht <strong>und</strong> seine Vorschläge nicht<br />
praktikabel sind, oder liegen die Gründe bei<br />
den anonymen Experten, die ökonomisch mit<br />
ihrer Zeit umgehen <strong>und</strong> sich deshalb auf einen<br />
neuen Aufguss von "Bewährtem" beschränken?<br />
Das kann nur entscheiden, wer<br />
neben den Papieren der KMK auch die Forderungen<br />
<strong>und</strong> Vorschläge des Sites<br />
www.bildungsstandards.de kennt. Hier ist eine<br />
Zusammenfassung der Letzteren:<br />
- Ein Bildungsstandard wird definiert als<br />
Klasse von Aufgaben, die den Standard<br />
repräsentieren, das heißt, durch konkrete,<br />
eindeutig überprüfbare Anforderungen.<br />
Unter<br />
www.bildungsstandards.de/praxis.htm finden<br />
Sie Beispiele.<br />
- Bildungsstandards sind öffentlich, das<br />
heißt, der Aufgabenpool ist der freien Diskussion,<br />
nicht der einseitigen Vorgabe<br />
durch die Schulverwaltung unterworfen.<br />
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Das <strong>Internet</strong> ist eine fast ideale Plattform<br />
für diese Diskussion.<br />
- Lernergebnisse, die an <strong>Internet</strong>angeboten<br />
nachgewiesen werden, erhalten bei zertifizierter<br />
Bearbeitung den Rang von Schulzeugnissen.<br />
Im Gegensatz zu den Schulzeugnissen<br />
kann bei "Zeugnissen" aus<br />
dem <strong>Internet</strong> nachvollzogen werden, welche<br />
Anforderungen nachgewiesen worden<br />
sind.<br />
Wenn die letzte dieser drei Forderungen erfüllt<br />
wird, beginnt die größte "Schul"reform<br />
dieses Jahrtausends. Der Erwerb von Bildung<br />
verändert sich dadurch so, wie sich die<br />
Herstellung von industriellen <strong>und</strong> landwirtschaftlichen<br />
Produkten (Stahl, Nägel, Schuhe,<br />
..., Gr<strong>und</strong>nahrungsmittel) in den vergangenen<br />
zwei Jahrh<strong>und</strong>erten geändert hat. <strong>Lernen</strong><br />
wird zu einem teilweise rationalen Prozess.<br />
An die Stelle der Anpassung an die<br />
Lehrkraft tritt die Auseinandersetzung mit der<br />
Sache. Der Lehrer wird von der gehassten<br />
Autorität zum Lernberater <strong>und</strong> -helfer.<br />
Welche Veränderung sich dadurch für den<br />
Beruf des Lehrers ergibt, mag das Beispiel<br />
der Milcherzeugung verdeutlichen: Noch in<br />
meiner Kindheit gab es in den größeren<br />
Milchbetrieben die "Schweizer". Jeder<br />
Schweizer musste täglich zwei Mal die gleichen<br />
20 bis 30 Kühe melken; so wurden <strong>im</strong><br />
Jahr 1000 bis 2000 Liter Milch pro Kuh gewonnen.<br />
Nach einer Zwischenlösung mit<br />
Melkmaschinen, deren Sauger von Hand angelegt<br />
werden mussten, gehen heute in modernen<br />
Betrieben die Kühe zum Melkstand,<br />
wenn sie gerade das Bedürfnis haben, identifizieren<br />
sich mit einem Transponder <strong>und</strong> geben<br />
ihre Milch ab <strong>—</strong> bis zu 8000 Liter <strong>im</strong><br />
Jahr. Die Milchproduktion wird damit der einzelnen<br />
Kuh mit einem objektiven Maß zugeordnet.<br />
Ich möchte die Parallele nicht <strong>im</strong> Einzelnen<br />
ausführen. Interessant sind sowohl<br />
die positiven als auch die negativen Seiten<br />
des Vergleichs.<br />
Landwirtschaft <strong>und</strong> Industrie haben sich <strong>im</strong><br />
21. Jahrh<strong>und</strong>ert etabliert; die Gr<strong>und</strong>struktur<br />
des Bildungswesens hat den Stand des 19.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts noch nicht überw<strong>und</strong>en.<br />
Das <strong>Internet</strong> könnte der automatische Melkstand<br />
der Bildung werden. Während die<br />
Milch einseitig von der Kuh in den Milchtank<br />
strömt, kann die Information auf interaktiven<br />
<strong>Internet</strong>seiten in beiden Richtungen fließen.<br />
Die Eingaben der <strong>Lernen</strong>den können vom<br />
System nach transparenten, für alle Schüler<br />
gleichen Kriterien bewertet <strong>und</strong> unverzüglich<br />
zurückgemeldet werden. (Auch die Kühe erhalten<br />
an modernen Melkständen motivie-