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WWW und Mathematik — Lehren und Lernen im Internet

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T<strong>im</strong>o Leuders<br />

der heutige <strong>Mathematik</strong>unterricht noch zu<br />

wenig.<br />

Zum sozialen Kontext gehört nicht allein die<br />

symmetrische Kommunikation zwischen den<br />

<strong>Lernen</strong>den, sondern auch die asymmetrische<br />

Kommunikation mit einem Experten. Diese<br />

Rolle können Lehrer, aber auch externe<br />

Fachleute einnehmen. Ein solcher Experte ist<br />

mehr als nur "Lernmoderator" oder "Lerncoach",<br />

wie dies in extrem-konstruktivistischen<br />

didaktischen Ansätzen gefordert wird.<br />

Er ist auch Träger von Expertenwissen, das<br />

er nach Bedarf zur Verfügung stellen kann.<br />

Neben eher deklarativ mitteilbarem Fachwissen<br />

gibt es auch komplexes strategisches<br />

Expertenwissen, das sich allerdings nicht<br />

einfach mitteilen lässt. In der <strong>Mathematik</strong><br />

geht es hier vor allem um prozessbezogene<br />

Fähigkeiten des Problemlösens, des Modellierens<br />

oder des mathematischen Argumentierens.<br />

Solche Fähigkeiten können nur situiert<br />

<strong>und</strong> in der Interaktion mit dem Experten<br />

von den <strong>Lernen</strong>den aufgebaut ("konstruiert")<br />

werden. Das Konzept der cognitive apprenticeship<br />

greift hier das Modell des Erlernens<br />

beruflicher Fertigkeiten in Interaktion zwischen<br />

Lehrling <strong>und</strong> Meister auf. Der Schüler<br />

lernt hier durch Nachahmung in einfachen Situationen<br />

<strong>und</strong> wird vom Experten an <strong>im</strong>mer<br />

anspruchsvollere Situationen herangeführt,<br />

die er <strong>im</strong>mer selbstständiger löst, während<br />

sich der Experte <strong>im</strong>mer mehr zurückzieht<br />

(fading). Das Attribut cognitive deutet allerdings<br />

an, dass das Explizitmachen, die Versprachlichung<br />

<strong>und</strong> die Reflexion der kognitiven<br />

Handlungen wesentlicher Bestandteil<br />

des Verfahrens sind.<br />

Dies führt auf den Aspekt der Metakognition,<br />

der ebenfalls verdient, als besonderes Kriterium<br />

genannt <strong>und</strong> näher ausgeführt zu werden.<br />

Dies geschieht hier allenfalls aus Platzgründen<br />

nicht. Durch die Reflexion ist der<br />

<strong>Lernen</strong>de besser in der Lage, Wissen über<br />

die unmittelbare Situation hinaus zu strukturieren<br />

<strong>und</strong> sich allgemeine Problemlösungsstrategien<br />

anzueignen bzw. diese zu verfeinern.<br />

Lernumgebungen sollten daher die Artikulation<br />

<strong>und</strong> Reflexion der Problemlösungsprozesse<br />

unterstützen. Im <strong>Mathematik</strong>unterricht<br />

ist Reflexion nicht mit dem fragendentwickelnden<br />

Unterrichtsgespräch abgeschlossen,<br />

ja sie beginnt nicht einmal wirklich<br />

damit. Echte Reflexion findet erst statt, wenn<br />

Schüler hierzu Spielräume erhalten, etwa<br />

über individuelle reflektierende Aufzeichnungen<br />

in Forschungsheften oder Portfolios.<br />

Die Übertragung der sozialen Aspekte des<br />

<strong>Lernen</strong>s auf den Bereich des mediengestützten<br />

<strong>Lernen</strong>s erweist sich als besonders prob-<br />

16<br />

lematisch. In wie weit kann <strong>und</strong> darf die Interaktion<br />

mit einem personalen Gegenüber<br />

elektronisch kompensiert oder ersetzt werden?<br />

Hiermit befasst sich der spätere Abschnitt<br />

zur Ebene (4).<br />

(d) Selbsttätigkeit <strong>und</strong> Selbststeuerung<br />

<strong>Lernen</strong>, verstanden als aktiver, individueller<br />

Konstruktionsprozess, setzt ein hohes Maß<br />

an Selbsttätigkeit voraus. Diese Selbsttätigkeit<br />

umfasst Fähigkeiten der Selbstregulation<br />

(Selbststeuerung, Selbstkontrolle, Selbstbewertung,<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mung), aber auch der<br />

Selbstmotivation. Die D<strong>im</strong>ension der Selbstständigkeit<br />

findet ihre Begründung allerdings<br />

nicht exklusive in konstruktivistischen Lerntheorien,<br />

sondern ist ebenso aus bildungstheoretischen<br />

Zusammenhängen ("Mündigkeit")<br />

<strong>und</strong> qualifikationstheoretischen Überlegungen<br />

("Schlüsselqualifikation für lebenslanges<br />

<strong>Lernen</strong>") abzuleiten (Huber 2000).<br />

Selbstständigkeit als Ziel <strong>und</strong> zugleich als<br />

Determinante schulischer Bildung <strong>und</strong> Erziehung<br />

hat in den letzten Jahren eine hohe Valenz<br />

erhalten. Dies lässt sich ebenso an aktuellen<br />

Richtlinientexten wie an einer Vielzahl<br />

von Modellprojekten, die das Kürzel für<br />

"Selbstlernen" <strong>im</strong> Namen tragen, festmachen<br />

(z.B. SelMA www.selma-mathe.de, SelGO; s.<br />

LfS 2003, www.selgo.de).<br />

Der oft verwendete Begriff des "Selbstlernens"<br />

ist allerdings wieder ebenso modisch<br />

wie missverständlich, denn <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>e ist jedes<br />

<strong>Lernen</strong> Selbstlernen. Jeder Mensch<br />

muss "selbst lernen", niemand kann "gelernt<br />

werden". Gemeint ist meist: <strong>Lernen</strong> mit einem<br />

hohen Grad an Selbstregulation<br />

<strong>und</strong>/oder Selbstbest<strong>im</strong>mung. Differenzierter<br />

ausgedrückt kann sich Selbstständiges <strong>Lernen</strong><br />

beziehen auf Setzung von Zielen <strong>und</strong><br />

Auswahl von Themen, auf die Arbeitsmethode,<br />

auf die Arbeitsorganisation <strong>und</strong> auf die<br />

Bewertung der Ergebnisse. Gänzlich zu trennen<br />

ist Selbstständiges <strong>Lernen</strong> vom Begriff<br />

des individualisierten <strong>Lernen</strong>s (vgl. Huber<br />

2000).<br />

Damit eine solche Selbstregulation möglich<br />

ist, muss eine Lernumgebung hinreichend<br />

viele Freiheitsgrade besitzen. Gerade bei<br />

mathematischen Aufgaben ist das Kriterium<br />

Offenheit, sei es bezüglich der Ergebnisse<br />

oder bezüglich der Vorgehensweise, ein wesentliches.<br />

Lange schon hat man erkannt,<br />

dass geschlossene Aufgaben mit einer eindeutigen<br />

Lösungen oder nur einem einzigen<br />

(akzeptierten) Lösungsweg Prozesse der<br />

Selbststeuerung <strong>und</strong> Reflexion von vornherein<br />

unterdrücken. Die Darbietung von offenen<br />

Problem allein reicht aber nicht aus,

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