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WWW und Mathematik — Lehren und Lernen im Internet

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Cornelia Niederdrenk-Felgner<br />

halb besonders geeignet, als hier <strong>im</strong> Rahmen<br />

des Gespräch ähnlich wie in einem mathematischen<br />

Beweis schrittweise Folgerungsketten<br />

aufgebaut werden. Persönliche Einschätzungen<br />

<strong>und</strong> narrative Elemente haben<br />

bei einem solchen Vorgehen wenig Raum.<br />

Die starr erscheinenden Unterrichtsformen in<br />

<strong>Mathematik</strong> untermauern <strong>und</strong> festigen noch<br />

das Bild von einer starren Wissenschaft, in<br />

der eigentlich schon Alles bekannt ist, für die<br />

stures Befolgen gewisser Strategien zum Erfolg<br />

führt, in der die Lehrperson <strong>im</strong>mer alles<br />

(besser) weiß <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer unerreichbar überlegen<br />

sein wird.<br />

Geschlechtsspezifische Unterschiede in der<br />

Reaktion auf den üblichen kleinschrittigen<br />

Unterrichtsstil hat Helga Jungwirth (1990) in<br />

einer Fallstudie untersucht. Ihre Beobachtungen<br />

deuten darauf hin, dass Jungen sich auf<br />

diese Art Unterricht bereitwilliger einlassen<br />

<strong>und</strong> die dafür angemessenen Handlungsweisen<br />

besser beherrschen als Mädchen. Damit<br />

entsprechen die Jungen auch besser den Erwartungen<br />

der Lehrpersonen, die ja ebenfalls<br />

auf diesen Unterrichtsstil eingestellt sind.<br />

Die beobachtbaren Unterschiede in den Verhaltensweisen<br />

von Mädchen <strong>und</strong> Jungen insbesondere<br />

be<strong>im</strong> Einsatz des Computers erklärt<br />

Jungwirth schließlich mit den unterschiedlichen<br />

"sozialen Welten", in denen<br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungen sich jeweils bewegen<br />

<strong>—</strong> <strong>und</strong> wohl fühlen:<br />

"Die zentrale Idee der Erklärung ist, dass<br />

Mädchen <strong>und</strong> Buben über jeweils spezifische<br />

Gewohnheiten, Gesprächssituationen<br />

zu gestalten, verfügen. Das heißt, sie<br />

sind gewohnt, best<strong>im</strong>mte sprachliche<br />

Handlungen zu setzen <strong>und</strong> <strong>—</strong> damit in Zusammenhang<br />

<strong>—</strong> Gesprächsthemen in einer<br />

best<strong>im</strong>mten Art <strong>und</strong> Weise zu behandeln.<br />

Mit diesen Gewohnheiten gehen sie<br />

auch an das Geschehen <strong>im</strong> Computerunterricht<br />

heran. (...) Zusammenfassend<br />

lässt sich sagen: Es wird von einer sozialen<br />

Welt der Mädchen <strong>und</strong> einer sozialen<br />

Welt der Buben ausgegangen, in denen<br />

die beiden Geschlechter unterschiedliche<br />

Handlungsweisen, unterschiedliche Vorstellungen<br />

von einer "normalen" Behandlung<br />

eines Themas <strong>und</strong> damit auch von<br />

einem "normalen" Interaktionsverlauf <strong>im</strong><br />

Unterricht erwerben.<br />

(...)<br />

Die soziale Welt der Mädchen lässt sich<br />

mit den Begriffen "Nähe" <strong>und</strong> "Int<strong>im</strong>ität"<br />

charakterisieren. In dieser Welt lernen die<br />

Mädchen vor allem, enge, auf Gleichheit<br />

basierende Beziehungen aufzubauen<br />

bzw. aufrecht zu erhalten. Dazu ist es er-<br />

42<br />

forderlich, sich intensiv mit den Gedanken<br />

anderer auseinanderzusetzen, zu kooperieren<br />

<strong>und</strong> gemeinsam die gemeinte Bedeutung<br />

von Äußerungen zu erschließen.<br />

Ebenso ist es aber für die Mädchen nötig,<br />

sich selbst genau zu überlegen, was sie<br />

ihrem Gegenüber sagen <strong>und</strong> was nicht.<br />

Erforderlich ist also auch die Entwicklung<br />

der Fähigkeit, Probleme allein für sich<br />

selbst zu durchdenken.<br />

(...)<br />

In der sozialen Welt der Buben geht es<br />

vornehmlich um Selbstdarstellung. (...)<br />

Buben lernen also, sich selbst gut darzustellen<br />

<strong>und</strong> dabei neuen Anforderungen<br />

schnell zu begegnen. Ebenso lernen sie,<br />

spontan Einwürfe zu machen <strong>und</strong> Randbemerkungen<br />

anzubringen, mit denen sie<br />

die Aufmerksamkeit anderer auf sich ziehen<br />

können. (...) Dies bedeutet, dass sich<br />

Eindenken in ein Problem, es von allen<br />

Seiten zu betrachten, um es möglichst<br />

vollständig zu verstehen, nicht zu dem gehört,<br />

was in der Bubenkultur in besonderem<br />

Maß gelernt wird." (Jungwirth 1994,<br />

45f)<br />

Bestätigung findet der Ansatz von Jungwirth<br />

durch eine neuere Untersuchung, die Sylvia<br />

Jahnke-Klein (2001) <strong>im</strong> Rahmen ihrer Promotion<br />

durchgeführt hat. Sie hat genauer<br />

analysiert, unter welchen Bedingungen sich<br />

jeweils Mädchen <strong>und</strong> Jungen <strong>im</strong> <strong>Mathematik</strong>unterricht<br />

wohl fühlen, was sie für einen<br />

guten <strong>Mathematik</strong>unterricht halten. Bei den<br />

Mädchen konnte sie ein deutlich größeres Sicherheitsbedürfnis<br />

feststellen. Sie wollten<br />

langsam vorgehen, viele Übungen zum gleichen<br />

Thema machen, auch wenn sie die<br />

Techniken bereits beherrschten. Den Jungen<br />

fiel dagegen ein längeres Verbleiben am selben<br />

Thema schwerer. Sie strebten stärker<br />

nach Abwechslung, unabhängig davon, ob<br />

das Thema bereits verstanden <strong>und</strong> beherrscht<br />

war oder nicht. Diese Tendenzen<br />

sind natürlich nicht unproblematisch, <strong>und</strong> es<br />

kann nicht darum gehen, den <strong>—</strong> auch wieder<br />

stereotypen <strong>—</strong> Wünschen einfach nachzukommen.<br />

Wichtig erscheint hier vielmehr,<br />

diese Wünsche in ihrer Unterschiedlichkeit<br />

überhaupt erst einmal wahrzunehmen, um<br />

dann damit reflektiert umgehen zu können.<br />

Unabhängig davon, dass sich nach den vorliegenden<br />

Untersuchungen insbesondere<br />

Mädchen von einem solchen Unterrichtsstil<br />

weniger angesprochen fühlen als Jungen,<br />

spiegelt sich in diesem kleinschrittigen <strong>und</strong><br />

engen Kommunikationsmuster auch eine reduzierte<br />

Sichtweise auf die "objektiven" Inhalte<br />

wider, die für das <strong>Lernen</strong> von <strong>Mathematik</strong><br />

<strong>und</strong> das Entwickeln eines Verständnisses

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