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WWW und Mathematik — Lehren und Lernen im Internet

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T<strong>im</strong>o Leuders<br />

wöhnlich solche, die sich auf elektronische<br />

Medien stützen. Die Virtualität manifestiert<br />

sich darin, dass die Objekte dieser (Teil)Welt<br />

die besonderen Eigenheiten des digitalen<br />

Mediums tragen, wie etwa die Projektion eines<br />

digitalen Quaders auf einen Computerbildschirm<br />

oder die eines vielfach verlinkten<br />

Hypertextes. Mit einer solchen Lernumgebung<br />

<strong>im</strong> engeren Sinne ist also meist der<br />

auf elektronische Medien gestützte Teil<br />

der gesamten Lernumgebung gemeint. Insgesamt<br />

ergibt sich also das in Abb. 2 dargestellte<br />

Bild vom Lernumgebungsbegriff. Dabei<br />

möchte ich ausdrücklich davor warnen,<br />

bei einem <strong>Lernen</strong> mit virtuellen Umgebungen<br />

von "virtuellem <strong>Lernen</strong>" zu sprechen. <strong>Lernen</strong><br />

ist nämlich nie virtuell, sondern findet, ob mit<br />

oder ohne Computer, <strong>im</strong>mer nur real statt.<br />

Mit dem Attribut "virtuell" wird eher auf ein<br />

spezifisches Defizit verwiesen, nämlich auf<br />

das physische Fehlen realer Ansprechpartner<br />

(Mitlerner oder Tutoren) oder haptisch<br />

manipulierbarer Objekte.<br />

In Mode kam der Begriff der Lernumgebung<br />

vor allem seit den frühen neunziger Jahren<br />

<strong>im</strong> Bereich mediengestützten <strong>Lernen</strong>s. Dort<br />

entsponn sich eine Auseinandersetzung zwischen<br />

verschiedenen Schulen (vgl. Schulmeister<br />

2002, 166ff, Kerres 2001, 55ff). Im<br />

Gegensatz zu bis dahin dominierenden so<br />

genannten instruktionistischen Ansätzen<br />

entwickelte sich in der Mediendidaktik eine<br />

Strömung, die die Rolle der Lerneraktivität<br />

betonte. Zuvor hatte man die lerntheoretisch<br />

extrem s<strong>im</strong>plifizierende Philosophie der programmierten<br />

Unterweisung überw<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

sich zu differenzierteren kognitivistischen<br />

Ansätzen weiterentwickelt, die sich in so genannten<br />

intelligenten tutoriellen Systemen<br />

(ITS) manifestierten. Gr<strong>und</strong>prinzip solcher<br />

Lehrsysteme war aber <strong>im</strong>mer noch die Auffassung,<br />

ein computergestütztes System<br />

könne durch Diagnose des <strong>Lernen</strong>den ein<br />

hinreichend mächtiges Lernermodell entwickeln<br />

<strong>und</strong> auf dieser Gr<strong>und</strong>lage effiziente Instruktionsprozesse<br />

organisieren.<br />

Im Rahmen einer hier entstehenden Neuorientierung<br />

in der Entwicklung <strong>und</strong> Erforschung<br />

mediengestützten <strong>Lernen</strong>s gewann<br />

der Begriff der Lernumgebung eine wesentliche<br />

Bedeutungsd<strong>im</strong>ension: In dem Maße, in<br />

dem die Aktivitäten des <strong>Lernen</strong>den in den<br />

Vordergr<strong>und</strong> gestellt werden, wird ein computergestütztes<br />

Lernsystem zu einer Lernumgebung,<br />

in der sich der <strong>Lernen</strong>de nach<br />

seinen Bedürfnissen bewegt <strong>und</strong> in der er<br />

seinen Lernprozess selbst kontrolliert <strong>und</strong><br />

nicht durch das System kontrolliert wird.<br />

10<br />

Eine erkenntnis- wie lerntheoretische Verankerung<br />

findet diese Auffassung vom <strong>Lernen</strong>,<br />

die sich nicht allein auf das mediengestützte<br />

<strong>Lernen</strong> bezieht, <strong>im</strong> (pädagogischen) Konstruktivismus,<br />

dessen breite Diskussion <strong>im</strong><br />

allgemeinen pädagogischen Feld ungefähr<br />

zur selben Zeit einsetzte (Gerstenmeier &<br />

Mandl 1995). Seit dieser Zeit berufen sich<br />

viele theoretische Modelle <strong>und</strong> praktische<br />

Umsetzungen auf eine konstruktivistische<br />

Position, <strong>und</strong> auch die hierbei entworfenen<br />

Lernumgebungen werden als konstruktivistisch<br />

bezeichnet, <strong>—</strong> mit durchaus unterschiedlicher<br />

Berechtigung, wie das folgende<br />

Beispiel zeigt:<br />

Zwar ist die Software "Kreuzritter"<br />

nicht netzwerkfähig, jedoch spricht<br />

nichts gegen die Lösung der Rätsel in<br />

Gruppenarbeit vor dem Monitor, das<br />

dem Anspruch nach <strong>Lernen</strong> in einem<br />

sozialen Kontext gerecht wird. (Aus einer<br />

Rezension der S<strong>im</strong>ulationssoftware<br />

"Kreuzritter" www.lpm.uni-sb.de/<br />

neuemedien/analyze/kreuzz.html)<br />

Was also macht eine konstruktivistische<br />

Lernumgebung aus? Gibt es hierfür eindeutige<br />

Kriterien? Zu keiner Zeit hat es so etwas<br />

wie eine geschlossene, konstruktivistische<br />

Position oder Theorie gegeben, <strong>—</strong> weder in<br />

der Mediendidaktik noch in der Pädagogik.<br />

Vielmehr gibt es Hauptströmungen konstruktivistischen<br />

"Gedankengutes" (ich wähle hier<br />

bewusst nicht den Terminus "Theorie"), die<br />

unterschiedlichen Quellen entspringen <strong>und</strong><br />

sich gegenseitig beeinflussen. Auch der vorliegende<br />

Text schöpft aus dieser Orientierungsvielfalt<br />

<strong>und</strong> bezieht sich je nach Argumentationszusammenhang<br />

auf:<br />

• eine radikal-konstruktivistische Anthropologie,<br />

die sich an vielen Stellen durch aktuelle<br />

neurobiologische Erkenntnisse unterstützt<br />

sieht. Diese Sichtweise liegt vor<br />

allem Abschnitt (1) ("konstruktivistisches<br />

Menschenbild") zugr<strong>und</strong>e.<br />

• eine "gemäßigt" oder "pragmatisch" genannte<br />

konstruktivistische Position, bei<br />

der konstruktivistische Aspekte hinsichtlich<br />

der Analyse <strong>und</strong> Synthese von Lernarrangements<br />

berücksichtigt werden.<br />

Hierzu gehören vor allem Ansätze, die Instruktions-<br />

<strong>und</strong> Konstruktionsaspekte zu<br />

Formen des so genannten instructional<br />

design verbinden <strong>und</strong> dabei Kriterien für<br />

Lernumgebungen herausarbeiten, wie sie<br />

auch in Abschnitt (3) ("konstruktivistische<br />

Lernumgebungen") aufgenommen werden<br />

sollen. Solche Kriterien sind Gegenstand<br />

empirisch-psychologischer Untersuchungen<br />

(Gerstenmeier & Mandl 1995).

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