WWW und Mathematik — Lehren und Lernen im Internet
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T<strong>im</strong>o Leuders<br />
Das <strong>WWW</strong> unterscheidet sich also mindestens<br />
in den folgenden drei Hinsichten radikal<br />
von den bisher beschriebenen Lernumgebungen:<br />
• Es gibt keine zentrale Instanz, die die<br />
Qualität der Inhalte, Darstellungsformate<br />
oder Navigationsstruktur sichert.<br />
• Es gibt keinen zentralen, gleichsam bibliothekarisch<br />
betreuten Katalog der Inhalte.<br />
(Suchmaschinen verzeichnen heutzutage<br />
nur Bruchteile des gesamten Netzes <strong>und</strong><br />
unterliegen in ihrer Effizienz prinzipiellen<br />
Beschränkungen)<br />
• Das <strong>WWW</strong> ist authentisch <strong>und</strong> nicht didaktifiziert.<br />
(s.u. (b) "Authentizität")<br />
Diese Aspekte sind prinzipiell ambivalent zu<br />
bewerten. Max<strong>im</strong>ale Globalität <strong>und</strong> Offenheit<br />
werden mit Unübersichtlichkeit bezahlt, die<br />
breite Zugänglichkeit von Information mit<br />
dem Problem ihrer Filterung <strong>und</strong> Bewertung.<br />
Diese Aspekte definieren neue pädagogische<br />
Herausforderungen, von denen eine der<br />
gr<strong>und</strong>legendsten sicherlich die Frage sein<br />
wird: Wie versetzt man Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler (<strong>und</strong> sich selbst als <strong>Lehren</strong>den) in<br />
die Lage, das Unmaß an zugänglicher Information<br />
zu selektieren <strong>und</strong> in individuell verfügbares,<br />
vernetztes <strong>und</strong> flexibel anwendbares<br />
Wissen umzuwandeln? Dies sind Aufgaben<br />
nicht allein für den <strong>Mathematik</strong>unterricht,<br />
sondern für eine integrative Medienpädagogik,<br />
die Medienerziehung, Mediendidaktik<br />
<strong>und</strong> Medienk<strong>und</strong>e vereint (Hischer 2003).<br />
Die max<strong>im</strong>ale Offenheit des <strong>WWW</strong> gibt Anlass<br />
zu einer echten explorativen Schülertätigkeit,<br />
bei der auch der <strong>Lehren</strong>de die gef<strong>und</strong>enen<br />
Produkte nicht vorhersehen kann.<br />
Schülerprodukte (z.B. Facharbeiten) können<br />
so individueller <strong>und</strong> breitgefächerter ausfallen,<br />
wie wohl sie es nicht müssen. Den <strong>Lehren</strong>den<br />
trifft die Aufgabe, Originalität des Ergebnisses<br />
<strong>und</strong> den individuellen Lernzuwachs<br />
zu überprüfen.<br />
Die mit der radikalen Offenheit verb<strong>und</strong>ene<br />
kognitive Überlast für den <strong>Lernen</strong>den kann<br />
didaktisch abgemildert werden. Ein Ansatz<br />
sind die so genannten WebQuests<br />
(www.webquest.org), bei denen Schülern<br />
vom <strong>Lehren</strong>den ausgewählte Explorationswege<br />
(kommentierte Linklisten) angeboten<br />
werden. Ein weiteres Praxisbeispiel für einen<br />
vorsichtigen Einstieg für Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler zu Beginn der Sek<strong>und</strong>arstufe I bietet<br />
das Medienverb<strong>und</strong>projekt "mathe plus", das<br />
das herkömmliche Schulbuch mit <strong>WWW</strong>-Umgebungen<br />
kombiniert (www.matheplus.de).<br />
Solche Modelle der gestuften Offenheit, unter<br />
Verbindung elektronischer <strong>und</strong> klassischer<br />
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Medien sowie elektronischer <strong>und</strong> direkter<br />
Kommunikation, sind in vielfältigen Konstruktionsansätzen<br />
denkbar. Das <strong>Internet</strong> kann als<br />
gleichsam offenste aller virtuellen Lernumgebungen<br />
eine wichtige Rolle übernehmen. Es<br />
ist das Bindeglied zwischen schulisch aufbereiteter<br />
Lernumgebung <strong>und</strong> der "echten virtuellen<br />
Welt".<br />
Abb. 9: Das <strong>Internet</strong> als (Teil-) Lernumgebung<br />
zu (vi): offene (universelle) Werkzeuge<br />
Der <strong>Mathematik</strong>unterricht hat <strong>—</strong> <strong>und</strong> damit ist<br />
er anderen Fächern z.T. weit voraus <strong>—</strong> bereits<br />
seit vielen Jahren umfangreiche Erfahrungen<br />
mit fachspezifischen Softwaresystemen,<br />
die sich durch einen hohen Grad von<br />
Offenheit auszeichnen, indem sie Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler in die Lage versetzen,<br />
selbstständig mathematische Probleme zu<br />
explorieren <strong>und</strong> eigene Konstruktionen (nicht<br />
nur <strong>im</strong> geometrischen Sinn) zu erstellen.<br />
Hierzu sind vor allem zu nennen: Computeralgebrasysteme,<br />
Dynamische Geometriesysteme,<br />
Tabellenkalkulationen <strong>und</strong> Modellierungssysteme<br />
für dynamische Prozesse. Der<br />
Offenheits- <strong>und</strong> potentielle Divergenzgrad<br />
solcher Systeme ist beträchtlich, zugleich<br />
aber auch die Anforderungen an die Nutzer.<br />
Es gibt vielfältige Ansätze, diese Systeme zu<br />
Lernumgebungen weiterzuentwickeln. Hier<br />
lassen sich vor allem zwei unterschiedliche<br />
Entwicklungsperspektiven ausmachen:<br />
(1) Offene mathematische Werkzeuge können<br />
in Lernumgebungen integriert werden<br />
<strong>und</strong> je nach Anforderung des Problemkontextes<br />
als Werkzeuge verwendet werden:<br />
• Einbinden als spezifisches, adaptiertes<br />
Werkzeug in Hypertextumgebungen (Beispiel<br />
Lernumgebungen mit GeoNEXT <strong>—</strong><br />
www.geonext.de)<br />
• Nutzen als universelles mathematisches<br />
Werkzeug. (z.B. lokal installierte CAS,<br />
Handheld-Funktionenplotter)<br />
Nicht zuletzt durch das Verschwinden der<br />
Online/Offline-Grenze werden wir hier vielfältige<br />
Innovationen zu erwarten haben. Die<br />
spezifische Diskussion dieser Technologien