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George Orwell 1984 - staticfly.net

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Tochter angefertigt wurde. Das Lästige war, dass Winston bei<br />

dem Stimmengewirr kaum hören konnte, was Parsons sagte, und<br />

ihn dauernd bitten musste, die eine oder andere seiner<br />

belanglosen Bemerkungen zu wiederholen. Nur einmal konnte<br />

er einen flüchtigen Blick auf das Mädchen werfen, das am<br />

anderen Ende des Raumes an einem Tisch mit zwei Kolleginnen<br />

saß. Sie schien ihn nicht gesehen zu haben, und er vermied es,<br />

nochmals in die gleiche Richtung zu blicken.<br />

Der Nachmittag war erträglicher. Sofort nach dem Essen traf<br />

ein höchst kniffliges Stück Arbeit ein, das mehrere Stunden in<br />

Anspruch nahm und es notwendig machte, alles andere beiseite<br />

zu legen. Es bestand darin, eine Reihe von zwei Jahre<br />

zurückliegenden Produktionsziffern so zu verfälschen, dass ein<br />

prominentes Mitglied der Inneren Partei, das gerade in Ungnade<br />

gefallen war, dadurch in Misskredit gebracht wurde. Es war eine<br />

Arbeit, in der Winston sich besonderes Geschick erworben<br />

hatte, und für über zwei Stunden vermochte er das Mädchen<br />

vollständig aus seinem Denken auszuschalten. Dann kehrte die<br />

Erinnerung an ihr Gesicht zurück, und mit ihr ein rasendes,<br />

schier unerträgliches Verlangen, allein zu sein. Ehe er nicht<br />

allein sein konnte, war es unmöglich, über diese neue Wendung<br />

der Dinge nachzudenken. Heute war für ihn Pflichtabend im<br />

Gemeinschaftshaus. Er schlang in der Kantine eine nach nichts<br />

schmeckende Mahlzeit hinunter, eilte dann fort zum<br />

Gemeinschaftshaus, nahm an dem feierlichen Unfug einer<br />

sogenannten »Diskussionsgruppe« teil, spielte zwei Partien<br />

Tischtennis, stürzte mehrere Glas Gin hinunter und ließ eine<br />

halbe Stunde einen Vortrag über das Thema »Engsoz und seine<br />

Beziehungen zum Schachspiel« über sich ergehen. Innerlich<br />

wand er sich vor Langeweile, aber zum ersten Male seit einiger<br />

Zeit hatte er nicht das Bedürfnis verspürt, den<br />

Gemeinschaftsabend zu versäumen.<br />

Beim Anblick der drei Worte »Ich liebe Sie« war der Wunsch,<br />

am Leben zu bleiben, neu in ihm erwacht, und plötzlich schien<br />

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