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George Orwell 1984 - staticfly.net

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ihrer Wohnung. Selbst die gewöhnliche Polizei mischte sich nur<br />

sehr wenig in ihre Angelegenheiten. Es gab in London ein weit<br />

verbreitetes Verbrechertum, eine ganz in sich geschlossene Welt<br />

von Dieben, Straßenräubern, Prostituierten, bekannten<br />

Rauschgift- und Schwarzhändlern. Aber da sich das alles nur<br />

unter den Proles abspielte, war es ohne Bedeutung. In allen<br />

ethischen Fragen ließ man sie ihrer alten Tradition folgen. Der<br />

sexuelle Puritanismus der Partei wurde ihnen nicht<br />

aufgezwungen. Außerehelicher Geschlechtsverkehr blieb<br />

unbestraft, Scheidungen waren erlaubt. Selbst die Ausübung<br />

einer Religion wäre gestattet worden, wenn die Proles irgendwie<br />

das Bedürfnis oder den Wunsch danach zum Ausdruck gebracht<br />

hätten.<br />

Sie waren über jeden Verdacht erhaben. Wie ein Schlagwort<br />

der Partei es ausdrückt: »Proles und Tiere sind frei.«<br />

Winston beugte sich vor und kratzte vorsichtig seine<br />

Krampfaderknoten, die wieder zu jucken angefangen hatten. Der<br />

Punkt, auf den man unausweichlich immer wieder zurückgeführt<br />

wurde, war die Unmöglichkeit, sich ein Bild von dem Leben vor<br />

der Revolution zu machen. Er zog aus der Schublade ein<br />

Geschichtsbuch für Schulkinder hervor, das er von Frau Parsons<br />

entliehen hatte, und begann ein Stück daraus in sein Tagebuch<br />

abzuschreiben:<br />

In den alten Zeiten vor der glorreichen Revolution war<br />

London nicht die herrliche Stadt, als die wir es heute kennen. Es<br />

war ein düsterer, schmutziger, armseliger Ort, wo kaum jemand<br />

genug zu essen und Tausende von armen Menschen keine<br />

Schuhe an ihren Füßen und nicht einmal ein Dach überm Kopf<br />

hatten, unter dem sie schlafen konnten. Kinder in Euerm Alter<br />

mussten zwölf Stunden am Tag für grausame Arbeitgeber<br />

schuften, die sie mit Peitschen schlugen, wenn sie zu langsam<br />

arbeiteten, und ihnen nur trockenes Brot und Wasser zu essen<br />

gaben. Aber inmitten dieser schrecklichen Armut gab es ein paar<br />

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